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"Chaotische Oszillationen" im Grundlagenlabor
Grundlagenforschung und angewandte Forschung in der Physik müssen
gar nicht weit auseinander liegen. Das haben Professor Eckehard
Schöll vom Institut für Theoretische Physik und der
Halbleiteringenieur Kazuaki Kunihiro von der japanischen Elektronikfirma
NEC vorgemacht. Ein Jahr lang war der Japaner Gast in der Berliner
Arbeitsgruppe von Professor Schöll.
Am Anfang des Aufenthaltes stand ein Problem, mit dem die Mitarbeiter
im NEC-Forschungslabor im japanischen Tsukuba nicht weiterkamen:
Die mikroelektronischen Bauelemente, die man dort entwickelte,
wiesen beim Anlegen von Spannung störende, irreguläre
zeitliche Schwankungen auf, die sich die Wissenschaftler nicht
erklären konnten.
Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, entsandten sie
ihren Mitarbeiter Kunihiro für ein Jahr nach Deutschland
an die TU Berlin zu Professor Eckehard Schöll. Dessen Arbeitsgebiet
- die Grundlagenforschung im Bereich der Chaostheorie und der
Nichtlinearen Dynamik in Halbleitern - berührt auch die unvorhersehbaren
Spannungs- und Stromoszillationen, die den japanischen Ingenieuren
Kopfzerbrechen bereiteten.
Um den "chaotische Oszillationen" - wie Schöll
das Problem in der Fachsprache nennt - beizukommen, arbeitete
Kunihiro in einem Projekt, in dem die TU-Physiker das nichtlineare
Verhalten von Halbleitern theoretisch modellieren. Dort entwickelte
der Japaner eine Computersimulation, mit der Halbleiterspezialisten
nun die ungleichmäßige räumliche Verteilung von
Strom und Spannung untersuchen können. "Das Ziel der
Kooperation war nicht, das spezielle Problem der NEC-Ingenieure
hier zu lösen", erläutert der Gastgeber, "sondern
Herr Kunihiro hat hier Methoden gelernt, mit denen er zu Hause
an den störenden Effekten arbeiten wird."
Schöll bewertet den Aufenthalt seines Gastes, der Ende September
wieder nach Japan zurückkehrte, sehr positiv, insbesondere
was die Zusammenarbeit zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung
angeht: "Interessant ist, daß Herr Kunihiro nicht etwa
aus der Abteilung für Grundlagenforschung des NEC-Labors,
sondern aus der Abteilung für angewandte Optoelektronik kommt,
und daß als Gastinstitut nicht eines der experimentellen
oder angewandten Institute, sondern meine rein theoretisch-physikalische
Arbeitsgruppe ausgewählt wurde."
Positiv vermerkt der TU-Professor auch die Kostenseite des Aufenthalts:
"NEC stellte seinen Mitarbeiter während dieser Zeit
bei voller Bezahlung frei und beteiligte sich an der Ausstattung
seines Computerarbeitsplatzes. In Zeiten einer immer geringer
werdenden Grundausstattung hatte ich mit meinem Gast daher einen
zusätzlichen Wissenschaftler in meiner Arbeitsgruppe."
Gleichzeitig bedauert Schöll allerdings, daß diese
Art von Kooperation in Deutschland nicht populär ist: "Von
deutschen Firmen bekam ich noch kein derartiges Angebot."
rs
© 7/'96 TU-Pressestelle
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