HOCHSCHULPOLITIK

"Auf dem Wege zur Exzellenz"

Zwei Strukturpläne für die zukünftige TU Berlin sind in der Diskussion

Gleich zwei Strukturpläne liegen dem Akademischen Senat der TU Berlin zur Diskussion am 9. Juli vor. Das eine Papier legt der Präsident der TU Berlin, Prof. Dr. Hans-Jürgen Ewers, zum 100. Tag seiner Amtszeit vor. Es trägt den Titel: "Auf dem Wege zur Exzellenz: Strukturelle Veränderungen in der Technischen Universität Berlin 1997/98". Mit dem anderen Strukturpapier gingen Vertreter und Vertreterinnen der Reformfraktion bereits eine AS-Sitzung früher in die Vorhand.

Welchen Weg wird die TU Berlin in Zukunft beschreiten? Die unterschiedlichen Auffassungen darüber zeigen sich in den zwei Papieren, die TU-Präsident Ewers und die Reformfraktion vorlegten

Ziel der Reformanstrengungen des TU-Präsidenten Ewers ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der TU Berlin auszubauen, ihr Profil gegenüber den anderen Technischen Universitäten zu schärfen und ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Überwunden werden soll auch die individuelle Entfremdung von der Universität und ihren Zielen.

Die Diskussion über die Reformmaßnahmen soll bis zum Frühjahr 1998 abgeschlossen sein, denn dann müssen die notwendigen strukturellen Veränderungen beschlossen werden. Diesen Zeitrahmen hat der politische Senat von Berlin mit Abschluß der Verträge zwischen den Hochschulen und dem Land Berlin vorgegeben. Ist die TU Berlin bis dahin nicht in der Lage, aus eigener Kraft Reformen durchzusetzen, so sind mögliche Überbrückungsfinanzierungen für die TU Berlin in Gefahr und ihr wird auch die Arbeit von einer anderen Kommission, der sogenannten Landeskommission, aus der Hand genommen.

Beide Papiere können nachfolgend aufgrund ihres Umfangs nicht im Detail, sondern nur in ihren wesentlichen Zügen vorgestellt werden. (Das Papier der Reformfraktion wird ebenfalls in dieser TU intern vorgestellt: "Profilbildung in Lehre und Forschung".) Wer Interesse hat, die Papiere in voller Länge zu lesen, kann sie über die Pressestelle anfordern (314-2 39 22).

VORTRAG FÜR DIE FORSCHUNG

Bezogen auf das Verhältnis von Forschung und Lehre fordert der Präsident eine Priorität der Forschung. Die Lehre soll unter dem Gesichtspunkt der Einheit von Forschung und Lehre als komplementär zur Forschung gesehen werden. Damit soll erreicht werden, daß eine ausgezeichnete, aus der Forschung erwachsende und mit der Forschung verbundene Lehre geliefert wird. Der hohe Qualitätsanspruch an die Lehre soll durch regelmäßig durchgeführte Evaluationen der Lehre in allen Studiengängen garantiert werden.

Hervorgehoben wird, daß die Universitäten einen anderen Ausbildungsauftrag haben als die Fachhochschulen. Die Universität lebe von den "initiativeren, kreativeren und höher begabten Studierenden". Sie sollen in der Einheit von Forschung und Lehre ausgebildet werden. Die Ausbildung soll auch so gestaltet sein, daß sie motivierend wirkt, sich später selbständig zu machen. Um die Mobilität der Studierenden zu fördern, soll die Internationalisierung der Studienabschlüsse vorangetrieben werden. Ob die TU Berlin dabei die angelsächsischen Bachelor- und Masterabschlüsse einführt, sei zu prüfen.

STUDIUM GENERALE WIEDERBELEBEN

Um die so häufig geforderte Kritikfähigkeit von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren in Hinblick auf die gesellschaftlichen Folgen ihres eigenen Tuns zu stärken und um der Forderung der Wirtschaft nach umfassender Ausbildung des Führungsnachwuchses Rechnung zu tragen, soll dem Studium Generale ein neuer Stellenwert zugewiesen werden, indem es - in zeitgemäßer Form - wiederbelebt wird. Die Studien- und Prüfungsordnungen für die Naturwissenschaften und die Ingenieurwissenschaften sollen einen Anteil von mindestens 20% der Lehrveranstaltungskontingente für geistes-, wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Lehrinhalte vorsehen. Es soll auch in jedem Fall sichergestellt werden, daß das Gewählte auch wirklich geprüft wird.

