"Alles wird ruiniert!"

Uni-Chefs warnen vor Täuschung der Öffentlichkeit

Als Reaktion auf die jüngsten Sparentscheidungen des Berliner Senats haben sich die Präsidenten der drei Berliner Universitäten an die Öffentlichkeit gewandt. In einer Presseerklärung weisen sie auf die Konsequenzen der Sparpolitik hin:

Der Regierende Bürgermeister hat nach der Sparklausur der Koalition verkündet: "Die Wissenschaftseinrichtungen bleiben in ihrer Substanz erhalten: Es wird nichts geschlossen!" Er hätte hinzufügen müssen, daß aber "alles ruiniert wird". Die Koalitionsspitzen sprechen auch von einem "erträglichen Kompromiß", den sie gefunden haben wollen. Der Kompromiß mag für die Koalition, aber nicht für die betroffenen Institutionen wie die Hochschulen "erträglich" sein.

Schon bisher haben die Hochschulen Kürzungen von rd. 400 Millionen DM zu bewältigen, und noch ohne die neuen Kürzungen sind im Zeitraum von 1997 bis 2003 wiederum rd. 400 Millionen DM Kürzungen "umzusetzen". Mit der nunmehr von der Koalition beschlossenen weiteren Kürzung von 150 Millionen DM ergibt sich bereits eine dauerhafte "Einsparung" von insgesamt 950 Millionen DM zu Lasten der Hochschulen.

Zusätzlich sollen die Personalhaushalte der Hochschulen nicht ausfinanziert werden, so daß diese gegenüber dem sonstigen öffentlichen Dienst des Landes benachteiligt werden. Sie sollen also die bei der Etatplanung zu niedrig veranschlagten Mittel für die einzelnen Stellen selbst ausgleichen und auch die Beamtenversorgung und die Beiträge zur Sozialversicherung selbst tragen. Das entspricht einer weiteren Belastung von über 50 Millionen DM allein 1997. Hinzu kommt die besondere Unterfinanzierung bei den C-Stellen der Professuren in Höhe von rd. 60 Millionen DM.

So will die Berliner Politik die Hochschulen bis zum Jahre 2003 um über eine Milliarde und damit um ein Drittel der früheren Zuschußsumme von drei Milliarden kürzen. Das vorgegebene Ausmaß und Tempo dieses Haushaltsabbaus lassen sich durch Strukturmaßnahmen nicht mehr auffangen. Selbst die Einstellung und Konzentration von vielen Fächern an einem Ort in einer "verbundenen" Planung der Universitäten würde dagegen nichts helfen; denn strukturelle Maßnahmen können wegen der geringen Flexibilität beim Abbau des dauerbeschäftigten Personals und wegen der noch zu erfüllenden Ausbildungsverpflichtung gegenüber den Studierenden nur mittel- und längerfristig zu wirklichen Einsparungen führen. Kurzfristige übermäßige Kürzungen treffen zwangsläufig alle scheinbar flexiblen Funktionen, von den befristeten Positionen des akademischen Mittelbaus und der studentischen Hilfskräfte bis zu den Bibliotheken und Labors.

Das Ausmaß dieser Kürzungen wird zu einem weiteren massiven Abbau der Studienplätze in Berlin führen. Die vor wenigen Monaten noch im Haushaltsstrukturgesetz festgeschriebene Zahl von 85000 wird durch die neuen Haushaltsentscheidungen auf kaum mehr als 60000 sinken, was etwa einer Halbierung gegenüber 1992 entspricht. Berliner Abiturienten und Abiturientinnen werden in immer geringerer Zahl noch einen Studienplatz hier finden und teurer andernorts studieren müssen. Auch auswärtigen und ausländischen Studierenden bleiben immer geringere Chancen für ein Studium in Berlin. So stellt sich die Berliner Politik die Entwicklung der Stadt zu einer Metropole vor. Auch die eigene Ausbauplanung des Berliner Senats für den Hochschulbereich mit teuren Naturwissenschaften und Kliniken wirkt bei einem solchen Abbau von Haushalt und Studienplätzen absurd.

Vor diesem Hintergrund erwarten die Universitätspräsidenten mit Skepsis ein konkretes Vertragsangebot mit genauen Zahlen von Senator Radunski zur Aufnahme von Verhandlungen und sehen mit Interesse seinen Vorstellungen zu einer planungssicheren Entwicklung der Berliner Hochschulen entgegen.


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