HOCHSCHULPOLITIK

Wieviel Biologie und Ökologie braucht die TU?

Zur Zukunft des Instituts für Biologie und Ökologie an der TU Berlin

Die Kommission des Wissenschaftsrates evaluierte vor kurzem die Naturwissenschaften der Berliner Universitäten. Ihre Empfehlungen zur Zukunft der Naturwissenschaften legte sie nun den Hochschulen vor. Eine erste Reaktion auf diese Empfehlungen kommt von Joachim Erber, Professor für Zoologie - Physiologie und derzeit geschäftsführender Direktor des Instituts für Ökologie und Biologie. Würde die TU Berlin den Empfehlungen des Wissenschaftsrats folgen, so Erber, versänke sein Institut in der Bedeutungslosigkeit:

Die Kommission des Wissenschaftsrats empfiehlt, den Lehramtstudiengang Biologie baldmöglichst einzustellen. Als wesentliche Gründe dafür nennt die Kommission die "sukzessive Reduzierung des wissenschaftlichen Personals" und das schmale Fächerspektrum, "welches zu einer Beschränkung auf wenige Schwerpunkte führt". Zwei Fachgebiete der Biologie sollen an die Humboldt-Universität verlagert werden, ein Fachgebiet soll für den Aufbaustudiengang "Public Health" an der TU Berlin bleiben.

Wenn die TU dieser Empfehlung folgt, wird der erfolgreichste Lehramtstudiengang der TU aufgelöst. Alle Leistungsindikatoren zeigen, daß das Kosten-Nutzen Verhältnis in der Biologie an der TU besonders gut ist. Die mediane Studiendauer im Grundstudium liegt zwischen vier und fünf Semestern. Zahlreiche Studierende von FU und HU wechseln wegen des guten Biologiestudiums an die Technische Universität. Bei den Abschlußprüfungen für das Lehramt waren die Studierenden der TU in ihrem Prüfungserfolg nicht schlechter als die Kommilitonen von den beiden anderen Universitäten.

GUTE KOSTEN-NUTZEN-RELATION

In der Forschung sind die Biologen trotz minimaler personeller und sächlicher Ausstattung erfolgreich. Das hoben auch die Gutachter des Wissenschaftsrats hervor. Neben der "normalen" Drittmitteleinwerbung sind Arbeitsgruppen an einem Graduiertenkolleg ("Signalketten in lebenden Systemen") und einem Sonderforschungsbereich (Sfb 515: "Mechanismen entwicklungs- und erfahrungsabhängiger Plastizität des Nervensystems") beteiligt. Eine Arbeitsgruppe koordiniert ein EU-weites genetisches Forschungsprojekt. Auch in der Forschung ist die Kosten-Nutzen-Relation für die Biologie sehr gut.

Die einschneidenden Kürzungen der letzten Jahre im Personalbereich der TU haben die Biologie besonders hart getroffen. Dadurch ist die Konkurrenzfähigkeit in der Forschung verlorengegangen, ein Projekt des Sonderforschungsbereich 515 ist gefährdet. Von ehemals elf Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter sind ab diesem Sommer nur noch vier besetzt. Von den insgesamt sechs nach dem Hochschulentwicklungsplan III (HEP III) vorgesehenen Professuren, die in dem Studiengang Lehre erbringen sollen, sind drei nicht besetzt. Zwei dieser Professuren sind in der Ökologie als "Eckprofessuren" auch für den Studiengang Landschaftsplanung von zentraler Bedeutung.

Die negative Entwicklung, die zuerst die Biologie betraf, wird sich in der Ökologie fortsetzen. Dort sind drei von insgesamt sieben nach HEP III vorgesehenen Professuren nicht besetzt ist. Damit ist die Ökologie gefährdet, die 1973 in Form des ersten Instituts für Ökologie an einer deutschen Hochschule gegründet wurde und über viele Jahre in Deutschland richtungsweisend war.

EIN SPITZENINSTITUT

Die Gründungsväter des Instituts, Prof. Dr. Herbert Sukopp und Prof. Dr. Reinhard Bornkamm, haben die Entwicklung der Ökologie in Deutschland mitgeprägt. Wesentliche Anstöße für die Entwicklung der Ökosystemforschung gingen von hier aus. Die Ökologie gehört gemäß der TU-Rangliste bei den Forschungsleistungen zu den Spitzeninstituten. Ein wesentlicher Grund für diesen Erfolg liegt darin, daß ökologische Grundlagenforschung für ganz unterschiedliche Disziplinen wie die Landschaftsplanung oder den technischen Umweltschutz durch die Arbeit der TU-Ökologen anwendbar wurde.

Gegenwärtig sind die C4-Professuren, die die Nachfolge von Professor Sukopp und Professor Bornkamm sichern sollen, nicht besetzt; die Listen liegen beim Senator für Wissenschaft und Kultur. Gleiches gilt für eine C3-Professur in der Standortkunde.

Im Grunde sind einige einfache Grundsatzentscheidungen zu treffen. Wenn die TU Berlin sich nicht in der Lage sieht, den Studiengang Lehramt Biologie angemessen auszustatten, dann muß sie ihn einstellen. Diese Maßnahme macht zwar keinen ökonomischen Sinn, aber wenn man langfristig kein Geld mehr hat, ist die Schließung eines Studiengangs immer noch besser als der schleichende Konkurs.

Andererseits muß die TU, wenn sie sich ihre führende Rolle in der Ökologie nicht nehmen lassen will, mit Nachdruck die Besetzung der offenen Professuren fordern. Mit reinem Abwarten und Hoffen auf die Weisheit des Wissenschaftssenators treibt man die Ökologie in die Bedeutungslosigkeit. Wenn die TU Berlin jetzt keine Entscheidungen zugunsten der Ökologie trifft, wird ein "center of excellence" zugrunde gehen, bevor die TU es überhaupt verstanden hat, diesen Begriff mit Leben zu erfüllen.

Joachim Erber


© 7-9/'97 TU-Pressestelle [ ]