Bei den Serviceleistungen der Studiengänge untereinander soll es zu einer Umkehrung der Verantwortlichkeiten zwischen servicegebenden und servicenehmenden Lehreinheiten kommen. Art und Umfang des Service wird nicht mehr vom Servicefach festgelegt. Künftig soll im Rahmen der Budgetierung die für Serviceleistungen zur Verfügung stehenden Finanzbudgets den servicenehmenden Fachbereichen (Studiengängen) zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Weise soll der Einfluß der Servicenehmer auf Qualität, Menge und Kosten von Serviceleistungen größer werden.

NUR NOCH 8 STATT 15 FACHBEREICHE

Weiterhin sollen Entscheidungsprozesse beschleunigt und die Gremienarbeit konzentriert werden. Details werden in dem Ewers-Papier noch nicht genannt. Die Weiterentwicklung der Verwaltungsreform soll durch neue Aufgaben der Fachbereiche ergänzt werden. Ihnen sollen im Rahmen der Budgetierung mehr Entscheidungskompetenzen und Durchführungsaufgaben übertragen werden. Von dieser Vorstellung geht auch der Vorschlag zur Verkleinerung der Zahl der Fachbereiche aus. Aus den derzeit 15 Fachbereichen sollen acht Fachbereiche entstehen. Eine Grundüberlegung hierbei ist, daß die Fachbereiche sich weitgehend aus verwandten Wissenschaftsdisziplinen zusammensetzen sollen. Auch sollen die Fachbereiche groß genug sein, um Unteilbarkeiten bei der Verwaltungsausstattung Rechnung zu tragen. Der Fachbereich 1 (Kommunikations- und Geschichtswissenschaften) bleibt erhalten, wogegen die Lehrerbildung, bis auf die Studienratsausbildung mit den zugehörigen Fachdidaktiken, eingestellt werden soll.

Die personelle Ausstattung der Fachbereiche muß sich an dem zur Verfügung stehenden Finanzrahmen für die TU Berlin orientieren. Nach den Sparauflagen der Berliner Politiker für die TU Berlin werden von den derzeit 540 Hochschullehrerstellen bis zum Jahr 2003 nur noch 320 finanzierbar sein. In dem Strukturpapier des Präsidenten werden sie auf die einzelnen Fachbereiche verteilt, wobei eine Reserve für die Ausstattung der Forschungsschwerpunkte gebildet wird. Dieses Verfahren soll für die Fachbereiche ein Anreiz sein, Forschungsschwerpunkte zu bilden.

Bei der Frage, ob Studiengänge oder Schwerpunkte weitergeführt werden sollen oder nicht, soll die Frage des Technikbezuges eine wesentliche Rolle spielen. Wichtig ist weiterhin der Disziplinbezug: Jede Disziplin bzw. Teildisziplin soll nach den Vorstellungen des Präsidenten in der Lage sein, ihren eigenen Nachwuchs in entsprechenden Studiengängen zu erzeugen. Nur so sei sichergestellt, daß die TU Berlin auch auf Dauer die besten Fachvertreter und Studierenden anziehen kann und die verschiedenen Disziplinen jene innere Stärke und Tiefe haben, ohne die ein erfolgreiches interdisziplinäres Engagement nicht möglich ist. Für die technischen Fächer bedeute das, daß Studiengänge, die auch auf Dauer nicht genügend Nachfrage finden, eingestellt werden. Nichttechnische Fächer werden - abgesehen von dem Kriterium des Technikbezuges - dann an der TU Berlin eingestellt, wenn die Nachfrage nach Angeboten in diesen Fächern aus den Studiengängen und Forschungsschwerpunkten an der TU Berlin zu gering ist, um einen eigenen Studiengang mit geringen Mehrkosten über die durch den Service erzeugte Finanzbasis hinaus betreiben zu können. In diesen Fällen müsse dann auf interuniversitären Service zurückgegriffen werden.

