NACHGEFRAGT

Ausflug ins All für alle?

Auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB), die im März in Berlin stattfand, blieb fast kein Wunsch offen: Die Reiselustigen konnten aus Trips in alle vier Himmelsrichtungen wählen, ob nach Brandenburg, Bombay oder Burundi. Ein Reiseziel war allerdings nicht vertreten: der Weltraum.

Aber auch ein privater Ausflug ins All ist nicht mehr ausschließlich eine Reise ins Reich der Fantasie oder Spinnerei. Wenige Wochen nach der ITB trafen sich in Bremen Fachleute aus Technik, Wirtschaft und Tourismus zu einer durchaus ernstgemeinten Konferenz mit dem Titel "Space Tourism". Sie diskutierten über den Stand und die Möglichkeiten des Weltraumtourismus.

Mitglied des Programmkomitees ist der Berliner TU-Wissenschaftler Fabian Eilingsfeld. Er beschäftigt sich seit rund sieben Jahren mit den technischen Aspekten des Weltraum-Tourismus und schreibt derzeit seine Dissertation. René Schönfeldt sprach mit ihm über die Perspektiven des Fremdenverkehrs im luftleeren Raum.

"Ein Weltraumflug sollte maximal 50 000 Dollar kosten

Fabian Eillingsfeld

Was kann man sich eigentlich unter "Weltraum-Tourismus" heutzutage vorstellen: Eine Woche Pauschalurlaub auf dem Mond vielleicht?

Nein, wenn man heute von Weltraumtourismus spricht, meint man Tagesausflüge in den erdnahen Weltraum mit einem Fluggerät ähnlich dem Space-Shuttle oder mit einer Rakete. Die Flüge würden in ungefähr 250 Kilometer Höhe stattfinden und zwischen fünf und acht Erdumrundungen dauern, also maximal zwölf Stunden. Da können sich die Weltraumtouristen die Erde anschauen, in der Schwerelosigkeit schweben und - ganz wichtig - Erinnerungsvideos drehen.

Ist ein Wochenendurlaub mit Übernachtung auch denkbar?

Längere Aufenthalte kämen erst später in Frage. Für ein entsprechendes Orbital-Hotel existieren aber schon die Entwürfe.

Welche technischen Voraussetzungen müssen denn noch für touristische Weltraumflüge geschaffen werden?

Es ist eigentlich alles da. Man müßte nur ein wiederverwendbares Transportvehikel entwickeln, das preiswerter ist als ein Space Shuttle, das pro Start rund eine Milliarde DM kostet. McDonnellDouglas hat bereits an einem geeigneten Gerät namens Delta Clipper gearbeitet. In Japan gibt es Entwürfe für eine Rakete, die 50 Fluggäste befördern könnte.

Staatliche Raumfahrtagenturen wie NASA oder die europäische Raumfahrtorganisation ESA reagieren eher abwehrend auf solche Ideen. Wer käme denn als Reiseveranstalter in Frage?

Luftverkehrsgesellschaften beispielsweise. Auch die Lufthansa zeigt gelegentlich Interesse an solchen Projekten und unterstützte auch das Symposium in Bremen. Die Firma Advent Inc. aus Texas, die in Bremen dabei war, gibt an, sie hätte ein fertiges Konzept und könnte innerhalb von zwei Jahren Bodensegment und Rakete aufstellen. Allerdings brauchen Sie dafür noch einen Geldgeber. Es geht ja um Investitionen, die im Bereich von mehreren Hundert Millionen bis wenige Milliarden Dollar liegen. In den USA gibt es bereits Überlegungen, wie man entsprechendes Kapital etwa an der Börse zusammenbekommen könnte.

Wie schaut es mit den Menschen aus: Kann theoretisch jeder Mensch ohne Astronauten-Ausbildung einen Weltraum-Urlaub machen?

Ja, die meisten Menschen zwischen zehn und siebzig Jahren könnten das machen. Eine besondere Ausbildung braucht man nicht, lediglich eine medizinische Untersuchung.

Gibt es denn Risiken für die Gesundheit?

Normalerweise ist die Gesundheit kein Problem. Die Beschleunigungen beim Flug sind maximal 3g, also die dreifache Schwerkraft. Und das bereitet normalerweise keine Schwierigkeiten. Das Hauptproblem ist die Space-Sickness, die Raumkrankheit: Dem kann man aber durch vorbeugende Verabreichung eines Anti-Brechmittels abhelfen.

