MEDIEN

Komprimierte Kinofilme

Berliner Forscher drücken Audio- und Videodaten zusammen

Wenn von Multimedia, digitalem Fernsehen und digitalem Rundfunk die Rede ist, geht es immer um sehr große Datenmengen. Wer gerne E-Mails schreibt, schickt winzigkleine Datenpakete über die weltweiten Datennetze - verglichen mit dem was, ein Farbbild, eine Tonaufnahme oder gar ein digitalisierter Fernsehfilm benötigt. Große Datenmengen werden deshalb komprimiert, bevor sie übertragen werden. So sind sie kleiner, schneller und billiger. Die dafür notwendigen Kompressionstechniken werden weltweit entwickelt. Auch in Berlin an der Technischen Universität.

Die Datenmengen, die in Zukunft über die Netze verschickt werden, haben enorme Ausmaße. Während eine kleine E-Mail gerade mal einige Kilobyte groß ist, nehmen schon kleine Farbbilder, wie man sie vom World Wide Web kennt, ohne Kompression leicht über das Hundertfache ein. Enorm werden die Informationsmengen, die bei der Übertragung von Internet-Videokonferenzen oder Filmen anfallen. Ein abendfüllender Fernsehfilm bringt es in digitalisierter Form leicht auf 250 Gigabyte.

Nicht nur immer größere und schnellere Datenautobahnen sind die Lösung. Digitale Kompressionverfahren für Audio und Video erlauben heutzutage ein sehr wirkungsvolles "Zusammendrücken" dieser Datenmassen. Ein Videofilm kann mit Hilfe von Algorithmen der digitalen Signalverarbeitung auf bis zu ein Hundertstel seines ursprünglichen Datenvolumens zusammengepreßt werden.

Zwei Begriffe machen in diesem Zusammenhang von sich reden: MPEG und JPEG. Sie bezeichnen zwei Arbeitsgruppen der International Standards Organisation (ISO), in denen Experten aus aller Welt gemeinsam neue Normen für die Datenkompression erarbeiten und festlegen. Die Arbeiten der Moving Picture Experts Group (MPEG) und der Joint Photographic Experts Group (JPEG, bis 1991 aktiv) sind sowohl für zukünftige Multimediaanwendungen im Internet als auch für das zukünftige digitale Fernsehen von entscheidender Bedeutung.

Die von den Arbeitsgruppen entwickelten Normen dienen Entwicklern und Unternehmen in aller Welt als Leitlinie, wenn sie Software und Geräte für die Komprimierung und Übertragung von Sprach-, Bild- und anderen Daten entwickeln. Der MPEG-2-Standard zum Beispiel ist weltweit als zukünftiger Fernsehstandard akzeptiert - und löst beim Übergang vom analogen zum digitalen Fernsehen in den nächsten Jahren den PAL- bzw den NTSC-Fernsehstandard ab.

Für ihre richtungsweisenden Arbeiten für Multimedia, das digitale Fernsehen und den digitalen Film wurden beide Gruppen Ende 1996 mit dem begehrten "Emmy Award" der amerikanischen National Academy of Television Arts and Science ausgezeichnet, sozusagen dem "Oskar" für Technologie und Innovation in der Fernsehbranche.

Was weniger bekannt ist: Berliner Forschungseinrichtungen und Forscher waren und sind an der Entwicklung dieser Technologien beteiligt. Ein Großteil der Audio-Algorithmen für MPEG-1 und MPEG-2 wurde unter der Leitung von Peter Noll, Elektrotechnik-Professor an der TU Berlin, entwickelt. Noll, der bereits in den siebziger Jahren durch seine Arbeiten am Heinrich-Hertz-Institut Berlin und bei den AT&T Bell Labs in den USA die digitale Audioübertragung vorantrieb, wurde 1991 zum Leiter der MPEG-Audio-Gruppe berufen und war dort bis 1995 als "Architekt" für die Entwicklung dieser Technologien mitentscheidend.

Noll hatte bereits in den 70er Jahren den Basis-Algorithmus für die Codierung von Audio-Signalen vorgeschlagen. Damit können Tonsignale um den Faktor zehn komprimiert werden, ohne daß es zu hörbaren Qualitätseinbußen kommt. Wegen seiner Komplexität wurde das Verfahren zunächst nicht eingesetzt. Heute ist es jedoch in zahlreichen Anwendungen zu finden. Zum Beispiel nutzen alle Audiocodierungen nach MPEG den Basis-Algorithmus. Digitale DOLBY-Verfahren in modernen Kinos bauen darauf auf, und in den Geräten für Sony MiniDiscs ist der Algorithmus in Form eines eigenen Chipbausteins vertreten.

Auch im Bereich Video wird in Berlin geforscht. Seit Anfang der achtziger Jahre wird an mehreren Berliner Universitäten und Forschungseinrichtungen an Verfahren zur digitalen Video-Datenkompression gearbeitet. So auch am Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik (HHI), wo sich eine Forschergruppe mit der Videoübertragung beim digitalen Fernsehen und in mobilen Multimediaanwendungen befaßt. Dr. Thomas Sikora, der in der HHI-Gruppe arbeitet, ist zudem seit 1995 als Leiter der MPEG-Video-Gruppe für die Entwicklung und Standardisierung der MPEG-Videoalgorithmen verantwortlich.

rs


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