TU intern - Dezember 1997 - Aktueles

Offener Brief

Sehr geehrte Studentinnen und Studenten,

die gegenwärtige Protestwelle Studierender hat Berlin erreicht, seit Mittwoch, den 27. November, auf eindrucksvolle Weise auch die TU Berlin. Diejenigen, die im Audimax waren, haben einen befristeten Boykott der Vorlesungsveranstaltungen beschlossen, um damit Entschlossenheit zu demonstrieren, mit der sie sich für die Beseitigung der entstandenen und geplanten Defizite in der Bildungspolitik einsetzen wollen. Diese Defizite betreffen das inzwischen dramatisch zu nennende Auseinanderklaffen von politischen Reden über den Wissensstandort Deutschland und den Budgetentscheidungen (nicht nur) gegen die Universitäten sowohl auf der Ebene des Bundes als auch - und zwar hier in Berlin besonders stark - auf der Ebene der Länder. Einige Zahlen für die TU Berlin belegen dies. W Allein in den Jahren 1993-1997 hat die TU Berlin rund 16% (rd. 90 Millionen DM) ihres Budgets dauerhaft kürzen müssen.

W Bis zum Jahre 2000 sinkt der Zuschuß des Landes Berlin noch einmal um 38 Mio DM ohne Tarifsteigerungen und andere Unwägbarkeiten, die die Uni voll tragen muß. Damit eingerechnet wären es 68 Millionen DM. W Der Vertrag, den die Universität mit dem Land Berlin geschlossen hat, stellt sicher, daß es nicht noch steiler abwärts geht, obwohl das Land Berlin noch nicht am Tiefpunkt seiner finanziellen Krise angekommen zu sein scheint.

W Aufgrund der Entwicklung des Landeszuschusses muß die TU von derzeit ca. 500 Fachgebieten auf ca. 320 reduzieren. Fachgebiet heißt immer Professorin oder Professor incl. wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Ausstattung. Die Anzahl der Studienplätze an der TU wird dadurch unter 18000 sinken. Die gegenwärtige Anzahl Studierender beträgt 32000.

Wir haben viel Sympathie für die Protestbewegung, weil wir selber die Konzeptionslosigkeit der staatlichen Hochschulpolitik beklagen und das Ausmaß an finanziellen Kürzungen für unverantwortlich groß halten. Dennoch blieb keine andere Wahl, als die Hochschulverträge mit dem Senat von Berlin zu unterschreiben, obwohl dies als Akzeptanz der dramatischen Kürzungen interpretiert werden konnte. Ohne die Verträge wäre - das gilt auch heute noch - die Gefahr zu groß gewesen, daß die TU Berlin für die Laufzeit der Verträge bis zum Jahr 2000 noch weitere Kürzungen hinnehmen muß.

Der Protest unterstützt die Universitäten bei ihren Bemühungen, zumindest weitere, sich bereits abzeichnende Kürzungen ihrer Budgets oder der für sie bestimmten Sonderprogramme zu verhindern. Gleichwohl müssen wir darauf hinweisen, daß sich der Protest nicht gegen die Universitäten selber richten darf, ob nun im Wege der Sachbeschädigung, der Aussperrung des Personals oder der nötigenden Behinderung von Lehrveranstaltungen. Diskreditieren Sie bitte nicht das gemeinsame Anliegen aller Universitätsmitglieder durch Teilnahme an oder Aufruf zu unbedachten, rechtswidrigen Aktionen. Das schadet auch der Solidarität unter den Studierenden und schwächt unsere Position.

Mit freundlichen Grüßen

Das Präsidium
Hans-Jürgen Ewers (Präsident), Günther Seliger, Christian Thomsen, Harald Kolrep (Vizepräsidenten), Ulrich Podewils (Kanzler)


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