Uni goes Cyberspace

Erste Erfahrungen mit dem Virtual College

Im Sommersemester 1996 startete in Berlin und Brandenburg das erste Semester des Virtual College, eines Pilotprojektes, das vom Institut für Medienintegration (IMI) zusammen mit Mitarbeitern und Einrichtungen verschiedener Hochschulen und Universitäten in Berlin und Brandenburg durchgeführt wird.

Beim Probelauf im letzten Semester wurden die Einsatzmöglichkeiten von Netzwerkdiensten im universitären Lehrbetrieb getestet. Ziel war es, das Internet bzw. das World Wide Web und Telekonferenz-Systeme stärker als bisher in den Unterricht einzubinden. Zum einen wollte man die Kommunikation zwischen Studenten und Professoren fördern, zum anderen einen Teil des Lehrbetriebs ins Netz verlagern. Bisher stand allerdings die Beschäftigung mit dem Thema Multimedia im Vordergrund und weniger die multimediale Umsetzung des Unterrichtsstoffs. Die Hochschulen wollten frühzeitig Erfahrungen sammeln, um für die Kommunikationszukunft gerüstet zu sein.

Im Nachgang zu dem Probelauf hat eine Projektgruppe der Freien Universität Berlin unter den Teilnehmern, die eine E-Mail-Adresse haben, eine Umfrage zu ihren Erfahrungen mit dem Virtual College gemacht. Das Ergebnis steht noch aus. Meine eigenen Erfahrungen allerdings, die ich im letzten Semester beim Virtual College gemacht habe, sind teilweise negativ:

Die finanzielle Unterstützung, für die man sich an Sponsoren und Kooperationspartner aus der Wirtschaft wandte, wirkte halbherzig. So wurde den Studenten zwar für die Dauer des Semesters freie Internet-Accounts versprochen, doch gewährte der kommerzielle Provider nur seinen standardmäßigen "Schnupperaccount", wie er auch als Beilage in Computer-Zeitschriften zu finden ist. Der gilt nur einen Monat und wird danach nur noch gegen Bezahlung weitergeführt.

Die seminarübergreifende Veranstaltung "Teledidaktika", zu der zwar Studenten zugelassen waren, schien sich mehr an die bereits gewonnenen und noch erhofften Sponsoren zu richten. Die Vorträge priesen durchweg die Vorzüge der neuen Medien und ließen kaum Raum für Diskussion, was für die wenigen Studenten, die anfangs noch an den Veranstaltungen teilnahmen, enttäuschend war. Die Abschlußveranstaltung "Copy & Right" kostete sogar Eintritt - auch für Studenten.

STEIN INS ROLLEN GEBRACHT

Darüber hinaus gab es jede Menge organisatorische Probleme, angefangen beim Vorlesungsverzeichnis, das für viele Studierende so spät erschien, daß die meisten Veranstaltungen schon begonnen hatten, als sie davon erfuhren, bis hin zu der Tatsache, daß eigentlich alle Seminare sich in irgendeiner Weise mit dem Thema neue Medien beschäftigten, aber nur die wenigsten Dozenten diese Medien auch für den Unterricht nutzten. Ein Dozent lehnte z. B. eine Kommunikation via E-Mail glatt ab.

Fairerweise muß man den Initiatoren zugute halten, daß sie zumindest das Kunststück vollbracht haben, einen Stein ins Rollen zu bringen und neben den Sponsoren auch eine Schar ehrenamtlicher Helfer zusammenbrachten, ohne die das Projekt wahrscheinlich nicht laufen würde.
Für das kommende Semester wurde das Konzept überarbeitet und die Organisation des Virtual College grundlegend geändert:

ES GEHT WEITER

Dieses Semester wird den Studenten erstmals die Möglichkeit geboten, Seminare zu besuchen, in denen der Lehrstoff auch multimedial umgesetzt wird. Alle Veranstaltungen werden zukünftig im Multimediahaus Grunewaldstraße, Hauptsraße 8, stattfinden. Dort ist auch am 1. November 1996 um 18.00 Uhr die Einführungsveranstaltung für das 2. Semester. Danach werden die Seminare jeweils mittwochs und donnerstags zwischen 16.00 und 19.00 Uhr abgehalten. Auf diese Weise kann wenigstens für den Unterricht eine angemessene Multimedia-Ausstattung bereitgestellt werden. Studierende, die sich über das Seminarangebot des Virtual College informieren wollen, müssen zukünftig im World Wide Web (http://virtualc.prz.tu-ber-lin.de/ ) nachsehen, denn ein Vorlesungsverzeichnis in gedruckter Form wird es nicht mehr geben.

Carsten Westphal


© 7/'96 TU-Pressestelle