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Keine Knebelverträge!

Anhörung im Wissenschaftsausschuß: Universitäten lehnen Vertragsentwurf ab

Die Reihen in den Hörsälen werden sich weiter lichten, wenn die Finanzierung so heruntergeschraubt wird wie es der Berliner Senat im Haushaltsstrukturgesetz 1997 vorsieht. Mit den dort geplanten Mitteln sind in der Hauptstadt maximal 62000 Studienplätze zu halten, warnen die Hochschulen
Der Wissenschaftsausschuß des Abgeordnetenhauses hatte zum Gespräch eingeladen, und alle kamen: die Präsidenten und Rektoren der Berliner Hochschulen, die Vertreter der Wirtschaft, des akademischen Mittelbaus und der Studierenden. Am 10. Januar gab ihnen der Ausschuß die Gelegenheit, zu dem vom Berliner Senat vorgelegten Haushaltsstrukturgesetz 1997 und den geplanten Änderungen des Berliner Hochschulgesetzes Stellung zu nehmen. Dabei zeigte sich, daß der im Haushaltsstrukturgesetz vorgesehene Vertrag zwischen Politik und Hochschulen in der jetzigen Form kaum durchsetzbar ist.

Entscheidungen fällte der Wissenschaftsausschuß während des Treffens am 10. Januar allerdings nicht. Seine Empfehlungen zu den beiden Gesetzesentwürfen wird er erst auf seiner nächsten Sitzung am 20. Januar abgeben.

PLANUNGSSICHERHEIT?

Das Haushaltsstrukturgesetz 1997, das der Senat bereits im letzten Jahr als Entwurf vorgelegt hatte, sieht u. a. vor, daß die Wissenschaftsverwaltung mit den Hochschulen Rahmenverträge abschließen kann. In ihnen sollen die Landeszuschüsse für konsumtive Mittel der Hochschulen bis zum Jahr 2000 festgeschrieben werden. Mit diesen Verträgen soll den Hochschulen für die nächsten vier Jahre Planungssicherheit von seiten der Politik gegeben werden.

Eine im Gesetz vorgesehene Erprobungsklausel soll den Hochschulen zusätzliche organisatorische und finanzielle Spielräume eröffnen. Beispielsweise können sie zeitlich befristete Modelle der Leitung, Organisation und Finanzierung testen.

Darüber hinaus soll eine Landeskommission für die Struktur der Universitäten eingesetzt werden, die über die Veränderung oder Aufhebung von Fachbereichen, Instituten und Studiengängen beraten soll. Der Vorsitz dieser Kommission liegt beim Wissenschaftssenator. Seine Stimme soll auch bei Stimmengleichheit der Entscheidungen den Ausschlag geben. Die Landeskommission soll an die Stelle der im Haushaltsstrukturgesetz 1996 vorgesehenen gemeinsamen Finanzkommission treten, die der Berliner Senat nicht durchsetzen konnte.

LAUFZEIT IST ZU KURZ

Einig waren sich die Präsidenten und Rektoren sowie die Vertreter des DGB, der Berlin-Brandenburgischen Unternehmensverbände, des Mittelbaus und der Studierenden darin, daß der vom Wissenschaftssenator vorgelegte Vertragsentwuf unter den genannten Rahmenbedingungen für die Hochschulen wenig Sinn mache und abzulehnen sei. Die Laufzeit von vier Jahren sei zu kurz, und die Festschreibung der weiteren Kürzungsrate von 150 Millionen DM für die Hochschulen, sei nicht akzeptabel, da sie einfach nicht zu erbringen sei. Mit den in dem Vertrag festgeschriebenen Einsparungen für die Hochschulen seien keine 85000 Studienplätze zu finanzieren. Dies sei eine Illusion und reines Wunschdenken.

62000 STUDIENPLÄTZE FINANZIERBAR

Tatsächlich finanzierbar seien aufgrund der bereits beschlossenen Sparraten für die Hochschulen gerade noch 62000 Studienplätze in Berlin. Ungefähr 46000 davon würden auf die drei Universitäten entfallen.

Bei steigender Studienplatznachfrage nehmen die finanzierten Studienplätze dramatisch ab, was zu einer Verschlechterung der Studienbedingungen und der Qualität in Lehre und Forschung führen wird.

