Vertrag mit Abhängigen oder Schluß mit der Staatsanstalt?

Zu den Vertragsentwürfen zwischen Hochschule und Politik

Planungssicherheit durch Vertrag - das ist derzeit eines der Themen, über die sich die Berliner Politiker und Hochschulvertreter die Köpfe zerbrechen. In der Oktober-Ausgabe von TU intern haben wir bereits über zwei Vertragsentwürfe berichtet: einer kam von den Berliner Rektoren und Präsidenten, der andere von der Berliner CDU. Beide Papiere sind allerdings noch nicht ausgereift, bemängelt Carsten von Wissel, Studiensekretär am Fachbereich 7 Umwelt und Gesellschaft und Mitglied der Reformfraktion an der TU Berlin. Er formuliert im folgenden, welche Anforderungen an einen vernünftigen Vertrag zu stellen sind.

Beide vorliegenden Vertragsentwürfe enthalten Härten: Garantierte Kürzungen der Mittel, Studiengebühren, bei deren Einführung die letztliche Verantwortung dafür bei der Universität landen würde, im Fall des CDU-Entwurfs auch gut abgelagerte Pretiosen aus dem umfänglichen Warenlager konservativer Hochschulpolitik wie z. B. Auswahlgespräche für Studienbewerberinnen und -bewerber.

Warum also sollten die Hochschulen überhaupt darüber diskutieren u. U. einzuschlagen? Verbleiben sie "nachgeordnete Staatsanstalten" besteht tatsächlich kaum eine Notwendigkeit, sich auf künftig zu erbringende Leistungen gleich welcher Art einzulassen. Erst recht dann nicht, wenn zunehmend unklar ist, mit welchen Mitteln diese Leistungen zu erbringen sein werden. Ebensowenig dürfte es der Motivation der Hochschulen zuträglich sein, wenn die Senatsseite vor den Vertragsabschlüssen in einen Kürzungswettlauf mit der Zeit einsteigt, um die Verträge möglichst billig ausgestalten zu können, gleichzeitig aber alles im gegenseitigen Verhältnis beim alten lassen will. Insbesondere in letzterer Hinsicht muß Gesprächsbereitschaft erkennbar werden.

Es ist an den Hochschulen hier Entgegenkommen anzumahnen und nicht schnell nach einem Strohhalm trügerischer wenn auch kontraktierter Sicherheit zu greifen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Debatte über die vorliegenden Staatsvertragsentwürfe als eine Chance, das Verhältnis zwischen Staat und Hochschulen neu zu diskutieren, es scheinen hier mehr Chancen zur Optimierung und Effektivierung als Risiken vorzuliegen. Grundsätzlich und vorab lassen sich mit Blick auf die beiden vorliegenden Staatsvertragsentwürfe die folgenden Essentials anlegen, die einen Vertragsabschluß erst sinnvoll erscheinen lassen könnten:

  • ein Vertrag braucht auf beiden Vertragsseiten Subjekte; beide vorliegenden Vertragsentwürfe sehen jedoch vor, daß der Senat mit allen Hochschulen einen Vertrag schließt, auf beiden Seiten würde damit ein reales Vertragssubjekt (entscheidungsbefugt und bindungsfähig) fehlen, der jetzige Senat kann weder das amtierende noch das künftige und natürlich auch nicht seinen Nachfolger binden, von der Subjektunfähigkeit der Hochschulen als Gesamtheit ist hinreichendes bekannt,
  • ein Vertrag braucht gegenseitige Sicherheiten; bei Zweifeln, ob eine Seite imstande sein wird, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, müssen Maßnahmen vereinbart sein, die diese Erfüllung sicherzustellen geeignet sind; dies hat in gleicher Weise für die Leistungserfüllung beider Seiten zu gelten, einseitige Aufnötigung finanzieller Risiken ist in jedem Falle keine geeignete Vertragsgrundlage,
  • daraus resultiert, daß ein Vertrag Inhalte braucht; qualifizierte Kennziffern sowie vereinbarte Qualitätsziele inklusive ihrer ebenso vereinbarten Evaluationskriterien scheinen hier geeignet, nichts davon jedoch ist in den vorliegenden Entwürfen enthalten,
  • Selbststeuerung mittels Kennziffern wiederum erfordert Flexibilität auf beiden Seiten; Hindernisse, die dieser entgegenstehen, sind wo möglich abzuräumen; an keiner Stelle der Vertragsentwürfe ist von Vergleichbarem die Rede.

Aus diesen Essentials resultieren nun wiederum konkrete Anforderungen an das zu erarbeitende Vertragswerk:

  • Vertragspartner können nur das Land vertreten durch das Abgeordnetenhaus (entscheidungsbefugt und bindungsfähig) und die einzelne Universität/Hochschule (subjektbefähigt, bindungsfähig und notwendigerweise entscheidungsbefugt) sein,
  • Staats- und Hochschulseite vereinbaren nachvollziehbare Kennziffern - z. B. Studienplätze, Absolventinnen und Absolventenzahlen, möglicherweise Drittmittelquoten zu bewerten anhand von Fächergruppenschlüsseln - und überprüfbare qualitative Kriterien, bei deren Erreichen eine Vertragserfüllung gegeben ist,
  • das Land gibt eine Verpflichtungserklärung ab, die zugesagten Mittel zuzuweisen, die Hochschule gibt eine Verpflichtungserklärung ab, die vereinbarten Kennziffern zu erbringen; unkalkulierbare Risiken sind jeweils dort aufzufangen, wo die Spielräume am größten sind; konkret bedeutet dies, daß das Personal aller Personalgruppen von der Staatsseite auszufinanzieren ist,
  • die Staatsseite verpflichtet sich, alle Hindernisse, die einer Erfüllung der Vertragsinhalte durch die Hochschulseite entgegenstehen, abzuräumen. Insbesondere gilt dies für die Landeshaushaltsordnung, das Berliner Hochschulgesetz und die einschlägigen Passagen des Haushaltsstrukturgesetzes.

Es macht letztlich wenig Sinn, sich mit weniger zufriedenzugeben. Andernfalls sind Vor- und Nachteile zu ungleich verteilt, ebensowenig kann von gegenseitigem Vertrauensvorschuß ausgegangen werden. Künftiges Vertrauen kann jedoch unter günstigen Umständen Ergebnis eines Vertragsabschlusses werden.

Carsten von Wissel,
Studienbüro des Fachbereichs 7
Umwelt und Gesellschaft


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