Ein "Horrorszenario"

Die Folgen der Einsparungen an den TU-Fachbereichen

Welche Folgen zeigen die Sparmaßnahmen an den 15 Fachbereichen? Und was bedeutet Planungssicherheit für sie? TU intern hörte sich bei den Dekanen um.

Wolfgang Beitz
Dekan des Fachbereichs 11 Maschinenbau und Produktionstechnik

Eine seriöse Entwicklungsplanung hinsichtlich Personalausstattung und Investitionen einschließlich der Wiederbesetzung von unbedingt erforderlichen Eckprofessuren (Berufungsverhandlungen) ist ohne eine über mindestens 5 Jahre gehende Planungssicherheit nicht möglich. Planungssicherheit bedeutet festgeschriebene Personalstellen im wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Bereich sowie Investitionsmittel - auf welchem Niveau auch immer. Ohne eine solche Planungssicherheit kann auf Fachbereichsebene weder ein Ausgleich zwischen einzelnen Fachgebieten noch eine Beteiligung an Berufungszusagen erfolgen. Der Fachbereich 11 wird sich an den Spardiskussionen nicht mehr beteiligen, da diese bei der derzeitigen Unsicherheit das Papier nicht wert sind. Im übrigen fallen im Wintersemester 1996/97 die ersten Lehrveranstaltungen wegen Assistentenmangels aus. Auch ist die Grundausstattung für den Sonderforschungsbereich nicht mehr vorhanden.

Ulf Preuss-Lausitz
Dekan des Fachbereichs 2 Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften
Die Sparbeschlüsse des Berliner Senats im Bereich der Hochschulen vernichten die Geschäftsgrundlagen eines Vertrages zwischen Hochschulen und Land Berlin. Ich habe im Frühjahr 1996 als einer der ersten für eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Hochschulen und der Politik plädiert - aber die jetzigen Vorgaben ermöglichen nur noch die vertragliche Unterwerfung unter Bedingungen, die weitere Studienplätze vernichten, nicht einmal die Tariferhöhungen abdecken oder die Ausfinanzierung der - reduzierten - Stellen ermöglichen. Verträgen geht die Verhandlung von Gleichen voraus und der grundsätzliche Respekt vor den Interessen der jeweils anderen Seite. Davon kann gegenwärtig, seitens der Landesregierung, nicht die Rede sein. Die Hochschulen sollten von dem Kakao, durch den sie gezogen werden, nicht auch noch trinken (um Kästner anzuwenden). Vielmehr sollten sie in denjenigen Studiengängen, in denen die grundgesetzliche Verpflichtung auf adäquate Ausbildung nachweislich nicht mehr gesichert werden kann, dies öffentlich überprüfbar feststellen und die politische Verantwortung klar benennen. Die Notlage der Hochschulen muß innerhalb und zwischen den Hochschulen dazu führen, daß es im Interesse der Jugend derzeit primär um die Sicherung von Studienplätzen gehen muß und hierfür für jeden Studiengang innerhalb Berlins die Angebotslage, die Ausstattung und die Studiermöglichkeit abgestimmt werden. Statt eines Vertrages mit einem vertragsunwürdigen Senat bedarf es nun der studiengangsbezogenen Abstimmung zwischen den Hochschulen.

Prof. Dr. Gerhard Findenegg
Dekan des Fachbereichs 5 Chemie
Die gegenwärtige Krise ist mitverursacht durch die kurzsichtige Politik des Berliner Senats. Die jetzt geforderte Entwicklung eines gemeinsamen Konzepts für die Naturwissenschaften der drei Berliner Universitäten hätte vor fünf Jahren geleistet werden müssen. Es ist zu befürchten, daß diese Forderung nun zur Verschleierung eines weiteren Raubbaus an der noch bestehenden Substanz dient. Im Fachbereich Chemie ist aber schon jetzt die Lehre nur noch durch massiven Einsatz von Drittmitteln sicherzustellen. Die hohe Drittmitteleinwerbung der Chemie - ca. 10 Millionen DM jährlich - setzt jedoch eine gesicherte Grundausstattung voraus. Zur Planungssicherheit gehört auch, daß die Sanierung des alten Chemiegebäudes zügig zu Ende gebracht wird. Andererseits müssen aber auch die Universitäten durch Schärfung ihres Profils zu den erforderlichen Strukturänderungen beitragen. Das neue Planungspapier des Präsidenten der TU bildet einen begrüßenswerten Schritt in diese Richtung.

Jörg Winkler
Dekan des Fachbereichs 3 Mathematik
Die Technische Universität plant, die Zahl der Professoren am Fachbereich Mathematik von 25 auf 22 zu reduzieren. Diese Anzahl reicht jedoch nicht aus, um alle Lehrverpflichtungen zu erfüllen, da neben der Mathematikerausbildung die Lehre für sämtliche Ingenieurstudenten Pflicht ist. Die Stellen für Professoren sind unbefristet, fallen daher nicht sofort weg. Dagegen ist bereits jetzt die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Tutoren stark reduziert (Zeitstellen), so daß schon im laufenden Semester Lehrveranstaltungen ausfallen. Im Sommersemester 97 wird die Ausbildung der Studenten für die Anforderungen der Prüfungsordnungen nicht ausreichen. Um die Ausbildung zu gewährleisten, benötigt die Universität Planungssicherheit bei einer den Aufgaben ihrer Fachbereiche angemessenen Ausstattung.

