Brigitte Einführ

Lehrjahre in der Provinz

Wer geht schon nach dem Berliner Großstadtstudium freiwillig in die ostdeutsche Provinz? Für TU-Absolventen ein eher seltener Wunsch für den Berufseinstieg. Kein Problem für Brigitte Einführ, die nach ihrem Geschichtsstudium an der TU Berlin journalistisch arbeiten wollte: "Mich interessierte von Anfang an, wie es im Osten aussah. Ich wollte sehen, wie die Menschen dort leben und was es mit den Vorurteilen auf sich hat." Bei einer Hauptstadtzeitung bewarb sich die gebürtige Berlinerin gar nicht erst.

Die Chance für den Berufseinstieg gab ihr die Lausitzer Rundschau. Bei ihr absolvierte sie ein Volontariat, das sie an drei Lokalredaktionen und an die Hauptredaktion des Blattes brachte. In Senftenberg, Dahme und Bad Liebenwerda konnte sie Brandenburg hautnah kennenlernen. "Da lernte ich mein journalistisches Handwerkszeug, berichtete über alles, was so in einer Lokalredaktion anfällt", erinnert sie sich. Sie schrieb über Firmenpleiten und ABM-Maßnahmen, über Verkehrsunfälle und Lokalpolitik.

Heute ist sie aus dem Volontärsstatus aufgestiegen und arbeitet als feste Redakteurin in der Lokalredaktion von Bad Liebenwerda, rund 170 Kilometer von Berlin entfernt. Sie betreut jetzt selbst Praktikanten, Volontäre und freie Mitarbeiter, schreibt und layoutet die bis zu sechs täglichen Lokalseiten. "Das ist natürlich sehr anstrengend. Aber ich liebe diesen Beruf", schwärmt sie - trotz des zwölf bis 14 Stunden langen Arbeitstages.

Besonders am Herzen liegt ihr die Nähe zu den Leserinnen und Lesern, betont Brigitte Einführ. Am meisten macht es ihr Spaß, wenn sich die Leute bei ihr melden, sei es wegen Mietproblemen, Ärger mit Behörden oder Schwierigkeiten am Arbeitsplatz. "Dann ist die Zeitungsarbeit so eine Art Lebenshilfe", erklärt die Redakteurin. Da kommt es nicht selten vor, daß sich Leserinnen und Leser melden, wenn sie mit ihrer Zeitung zufrieden sind oder wenn sie sich über sie aufregen. "Dann stehen die schon manchmal vor meinem Schreibtisch und beschweren sich, oder sie bedanken sich mit einem Blumenstrauß.

Als sie vor zehn Jahren mit dem Geschichtsstudium an der TU Berlin anfing, hätte sie sich das so nicht vorgestellt, wollte nicht Journalistin werden. "Ich wählte Alte und Neue Geschichte und Politikwissenschaften, weil mich das interessierte und weil ich meinen Horizont erweitern wollte", erinnert sie sich heute. Obwohl sie damals in Dahlem wohnte, zog sie die Technische Universität der Freien Universität vor: "Das war ein kleiner Bereich mit einer schönen Nähe zwischen Studenten und Professoren."

Daß sie dann auf den Journalismus kam, hängt mit der TU-Pressestelle zusammen. Hier arbeitete sie lange als studentische Hilfskraft und lernte die andere Seite des Journalismus, die Öffentlichkeitsarbeit, kennen. Sie schrieb zahlreiche Artikel für TU intern und war auch beim studentischen Wissenschaftsmagazin Safer Science aktiv. "Die Erfahrung war ganz wichtig", betont sie heute, "denn im Studium muß man auf jeden Fall die Möglichkeit nutzen, bereits ins Berufsleben hineinzuschnuppern."

Ihre Beziehung zur TU Berlin ist noch frisch und von guten Erinnerungen geprägt, erzählt sie. Zugute kommt ihr dabei, daß sie am Wochenende regelmäßig in Berlin ist. "Wenn mich Freunde von außerhalb besuchen, zeige ich ihnen auch gerne meine alte Universität. Da habe ich ja in gewisser Weise meine Wurzeln."

Über eine Sache kann sie sich allerdings heute noch sehr aufregen. "Wie ich mir nach sieben Jahren Studium mein Abschlußzeugnis abholen mußte, einfach so auf den Tresen geklatscht, das war das Letzte", ärgert sie sich. "Wenn ich nicht noch ein halbes Jahr in der Pressestelle gearbeitet hätte, wäre meine letzte Erinnerung an die TU Berlin nicht besonders schön ausgefallen."

rs


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