VERMISCHTES

Stempel statt Stellen

Der Stempel ist nicht mehr der jüngste. Seine beste Zeit hat er Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre gehabt. Da wurde er auf so manche Konstruktionszeichnung gedrückt, die Studierende zur Bewertung abgeben mußten. Deutlich sichtbar hinterließ der Stempel den Hinweis "Stichprobendurchsicht". Damit wußten die Studenten:

Aus Zeitmangel hatten die wenigen Lehrstuhlmitarbeiter nicht die gesamte Zeichnung durchsehen können, geschweige denn Verbesserungsvorschläge hinzugefügt.

"Damals hatten wir nicht genügend Betreuungspersonal", erinnert sich Professor Wolfgang Beitz vom Institut für Maschinenkonstruktion. Zu jener Zeit war er selbst studentische Hilfskraft und später Assistent gewesen und korrigierte die Zeichnungen. Häufig nutzten er und seine Kollegen den damals noch nicht abgenutzten Stempel, um vorsorglich darauf hinzuweisen, daß sie vielleicht den einen oder anderen kleinen Fehler übersehen hatten.

Über dreißig Jahre später kramen Beitz und seine Mitarbeiter den Stempel wieder hervor. Denn wegen des Stellenstopps an der TU Berlin ist eine ordentliche Betreuung der Studierenden bald unmöglich. "Im Sommersemester werden wir in unseren Konstruktionsübungen nicht mehr genügend Personal haben", sieht Beitz voraus, "und dann reichen die Kapazitäten nicht mehr aus, um die Aufgaben optimal zu korrigieren." Der Lerneffekt, den Korrekturen und Besprechungen bringen sollen, wird gegen Null gehen. Beitz: "Das wird dramatisch."

René Schönfeldt


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