Weitere Haushaltsrisiken für die Hochschulen lägen darin, daß auch der Vertrag die Ausfinanzierung der Personalhaushalte der Hochschulen nicht berücksichtigt. Außerdem seien durch in dem Vertrag formulierte Haushalts- und Vorbehaltsklauseln weitere Kürzungen, etwa durch Haushaltssperren, von vornherein angelegt. Von Planungssicherheit für die Hochschulen könne mit diesem Vertrag keine Rede sein.

KEINERLEI GESTALTUNGSSPIELRÄUME

Ergebnis der den Hochschulen aufgedrückten Sparbeiträge sei, daß die Hochschulen keinerlei Gestaltungsspielräume mehr hätten und es zum Verschwinden des akademischen Mittelbaus an den Hochschulen kommen werde. Der 1996 verfügte Stellenstopp müsse 1997 fortgeführt werden. Dies bedeutet, daß mittlerweile für 40 Prozent eines Absolventenjahrgangs keinerlei Aussichten auf die Position eines wissenschaftlichen Mitarbeiters vorhanden seien, ganz zu schweigen von den Folgen für Lehre und Forschung durch den Mangel an wissenschaftlichem Nachwuchs. Diese Entwicklung stehe im krassen Widerspruch zu den von den Politikern propagierten Zielen, den Wissenschaftsstandort Berlin zu unterstützen und zu fördern sowie die Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit der Berliner Hochschulen zu erhalten. Die Hochschulpolitik der Stadt ruiniere den Wissenschaftsstandort Berlin, so die einhellige Meinung der Gäste im Wissenschaftsausschuß.

Wenn die Politik an einem Vertrag zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit der Hochschulen interessiert sei, dann müsse zwischen den Hochschulen und den Politikern über die Inhalte eines solchen Vertrages verhandelt werden. Die Hochschulen seien für den Abschluß eines Vertrages nach wie vor offen, allerdings müsse die Laufzeit länger sein, da durch den hohen Anteil an Personal an den Hochschulen kurzfristig nichts einzusparen ist. In der vorliegenden Form ist der Vertrag eine Knebelung der Hochschulen, die nicht zu akzeptieren ist.

UNEINIG ÜBER ERPROBUNGSKLAUSEL

Weniger Einigkeit herrschte in der Einschätzung der in dem Haushaltsstrukturgesetz 1997 vorgesehenen Erprobungsklausel. Von den Präsidenten und Rektoren und den Vertretern der Wirtschaft wird die Klausel begrüßt, weil damit Strukturveränderungen möglich sind. Vom wissenschaftlichen Mittelbau und den Studierenden wird sie aber abgelehnt, weil damit der Abbau demokratischer Entscheidungsstrukturen verbunden sei.

Die Landeskommission als neues Beratungsgremium wird abgelehnt bzw. skeptisch gesehen, da bereits existierende Gremien diese Rolle wahrnehmen.

KEINE ÜBERHANGLISTE

Eine gemeinsame "Personalmanage-mentliste" (ein anderer Begriff für "Überhangliste", Anm. der Red.) der Berliner Hochschulen wird von den Präsidenten und Rektoren abgelehnt, weil damit jedes Bemühen einer Berliner Hochschule, eigenverantwortlich ihren Personalbereich zu ordnen, unterlaufen wird. Das Prinzip der Kosten- und Leistungsrechnung für die Hochschulen wird positiv eingeschätzt, allerdings ist noch offen, wie das umzusetzen ist, da es für die Hochschulen hierfür noch keine Vorbilder gibt. Die Forderung nach ihrer Einführung innerhalb einer Jahresfrist zeuge auf seiten der Politik von wenig Kenntnis der Machbarkeit.

Fazit der Anhörungen ist, daß die von der Wissenschaftsverwaltung geplanten Rahmenverträge in der vorliegenden Form nicht akzeptiert werden. Erst wenn die aufgeworfenen Fragen beantwortet sind, könnte über den Abschluß von Verträgen oder eines Vertrages entschieden werden. Wobei aber festzuhalten ist, daß die Hochschulen nur einen gemeinsamen Vertrag zwischen den Berliner Hochschulen und dem Senat im Auge haben.

Kristina Zerges

Auf die Änderungen, die der Berliner Senat für das Hochschulgesetzes plant, gehen wir in der nächsten Ausgabe von TU intern im Februar ein.


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