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GREMIENWAHLEN
Die TU Berlin am Scheideweg
Die Unabhängigen Hochschullehrer
Am 15. Januar 1997 wird das Konzil der TU Berlin im ersten Wahlgang
über den zukünftigen Präsidenten abstimmen. Am
22. und 23. Januar 1997 werden in der Technischen Universität
die meisten Gremien der akademischen Selbstverwaltung, insbesondere
der Akademische Senat (AS), das Kuratorium und das Konzil neu
gewählt. Damit erfolgen, in einer unglücklichen Reihenfolge,
entscheidende Weichenstellungen für die Zukunft der Universität.
Die TU Berlin befindet sich am Scheideweg. Bereits vor den anstehenden
Gremienwahlen wird das Konzil darüber entscheiden, ob es
mit Prof. Hans-Jürgen Ewers für die TU einen Präsidenten
wählt, der das Profil der Universität sichert, oder
ob es mit Prof. Ulrich Steinmüller einen Präsidenten
kürt, der sich aus wahltaktischen Gründen - aber vielleicht
auch aus Überzeugung - nicht von der mehrheitlichen Empfehlung
des AS distanzieren will, eine Einstellung der Elektrotechnik
zu erwägen.
In der letzten Amtsperiode der Gremien hatte die linke "Reformfraktion"
eine knappe Mehrheit im Akademischen Senat. Damit versuchte sie,
weitgehend die Hochschulpolitik zu bestimmen und die Handlungsspielräume
des Präsidenten einzuengen. Sie muß sich heute nach
der Bilanz ihres Handelns fragen lassen. - Das Fazit ist ein Scherbenhaufen.
Entscheidungen des Akademischen Senates haben in den vergangenen
zwei Jahren dazu beigetragen, den Ruf der TU weit über die
Grenzen von Berlin hinaus nachhaltig zu beschädigen:
- Der von der Linken Fraktion eingebrachte (und auch von Professorenstimmen
der Liberalen Mitte unterstützte) Prüfauftrag an die
EPK, den Studiengang Elektrotechnik einzustellen und die Chemie
der TU mit der der Humboldt-Universität zu Berlin zu fusionieren,
hat breites Unverständnis und Empörung in der Öffentlichkeit
ausgelöst.
- Ebenso unverständlich ist für die Öffentlichkeit,
daß - wie von der Linken Fraktion gebetsmühlenartig
wiederholt - bei Ingenieur- und Naturwissenschaftlern die Verantwortung
für die gesellschaftlichen Auswirkungen ihres Handelns unterentwickelt
seien und nur Erziehungswissenschaften und Lehrerbildung dies
bei ihnen heilen könnten. Außerhalb der Universität
versteht keiner, daß für Erziehungswissenschaften und
Lehrerbildung lieber Fachgebiete und Ausstattung von Ingenieur-,
Natur- und Wirtschaftswissenschaften geopfert werden sollen.
- Die Linke Fraktion und die von ihr getragene Kommission für
Lehre und Studium (LSK) haben in den vergangenen Jahren versucht,
neue, erfolgreiche Studiengänge wie "Technische Informatik"
und "Informationstechnik im Maschinenwesen" einzustellen
und die Einrichtung der "Wirtschaftsinformatik" zu verhindern.
Sie haben damit dem öffentlichen Ansehen der Technischen
Universität ebenso in extremem Maße geschadet wie durch
die ständigen Versuche, aus weltanschaulichen Gründen
ingenieurwissenschaftliche Studiengänge inhaltlich bis zur
Unkenntlichkeit zu deformieren.
Der Ruf einer leistungkräftigen Technischen Universität
Berlin hat in der Öffentlichkeit schweren Schaden erlitten.
In der politischen Auseinandersetzung um die drastisch gekappten
Universitätsmittel des Landes droht unsere TU in die Mühlsteine
zwischen FU und HU zu geraten. Diese für die TU existenzgefährdende
Entwicklung muß aufgehalten werden.
Die Fraktion der Unabhängigen Hochschullehrer mußte
sich in den vergangenen Jahren im Akademischen Senat mit der Rolle
der Minderheit begnügen. Wir haben sachbezogen, eindringlich
und mit Ausdauer gegen die öffentliche Demontage unserer
Hochschule argumentiert; wir haben konstruktive, alternative Vorschläge
unterbreitet, mit denen wir wegen der bekannten hochschulpolitischen
Mehrheiten meistens unterlegen sind. Wir haben dennoch den Mut
nicht sinken lassen und für leistungsfähige und angemessen
ausgestattete Ingenieur-, Natur-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften
gekämpft, ohne die die TU Berlin nicht denkbar ist.