Rudolf Schäfer
Dekan des Fachbereichs 8 Architektur
Aus der Sicht des Studiengangs Architektur zeichnet sich folgendes Horrorszenario ab: Die Zulassungszahlen für den harten NC-Studiengang bleiben unverändert hoch (derzeit 362), während die Mittel für die entsprechende Lehrkapazität nicht bereitgestellt werden. Zum Wintersemester 1997/98 werden dann 30 % der WM-Kapazität entfallen sein. Möglicherweise sind gleichzeitig ca. sieben Professuren vakant und nur partiell durch Lehraufträge ersetzt. Tutorenkapazität steht dann nicht mehr zur Verfügung. Unter diesen Umständen muß es vor allem darum gehen, innerhalb der TU eindeutige Prioritäten zu setzen und Entscheidungen zu fällen; auch und gerade dies gehört für mich zum Thema Planungssicherheit. Der Fachbereich 8 erwartet, daß endlich eine klare und abgestimmte Entscheidungsgrundlage für seit Jahren geforderte Absenkung der Studierenden-Zahlen geschaffen wird. Der Fachbereich wird sonst weder in der Lage noch bereit sein, einen verantwortbaren Lehrbetrieb im bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten.

Peter Pepper
Dekan des Fachbereichs 13 Informatik
Der Fachbereich Informatik hat bereits jetzt große Probleme, die Lehre aufrechtzuerhalten. Während die Nachfrage bei den Studienanfängern unvermindert hoch ist, mußten drastische Einsparungen beim Lehrpersonal hingenommen werden. Zur Zeit können zwar noch alle Pflichtlehrveranstaltungen angeboten werden, die Tutorien sind aber bereits teilweise mit 100 % überbelegt. Wenn der Einstellungsstopp bestehen bleibt - und die erneuten Kürzungsauflagen legen dies nahe -, wird der Fachbereich wesentliche Teile seines Lehrangebotes einstellen müssen.

Gerd Schmidt-Eichstaedt
Dekan des Fachbereichs 7 Umwelt und Gesellschaft

1. Ungeachtet der schwierigen Lage, die für die TU Berlin wie für alle anderen Hochschulen im Land Berlin durch die Mittelkürzungen bereits entstanden ist und sich noch verschärfen wird, halte ich es nicht für die Hauptaufgabe der TU Berlin, sich mit Protestresolutionen nach außen zu wenden .

2. Vielmehr sollte die Stunde der Entscheidung und der Pflicht im Inneren der TU Berlin schlagen. Die TU Berlin sollte nicht nur Antworten und Verträge von Dritten verlangen, sondern selbst Zusicherungen geben, Entscheidungen treffen und Antworten nicht schuldig bleiben.

3. Folgende Fragen müssen beantwortet werden:

  • Welche Studiengänge sollen und können unter den zu erwartenden Rahmenbedingungen mit welcher Mindestausstattung von der TU Berlin unter Wahrung der wissenschaftlichen Qualität eines Hochschulstudiums angeboten werden? Entscheidend ist nicht das Wünschbare, sondern das Machbare.
  • Welche Notlösungen hält die TU Berlin aus eigener Kraft und freiwillig bereit, um Engpässe in der Ausstattung zu überwinden? Wir brauchen keine Erhöhung der Pflichtstundenzahl, aber wir werden freiwillige (Mehr-)Leistungen benötigen. Wir haben sehr lange in fast unbeschränkter Freiheit und zumeist in sehr guter Ausstattung gelebt. Jetzt muß Verantwortung für die Ausbildung der Studierenden auch durch Notprogramme übernommen werden.
  • Wie soll die TU Berlin im Jahre 2006 physisch und räumlich aussehen? Organisation und Raumplanung brauchen Zeit. Was heute nicht geplant wird, steht auch im Jahre 2005 noch nicht.
Günther Clauss
Dekan des Fachbereichs 10 Verkehrswesen und Angewandte Mechanik
Da das Wort Sparrate immer mehr den Sinn erhält "Raten Sie mal, wieviel Sie noch sparen dürfen", erübrigt sich auch jede Diskussion zum Thema Planungssicherheit. Voller Wehmut werden wir uns im Wintersemester 1999/2000 an die gute alte Zeit im Jahre 1996 erinnern, als Kürzungen noch nicht in EUROs diktiert wurden. Trost gibt mir das Wort von Dr. Attinghausen, Landeskonservator des Wilhelm-Tell-Museums in Küßnacht: Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen. Seid einig, einig, einig.

Horst Berger
Dekan des Fachbereichs 12 Elektrotechnik
Es gibt keine Sicherheit im Leben. Das einzig sichere ist der Tod. Und der steht uns hier bevor.
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