"What runway did he say ...?"Zukünftige Kommunikation zwischen Lotsen und Piloten "What runway did he say ...?" - "Welche Landebahn hat er uns zugeteilt?" Fragen wie diese sind bei Cockpitbesatzungen moderner Passagierjets auch heute noch keine Seltenheit. Das könnte sich aber in näherer Zukunft jedoch ändern. Denn weltweit arbeiten Wissenschaftler daran, die Datenübertragung zwischen Lotsen und Piloten grundlegend zu ändern. Unklarheiten aufgrund mangelhafter Sprechfunkverbindungen sollen nahezu ausgeschlossen werden. Wie die "Gespräche" zwischen Boden und Bord in Zukunft aussehen sollen, damit beschäftigt sich seit kurzem ein Forschungsprojekt an der TU Berlin. Seit Jahrzehnten nimmt der Luftverkehr zu: Beliefen sich die Instrumentenflüge im bundesdeutschen Luftraum im Jahre 1986 noch auf 1,08 Millionen, so zählte die Deutsche Flugsicherung GmbH 1995 bereits 1,93 Millionen. Kommunikation ist dabei ein zentrales Thema, sowohl beim Gespräch zwischen Piloten und Lotsen als auch zwischen den einzelnen nationalen Flugsicherungssystemen, wenn ein Flugzeug vom Luftraum eines Landes in den eines anderen Landes wechselt. Und in Zukunft sollen noch mehr Informationen ausgetauscht werden. Beispielsweise Daten aus den "Flight-Management-Systemen" der Flugzeuge; sie berechnen unter Berücksichtigung von Wetterdaten und gewichtsabhängigen Leistungsdaten des Flugzeugs einen sicheren und möglichst wirtschaftlichen Routenplan. Zukünftig sollen diese Daten aus dem Cockpit auch an die Flugsicherung übermittelt werden. Die Lotsen können dann die Wunschstrecken der Flugzeuge wesentlich besser einschätzen als bisher, und sie können Überlastsituationen früher erkennen.
Der Sprechfunk zwischen Lotse und Pilot wird für solch umfangreiche Daten allerdings nicht mehr ausreichen. Statt dessen sollen in Zukunft digitale Datenkanäle genutzt werden. Angezeigt werden die Nachrichten dann in Displays, die sich am Lotsenarbeitsplatz und im Cockpit befinden; Flugstreckenvorschläge können per Knopfdruck bestätigt oder abgelehnt werden. Der Sprechfunk wird seltener eingesetzt, verschwindet aber nicht ganz: Er wird weiterhin zur Übermittlung nicht standardisierter Dialoge und als Ersatzsystem bestehen. Mit den Auswirkungen dieser neuen Kommunikationswege beschäftigt sich seit August dieses Jahres eine Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Ihr Titel: "Mensch-Maschine-Interaktion in kooperativen Systemen der Flugsicherung und Flugführung". Die Aufgabe der an der TU Berlin angesiedelten DFG-Forschergruppe ist es, das zukünftige Zusammenspiel von Lotsen, Piloten und Technik zu untersuchen und Vorschläge für eine sinnvolle Aufgabenverteilung zu entwickeln. Dabei geht es von vornherein nicht um das technisch Machbare, sondern um eine am Menschen orientierte Automatisierung, betonen die Wissenschaftler. Die Forschergruppe kann auf die Erfahrungen zahlreicher Vorarbeiten der TU Berlin und der TU Braunschweig zurückgreifen. So wurde in Berlin bereits von 1983 bis '94 im DFG-Sonderforschungsbereich 212 "Sicherheit im Luftverkehr" Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Simulation des Luftverkehrs und an einem experimentellen Lotsenarbeitsplatz sowie auf dem Gebiet der digitalen Datenübertragung zwischen Flugzeug und Bodenstation geleistet. Das DFG-Vorhaben "Flugsicherung als Mensch-Maschine-System" erarbeitete bereits ein Luftraumsimulationssystem, genannt EnCoRe-PLUS. Ingenieurpsychologische Vorarbeiten auf dem Gebiet der Systemautomatisierung zur Funktionsteilung Mensch-Maschine wurden an der TU Braunschweig geleistet. Um die komplizierte Interaktion zwischen Lotsen, Piloten und Flugsicherungssystemen zu untersuchen, wird die neue Forschergruppe zunächst ein Simulationssystem "Boden - Data Link - Bord" aufbauen. Die Bordseite mit modernem Cockpit wird u. a. durch den Airbus-A340/330-Flugsimulator des Zentrums für Flugsimulation Berlin (ZFB) in der Marchstraße repräsentiert. Experimentelle Lotsenarbeitsplätze des Instituts für Psychologie und des Instituts für Luft- und Raumfahrt werden die Bodenseite darstellen. Sie werden neben farbigen Radardisplays mit Windows-Technik auch erweiterte Lotsen-Assistenzsysteme zur Konfliktlösung und Verkehrsflußsteuerung enthalten. Der digitale Übertragungskanal wird durch ein LAN2/Novell-Netzwerk simuliert. Bei bisherigen Forschungsprojekten wurde vorwiegend die Leistungsfähigkeit der technischen Komponenten in den Vordergrund gestellt, während das Zusammenspiel von Mensch und Maschine weitgehend vernachlässigt wurden. Der Ansatz der DFG-Forschergruppe bezieht sich nun sowohl auf technische als auch auf operationelle und anthropotechnische Aspekte eines integrierten Systems mit einem hohen Grad an Automatisierung. Dies wird in bisher bekannten Forschungsansätzen kaum berücksichtigt.
Niels-Holger Stark
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