Ritt auf heißem Dampf

TU-Studenten starteten zweistufige Heißwasser-Rakete

Drei, zwei, eins, Start - mit einem heißen Strahl aus Wasserdampf verabschiedet sich die AQUARIUS von der Erde
Hoch hinaus sollte es gehen beim weltweit erstmaligen Start einer zweistufigen Heißwasserrakete, den Studenten am Institut für Luft- und Raumfahrt planten. Auf dem Bundeswehrtruppenübungsplatz in Klietz bei Rathenow starteten sie am 27. April die von ihnen konzipierte und gefertigte Heißwasserrakete AQUARIUS X-PRO. 800 Meter hoch sollte die mit heißem Wasser angetriebene Rakete fliegen. Kurz nach dem Start jedoch geriet sie ins Trudeln und stürzte vorzeitig ab.

Bereits seit 1991 arbeiten Studenten des Instituts für Luft- und Raumfahrt an der Entwicklung, Fertigung und Erprobung von Heißwasserraketen, seit 1995 im Rahmen einer Projektwerkstatt. Nach mehrfachen Starts einer einstufigen Rakete schloß sich die Entwicklungsarbeit an einer zweistufigen Heißwasserrakete an. Etwa drei Monate dauerten die Arbeiten. Entstanden ist AQUARIUS X-PRO, eine 3,90 Meter hohe und 60 Kilogramm schwere Rakete, die bei ihrem Jungfernflug etwa 800 Meter hoch fliegen sollte. Angetrieben wird die Rakete mit heißem Wasser. Waschmaschinenheizstäbe erhitzen das Wasser in den Tanks auf 264 Grad. Nach dem Öffnen des Tanks strömt das überhitzte Wasser durch eine Düse aus, wobei es teilweise verdampft und den Flugkörper beschleunigt. Es entsteht ein so enormer Druck in der Rakete, daß die Rakete ein Starttempo von rund 220 Stundenkilometern erreicht. Mit dieser Energie sollte AQUARIUS X-PRO in eine Höhe von 480 Metern gelangen, wo die erste Stufe der Rakete abfallen sollte. Bis auf eine Zielhöhe von 800 Metern sollte dann die zweite Stufe weitersteigen. Fallschirme in beiden Raketenteilen sollten die Teile heil wieder auf die Erde bringen.

Letzte Startvorbereitungen an der Abschußrampe der AQUARIUS X-PRO

Doch so wie geplant, klappte es nicht. AQUARIUS X-PRO stieg zwar etwa 200 Meter in die Luft, die zweite Stufe ging aber nicht wie vorgesehen los. Auch die Fallschirme funktionierten nicht richtig. Sie gingen zu früh auf und rissen ab. So blieben von den zur Erde zurückgekehrten Raketenstufen nur Trümmer übrig. Die Studenten und der sie betreuende TU Hochschullehrer, Prof. Dr.-Ing. Roger E. Lo, meinen, daß der zweistufige Mechanismus versagt hat. Doch aufgeben wollen die Studenten deshalb nicht. "Wir werden versuchen, ihn besser zu bauen, und hoffen, noch in diesem Jahr einen erfolgreichen Start einer Zweistufenrakete hinzukriegen".

Das Ziel der studentischen Raketenbauer ist es, eine funktionstüchtige zweistufige Experimentalrakete für Lehr- und Forschungszwecke zu bauen. Von nachrangiger Bedeutung ist für sie die spätere praktische Anwendung, die im Bereich der Atmosphärenforschung liegen könnte. Bis in eine Höhe von zehn bis 50 Kilometern müßten Heißwasserraketen dann fliegen.

Weitermachen wollen die Studierenden vor allem, weil Heißwasserraketen viele Vorzüge gegenüber herkömmlichen Raketen haben. Eine Heißwasserrakete besticht sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb durch einen geringen Kostenaufwand. Trotz der komplizierten thermodynamischen Vorgänge ist der konstruktive Aufwand gering. Durch den Treibstoff Wasser und ihre Wiederverwendbarkeit ist die Heißwasserrakete umweltfreundlich. Auch in puncto Sicherheit hat die Heißwasserrakete ihre Vorzüge. Da der Rakete erst am Startplatz die notwendige Energie zugeführt wird, entstehen aus sicherheitstechnischen Gesichtspunkten keinerlei Transportprobleme. Selbst wenn der betriebsbereite Druckbehälter platzen sollte, wäre die Beeinträchtigung der Umwelt gering, da das austretende Wasser sofort verdampfen und abkühlen würde. Somit ist eine Explosionsgefahr wie bei entzündlichen Treibstoffen nicht gegeben.

Janny Glaesmer


© 3/'96 TU-Pressestelle