SYSTEM VON LEISTUNGSVERTRÄGEN

Ein weiterer wesentlicher Grundsatz - der sicher folgenreichste für die Produktions- und Dienstleistungsprozesse und die Beziehungen zwischen den verschiedenen Universitätsebenen - wird der "Ersatz hierarchischer Inputsteuerung durch ein System von Leistungsverträgen" sein. Nach diesen Vorstellungen würde das Land Berlin einen Leistungsvertrag mit dem Kuratorium der TU Berlin abschließen, in dem die an Outputindikatoren gemessene Leistung der Universität und das dafür zu zahlende "Entgelt" spezifiziert wäre. Kuratorium bzw. Präsident würden entsprechende Verträge mit den Fachbereichen, diese wiederum Verträge mit den Instituten bzw. Fachgebieten und Serviceanbietern schließen. Auf diese Weise soll ein leistungssteigernder und kostensenkender Wettbewerb zwischen Universitäten, Fachbereichen und Instituten/Fachgebieten um Budgets entstehen. Dieser Wettbewerb soll die Quelle für innovative Lehrformen, Studienprojekte und Forschungsschwerpunkte werden, die Ziel der Reform sind. Hervorgehoben wird, daß die Einführung dieses Grundsatzes eine längere Zeit erfordert, in der die notwendigen Leistungsindikatoren entwickelt und getestet werden.

Um von den anderen Technischen Universitäten in Deutschland zukünftig unterscheidbarer zu sein, sei es erforderlich, daß sich die TU Berlin auf Forschungsschwerpunkte konzentriert, in denen sie eine "überkritische Masse" realisiert, mit dem Ziel, national und international auf den betreffenden Gebieten eine Spitzenposition zu übernehmen. Die Forschungsschwerpunkte sollen wie Studiengänge auf Zeit angelegt sein. Gebiete, auf denen Schwerpunkte eingerichtet werden sollen, sollten noch weitgehend unerforscht sein und grundlegende Inventionen ermöglichen. Sie sollten auch auf bedeutende Problemfelder der Menschheitsentwicklung gerichtet und deshalb von der Marktseite her zukunftsfähig sein, um einen breiten Strom an wissensbasierten Innovationen in der Wirtschaft und damit einen breiten Drittmittelstrom zu erzeugen. Wenn möglich, sollen sie auch auf Anwendungsbereitschaft und -fähigkeit in der Berlin-Brandenburgischen Wirtschaft stoßen, um auf diese Weise dem besonderen Interesse des Geldgebers der TU Berlin zu dienen. Auch sollen sie nicht nur Grundlagenforschung betreiben, sondern sich auch durch anwendungsorientierte Forschung im Verbund mit Wirtschaft und Verwaltung im Technologietransfer auszeichnen.

Als einige mögliche neue Forschungsschwerpunkte - neben den bereits existierenden, die einer Evaluierung unterzogen werden sollen - werden genannt: Werkstoff- und Materialwissenschaften; Fluidsystemtechnik; Information und Kommunikation; Umwelttechnologien und Umweltmanagement; Neue Produktionstechnologien und -konzepte; Transport, Verkehr und Logistik; umweltgerechtes Planen und Bauen im Bestand; Erhaltung der mitteleuropäischen Stadttradition durch Sanierung und Denkmalpflege; Wasser.

FACHBEREICHE WERDEN GEFRAGT

Die Umsetzung der Reformmaßnahmen wird sukzessive angegangen. In einem ersten Schritt sollen die Fachbereichsneugliederung und die Fachbereichsausstattung realisiert werden. Danach folgen die Weiterentwicklung der Verwaltungsreform und die Budgetierung. Der dritte Schritt betrifft die Forschungsschwerpunkte und die Studiengänge. In allen diesen Schritten sind die Fachbereiche als Akteure gefragt. Zum Beginn des Wintersemesters 1997/98 sollen sie ihre Stellungnahmen abgegeben haben. Der vierte Schritt betrifft die Reform der Gremienstruktur und die Regelung des Verhältnisses zwischen Land und Universitäten. Dieser Schritt soll erst nach Abschluß der ersten drei Schritte in Angriff genommen werden.

tui


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