STUDIERENDE"Lebenswertes Merkelheim"Wie Studierende die umweltgerechte Planung eines Neubaugebietes lernen - Das Planspiel im Studiengang Technischer Umweltschutz erweitert seine Themen
Daß die ersten Semester eines Studiums nicht nur bedeuten müssen, Vorlesungsstoff zu pauken, das zeigt seit 1989 das "Planspiel" im Studiengang Technischer Umweltschutz. Hier lernen die zukünftigen Ingenieure nicht nur Fakten, sondern bekommen in Rollenspielen auch mit, wie man Positionen präsentiert und verkauft. Tim Hermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Lehrveranstaltung, beschreibt das durchaus realistische Schauspiel. Die Mitglieder des "Arbeitskreises Lebenswertes Merkelheim" sind enttäuscht von der Leitung der städtischen Energiebetriebe, insbesondere von Frau Bauer, der Geschäftsführerin des Unternehmens. Hohe Investitionskosten und eine lange Amortisationszeit - mit diesen Argumenten versucht sie den Ausbau der themischen Solarenergienutzung in Merkelheim zu verhindern. In einer hitzigen Diskussion werfen Bürgerinnen und Bürgern ihr Verantwortungslosigkeit gegenüber kommenden Generationen vor. "Die Stadtwerke haben vor allem eine Verantwortung gegenüber ihren Kunden" kontert Frau Bauer. Was hier nach einem Beispiel aus der kommunalen Energiepolitik klingt, findet in Wahrheit in einer TU-Lehrveranstaltung statt. Genauer gesagt: in einer Spielsitzung des Planspiels "Einführung in den Technischen Umweltschutz". Die erregten Bürgerinnen und Bürger, die Chefin der Stadtwerke und auch die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen und der Landesregierung sind Studierende des Technischen Umweltschutzes. Für sie ist das Planspiel eine Einführung in ihren Studiengang. Welche Emissionen hat ein Blockheizkraftwerk im Vergleich zu einem konventionellen Kohlekraftwerk? Welche Umweltbelastungen entstehen bei der Herstellung von Sonnenkollektoren? Über diese und ähnliche Fragen diskutieren Frau Bauer und ihre Kontrahenten am Runden Tisch. Ziel des Gesprächs ist es, den Umweltschutz in die Planung und den Bau der fiktiven Neubausiedlung Merkelheim-Binsau zu integrieren. Das Programm, das der Runde Tisch zu bearbeiten hat, ist groß. Denn innerhalb eines Semesters müssen die Beteiligten zahlreiche Punkte diskutieren: die Energieversorgung und die Abwasserbehandlung, Maßnahmen zur Trinkwassereinsparung, die Abfallwirtschaft und der Umweltschutz in einem ansässigen Betrieb. Festgelegt ist diese Fülle an Fachthemen im Entwurf der neuen Studienordnung für den Technischen Umweltschutz. Darin ist das Planspiel als fachübergreifende Einführung in den Technischen Umweltschutz vorgesehen. Derzeit ist das Planspiel noch eine Lehrveranstaltung im Wahlpflichtbereich. Ziel des Planspiels ist es, neben Fachwissen auch überfachliche Qualifikationen zu fördern. Wer sich am Runden Tisch durchsetzen will, muß argumentieren und überzeugen können. Das erlernte Fachwissen muß im Interesse der Rolle angewendet werden. Hilfestellung dabei bieten Vorträge von "realen" Vertretern/innen der Interessengruppen. Hier können die Studierenden die Position eines Vertreters des Umweltbundesamtes zum Kunststoffrecycling mit denen einer Mitarbeiterin eines privaten Entsorgungsunternehmens vergleichen. Auf jede Planspielsitzung bereiten sich die Studierenden je nach ihrer Rolle vor. Sie sammeln Daten und Fakten, die die eigene Position untermauern und überlegen sich eine geeignete Argumentations- und Verhandlungsstrategie. Wie im richtigen Leben müssen sie Koalitionspartner und Verbündete suchen, um ihre Interessen durchzusetzen. Und letztlich läuft es oft auf Kompromisse hinaus. | |
Ein Staudammprojekt in China war eines der Themen auf dem Abschlußkongreß des Planspiels '96/'97. Auftritt in Anzug und Krawatte war für die schauspielenden Studierenden selbstverständlich. Sogar eine "Live-Schaltung" in die Volksrepublik stellten sie auf die Beine - mit Hilfe eines Pappmonitors | |
Der Abschluß des Wintersemesters stand ganz im Zeichen der
Wissenschaft: "Habitat II - der Deutsche Beitrag", "Biomüllvergärung"
oder "Dach- und Fassadenbegrünung" waren drei der
Themen, die die Studierenden bearbeiteten und in Referaten auf
dem "1. Dualewitzer Kongreß zur ökologischen Siedlungsentwicklung"
vorstellten. Auf dem anschließenden Empfang feierten sie
den Abschluß des ersten Planspiels "Einführung
in den Technischen Umweltschutz".
In der vorlesungsfreien Zeit ist eine Bewertung des Planspiel-Konzeptes vorgesehen. Gemeinsam mit den Fachgebieten des Technischen Umweltschutzes wollen die Veranstalter/innen das bestehende Konzept beurteilen und wenn nötig überarbeiten, um die Kinderkrankheiten des Projektes zu überwinden und den Studierenden einen sinnvollen und spannenden Einstieg in ihr Studium zu bieten. Tim Hermann Wie geht es weiter?Bereits seit 1989 werden im Studiengang Technischer Umweltschutz einmal pro Jahr Umweltplanspiele durchgeführt. Bis zum vergangenen Sommersemester hieß die Veranstaltung "Planspiel Abfallwirtschaft" und widmete sich hauptsächlich Themen rund um die Vermeidung, Verwertung und Behandlung von Abfällen. In seiner jüngsten Runde hat das Planspiel sein Themenspektrumerweitert und sich umbenannt. Es umfaßt mehrere Fachgebiete und heißt jetzt "Planspiel Einführung in den Technischen Umweltschutz". Im Wintersemester 96/97 wurde das Planspiel als Wahlpflichtveranstaltung angeboten. Wie es allerdings im nächsten Wintersemester weitergeht, steht derzeit noch nicht fest. In der neuen Prüfungsordnung für den Studiengang Technischer Umweltschutz ist es als Pflichtveranstaltung im Grundstudium vorgesehen; die Prüfungsordnung ist aber noch nicht durch die Gremien. Ein weiteres Problem: Die Stellen für die drei Planspiel-Tutoren und den wissenschaftlichen Mitarbeiter laufen im Sommersemester aus. Für eine Fortführung müßte der Fachbereich diese Stellen zum Oktober '97 neu besetzen. Ob dann das nötige Geld zur Verfügung steht, kann man heute noch nicht sagen. rs © 2/'97 TU-Pressestelle [ ] |