Löcher im Netz der Netze

Wieviele Professoren können eigentlich E-Mails schreiben?

Vier von fünf Fachgebieten an der TU Berlin sind bisher erst an das TU-eigene Campusnetz WOTAN angeschlossen und verfügen damit über einen Internet-Zugang. Sechs von zehn TU-Hochschullehrern benutzen an ihrem Arbeitsplatz die elektronische Post, E-Mail, etwas weniger als die Hälfte von ihnen arbeitet mit dem Internet-Dienst World Wide Web. Die Netzgewohnheiten sind allerdings von Fachbereich zu Fachbereich unterschiedlich: Während mehr als 80% der Mathematiker, Physiker, Chemiker und Informatiker regelmäßig E-Mail nutzen, sind es bei den Architekten gerade mal jeder vierte, bei den Erziehungswissenschaftlern jeder fünfte. So lauten die Ergebnisse einer Umfrage, die das Referat für Forschungsangelegenheiten Ende vergangenen Jahres an der TU Berlin durchführte.

Das Referat für Forschungsangelegenheiten gibt seit mehreren Jahren die "informationen zur forschungsförderung" heraus, in denen TU-Wissenschaftler und -Wissenschaftlerinnen über Forschungsförderungen, Projektausschreibungen, Stipendien und Preise informiert werden. Bisher wurden die "informationen" ungefähr einmal im Monat mit einer Auflage von knapp 3000 Exemplaren gedruckt und an Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter und Drittmittelforscher verteilt. Das verursacht Kosten für Papier, Druckerei und Hausversand.

AKTUELLER MIT ELEKTRONIK

"Ärgerlicher ist aber, daß die 'informationen' eine lange Zeit brauchen, bis sie endlich bei den Wissenschaftlern angekommen sind", erklärt Lothar Bauch, der die "informationen zur forschungsförderung" gemeinsam mit der EU-Referentin Cornelia Borek herausgibt. "Mit Hilfe von elektronischer Post und dem World Wide Web wollen wir unseren Service noch aktueller gestalten."

Eine notwendige E-Mail-Adressenliste aller TU-Hochschullehrer und -lehrerinnen gibt es bisher jedoch nicht. Und auch eine Übersicht darüber, welche Fachgebiete überhaupt vernetzt sind, fehlt. Deshalb nahmen Lothar Bauch und sein studentischer Mitarbeiter Axel Kollmorgen die Angelegenheit selbst in die Hand und versandten Ende letzten Jahres einen Fragebogen an die 572 TU-Fachgebiete. 70 Prozent der Bögen kamen schließlich ausgefüllt zurück.

Dabei zeigte sich, daß bisher erst 79% der Fachgebiete, die antworteten, überhaupt einen Anschluß an das TU-eigene Campusnetz WOTAN haben. Eines fällt auf: Die Fachbereiche 1 (Kommunikations- und Geschichtswissenschaften), 2 (Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften), 8 (Architektur) und 15 (Lebensmittelwissenschaften und Biotechnologie) sind nur zur Hälfte verkabelt. Komplett am Netz sind dagegen die Fachbereiche 3, 4 und 13 (Mathematik, Physik, Informatik). Zu über 90% sind außerdem die Fachbereiche 5, 10 und 14 (Chemie, Verkehrswesen und Angewandte Mechanik sowie Wirtschaft und Management) mit von der Partie.

"Der ungleiche Vernetzungsstand der Fachbereiche liegt hauptsächlich daran, daß sich die derzeit stark vernetzten Bereiche schon frühzeitig dafür interessiert haben", erklärt Helmut Gürtler, Leiter der Zentraleinrichtung Rechenzentrum, die für die Vernetzung an der TU Berlin zuständig ist. "Die anderen kommen jetzt nach. Wegen der finanziellen Lage können wir sie aber nicht so schnell bedienen, wie sie es gerne hätten." Ein weiterer Grund, so Gürtler, sei die ungünstige geographische Lage einiger der rund 150 TU-Gebäude.

MATHEMATIKER MAILEN GERN

Deutliche Unterschiede stellten sich auch bei der Nutzung der verschiedenen Internet-Dienste heraus. Ganz oben in der Gunst der Professoren liegt die E-Mail, die von durchschnittlich 61% genutzt wird - von 19% bei den Erziehungs- und Unterrichtswissenschaftlern bis zu 96% bei den Physikern. Auf Platz zwei der Internet-Dienste folgt mit durchschnittlichen 45% das World Wide Web (WWW) - wobei die Kommunikations- und Geschichtswissenschaftler in der Befragung unter 15% liegen, während 86% der Informatiker das WWW nutzen und damit die Spitzenposition einnehmen.

Die weiteren Internet-Dienste folgen mit Abstand. Für 18% der Professoren und Professorinnen haben die Newsgruppen noch eine gewisse Bedeutung. Der Dateitransfer über ftp oder die Nutzung entfernter Rechner per telnet und alle anderen Dienste spielen nur noch bei 11% eine Rolle.

KURZE AUSSCHREIBUNGSFRISTEN

Gute Noten erhielt das Referat für Forschungsangelegenheiten für seine Publikation "informationen zur forschungsförderung": 68% der teilnehmenden Wissenschaftler lesen sie regelmäßig, jeder fünfte greift manchmal oder selten darauf zurück. "Viele bemängelten allerdings die kurzen Fristen vieler Ausschreibungen", erläutert Lothar Bauch. "Das bestätigt die Prämisse, die die Umfrage entstehen ließ."

Kein Wunder, daß sich von den 402 Hochschullehrern 86% für die elektronische Bereitstellung aussprachen. Und von den 64 Fachgebieten, die angaben, derzeit über keinen WOTAN-Anschluß zu verfügen, votierten immerhin noch 77% für die E-Mail-Variante - natürlich in der Hoffnung, demnächst auch am Netz zu hängen.

WIE GEHT ES WEITER?

Wie es weitergehen soll beschreibt Lothar Bauch so: "Wir halten zukünftig eine Kombinaton von ,aktiver' und ,passiver' elektronischer Informationsvermittlung für die beste Lösung. Dabei hat die E-Mail als aktives Medium lediglich die Aufgabe, dem Nutzer anzuzeigen, daß neue Forschungsförderinformationen auf dem WWW abgelegt sind. Die kann er sich dann bei Interesse anschauen." Die Voraussetzungen - beispielsweise WWW-Seiten mit Bestellfunktionen für weitere Infos - bereitet Student Axel Kollmorgen derzeit im Forschungsreferat vor.

Und was passiert mit den Wissenschaftlern, die auch morgen noch keinen E-Mail-Anschluß haben, schauen die dann in die Röhre? "Nein, für eine Übergangszeit werden wir die 'informationen' weiterhin in Papier verteilen", beruhigt Bauch. "Nach und nach werden wir dann die vollständig vernetzten Fachbereiche aus dem Verteiler nehmen, bis es schließlich nur noch elektronisch läuft. Diese Zeit der Doppelarbeit soll aber so kurz wie möglich sein. Auf keinen Fall sollte das über mehrere Jahre gehen."

René Schönfeldt


© 5/'96 TU-Pressestelle