Stichwort Umwelt: Ist Weltraumtourismus ökologisch unbedenklich ?

Alle Vehikel, die derzeit im Entwurfsstadium sind, sollen mit Wasserstoff und Sauerstoff fliegen. Da kommt am Ende praktisch nur Wasserdampf heraus, abgesehen von ein paar Stickoxiden. Verglichen mit dem, was ein Space-Shuttle mit seinem Feststoffantrieb abgibt - Salzsäurenebel, Aluminiumoxide usw. - sind die geplanten Transporter für die Umwelt unbedenklich. Im Vergleich zum Weltluftverkehr und den dort verbrannten Treibstoffen fallen Wasserstoff-Sauerstoff-Raketen gar nicht ins Gewicht.

Wieviel wird denn ein solcher Weltraumausflug kosten?

Die Firma Society Expeditions, die 1985 schon mal eine Warteliste für Weltraumreisen aufgemacht hatte, sprach damals von 50 000 US-Dollar. Dieser Wert wird seitdem von allen angestrebt, die sich mit solchen Planungen beschäftigen.

Gibt es überhaupt genügend Menschen, die sich für solch kostspielige Ausflüge interessieren?

Man kann davon ausgehen, daß es in Europa mehrere Hunderttausend Menschen gibt, die ein 50 000-DollarTicket bezahlen würden. Insbesondere in Japan ist das Interesse groß. Die Japaner reisen gerne, sie haben eine hohe Wertschätzung für Dinge, die Spaß machen, und geben auch bereitwillig Geld dafür aus.

Und wann schätzen Sie, wird sich der erste Weltraumtourist für seinen Flug ins All einchecken?

Wenn alle Ankündigungen von Firmen und Interessierten auch umgesetzt werden, kann man davon ausgehen, daß es zwischen 2015 und 2020 - insbesondere in Japan - so weit ist.


Wartelisten für den Weltraum-Trip

Hotels in der Erdumlaufbahn können morgen schon Wirklichkeit sein: Pläne existieren bereits
Von privaten Ausflügen in den Weltraum träumen Menschen schon lange. Bereits 1954 nahm der Reiseveranstalter Thomas Cook erste Bestellungen für einen Trip zum Mond entgegen - wenn auch erst in Form einer Warteliste. 1967, zwei Jahre bevor tatsächlich der erste Mensch den Mond betrat, erschien der Film "2001 - Odyssee im Weltraum" und zeigte ein Hilton-Hotel in der Erdumlaufbahn. Im gleichen Film schwebte ein Raumtransporter der Fluggesellschaft Pan Am durch den Orbit und brachte Menschen von der Erde zu einer Raumstation.

Nach den 60er und 70er Jahren, in denen das All Modethema war, werden Weltraumreisen heute wieder zum Gesprächsthema. Die technologischen Voraussetzungen existieren, und auch der Bedarf scheint groß genug zu sein.

Mehrere Untersuchungen haben die Nachfrage sondiert, darunter auch eine Umfrage von Sven Abitzsch im Rahmen seiner Dissertation am Fachbereich Verkehrswesen und Angewandte Mechanik an der TU Berlin. Dabei kam heraus: 70 Prozent der Japaner haben ein grundsätzliches Interesse, einmal ins All zu fliegen, immer noch 60 Prozent in den USA und gut 40 in Europa. Bei einem Preis von 50000 Dollar für ein Ticket würde die Zahl ernsthafter Interessenten zwar deutlich geringer sein. Fachleute gehen aber davon aus, daß allein in Europa mehrere hunderttausend Menschen bereit wären, diesen Preis zu zahlen.

Daß der Traum vom privaten Weltraumtrip auch von Seiten der Wirtschaft ernster genommen wird als in der Vergangenheit, hat seine Gründe. Denn nach Ende des Kalten Krieges sind in der Luft- und Raumfahrtindustrie die Aufträge rar geworden. Neue Märkte sind gefragt, wie zum Beispiel Satellitentransporte oder der Weltraumtourismus.

Die staatlichen Raumfahrtbehörden wie NASA oder ESA reagieren eher abwartend. Private Firmen, die ins Raumfahrtgeschäft einsteigen, sind für sie Konkurrenten. Außerdem befürchten sie, daß die Weltraumtechnologie in Länder gelangt, die sie nicht nur zu touristischen, sondern auch zu militärischen Zwecken nutzen könnten.

rs


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