Die TU hat, vor allem nach den Haushaltsklausurbeschlüssen
des Senats von Berlin im Oktober 1996, keine finanziellen Spielräume
mehr. Sie ist in ihrer Existenz in Frage gestellt. Der Politik
muß jetzt ein überzeugendes, glaubwürdiges Konzept
für unsere Hochschule vorgelegt werden, aus dem die Wichtigkeit
der Technischen Universität für Berlin und die Region
erkennbar wird. Die Öffentlichkeit muß mit inhaltlichen
Argumenten sowohl vom Nutzen einer intakten TU als auch vom Schaden
überzeugt werden, der durch die jüngsten Sparauflagen
entstehen wird. Wir haben ein Steuerungskonzept für eine
gute, moderne und leistungsfähige TU, mit dem wir auch die
Politik überzeugen werden:
- Die TU Berlin muß Schwerpunkte in Lehre und Forschung
setzen, die ihr das Profil verleihen, das wirklich von einer technischen
Universität erwartet wird. Unsere Absolventen müssen
im Wettbewerb mit denen anderer Universitäten gute Erfolgschancen
besitzen. Das Ansehen der TU als erfolgreiche, international konkurrenzfähige
Forschungsstätte ist zu sichern. Wir müssen uns von
der Illusion verabschieden, überall und bei allem ein bißchen
mitmachen zu können.
- Unsere Schwerpunkte müssen sich besonders auf Fragen
konzentrieren, die aus der Technik und den Ingenieurwissenschaften
kommen, und somit von unmittelbarer Bedeutung für wirtschaftliches
und gesellschaftliches Wohlergehen sind. Wenn die Naturwissenschaften,
die Wirtschaftswissenschaften und die Geistes- und Sozialwissenschaften
unserer Universität sich in ihrer Schwerpunktbildung entsprechend
orientieren, werden sie sich klar von dem Angebot der anderen
drei Universitäten unterscheiden und damit ein unverwechselbares
und unersetzliches Profil gewinnen. Es ist absurd, wenn die einzige
Technische Universität der Region versucht, auf Feldern,
die andere längst besetzt halten, konkurrieren zu wollen.
Das heißt, knappe Ressourcen zu verschleudern. Deshalb müssen
wir die TU dort stärken, wo ihr Angebot in Berlin wichtig
und einmalig ist; wir müssen sie dort reduzieren, wo sie
Doppelungen anbietet, die andernorts in der Region vorhanden sind.
- Die Konkurrenzfähigkeit unserer Absolventen ist nur durch
die Qualität und den guten Ruf der Ausbildung garantiert.
Wegen der dynamischen Entwicklung in den Ingenieur-, Natur- und
Wirtschaftswissenschaften ist Studienreform als Akt der Aktualisierung
unseres Studienangebotes eine kontinuierliche Aufgabe. Das bedeutet
allerdings eine stetige, sachverständige Modernisierung der
Studieninhalte, nicht eine "Reform", die sich auf bloßes
Herumexperimentieren mit den äußeren Formen der Lehre
und das schlichte Herunterfahren von Leistungsanforderungen auf
breiter Linie beschränkt - was de facto alles ist, das die
LSK in den vergangenen Jahren den Fachbereichen aufnötigen
wollte.
- Der Wirtschaftsraum Berlin braucht eine leistungsstarke Technische
Universität - und die Technische Universität braucht
den Wirtschaftsraum Berlin. Eine Stärkung der wechselseitigen
regionalen ebenso wie überregionalen Beziehungen zwischen
TU und Wirtschaft darf - nicht zuletzt im Interesse unserer Studierenden
- nicht nur unwillig geduldet sondern muß als zentrale Aufgabe
gefördert werden.
Die Unabhängigen Hochschullehrer hätten es vorgezogen,
wenn diese Gremienwahlen vor die anstehenden Präsidentenwahlen
gezogen worden wären. Denn unser Programm für eine moderne
TU, die das Attribut "technisch" noch zu Recht trägt,
personifiziert sich auch in unseren Vorschlägen für
die Ämter des Präsidenten und des Ersten Vizepräsidenten.
So wie die TU sicher sein kann, daß sie sich mit den Kollegen
Ewers und Seliger auf den richtigen Weg begibt, so kann sie darauf
setzen, daß sie mit einer von uns in den Gremien getragenen
Mehrheit auf dem richtigen Weg in eine bessere Zukunft geht.
Wir bitten alle Wahlberechtigten an der TU um ihre Wahlbeteiligung,
damit der verhängnisvollen Hochschulpolitik der bisher mehrheitsbildenden
Reformfraktion in den Gremien eine eindeutige Absage erteilt wird.
Wir bitten Sie um Ihr Vertrauen und Ihre Stimme für die Vertreterinnen
und Vertreter auf den Listen der "Unabhängigen".
Die Technische Universität Berlin wird nur erfolgreich die
Schwelle zum nächsten Jahrhundert überschreiten, wenn
sie von einem guten Präsidium und Akademischen Gremien gelenkt
wird, die verantwortungsvoll und sachverständig handeln.
Für die Liste der Unabhängigen Hochschullehrer: Prof.
Dr. Kurt Kutzler, Fachbereich 3 Mathematik und Prof. Dr. Peter
Pepper, Fachbereich 13 Informatik
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© 1/'97 TU-Pressestelle
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