MENSCHEN

Matthias Sauerbruch

Architektur als ganzheitliche Disziplin

Architekten haben es in gewisser Weise gut. Sie können sich mit mehr oder weniger großen Häusern in einer Stadt verewigen. Matthias Sauerbruch hat sich in Berlin schon mit zwei größeren Häusern einen Namen gemacht. Zum einen ist dies ein IBA-Wohnhaus (IBA steht für Internationale Bauausstellung), das am Checkpoint Charlie steht, und zum anderen ist dies die Hauptverwaltung der Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft Berlin (GSW), ein Hochhaus, das zur Zeit noch gebaut wird und 1998 fertig sein soll.

Überhaupt erfüllt der nicht mehr ganz so neuberufene Professor am Institut für Entwerfen, Baukonstruktion und Städtebau, dessen geschäftsführender Direktor er gleichzeitig ist, alle denkbar nötigen Voraussetzungen, die ein Universitätsprofessor mitbringen sollte. Neben seinen umfangreichen praktischen Erfahrungen als selbständiger Architekt, hat er Auslands- und natürlich Lehr- und Forschungserfahrungen. 1955 in Konstanz am Bodensee geboren, studierte er an der HdK Architektur, bis er 1982 als Stipendiat des DAAD und der Studienstiftung nach London ging - geplant war nur ein Jahr, geblieben ist er zehn Jahre. Die Verbindung nach Berlin ist jedoch nie abgerissen. Neben dem Studium an der Architectural Association School of Architecture (AA), machte er 1984 sein Diplom an der HdK und seine folgende Arbeit im "Office for Metropolitan Architecture" führte ihn als Projektarchitekt wieder nach Berlin an das bereits erwähnte IBA-Wohnhaus am Checkpoint Charlie.

Mit einer englischen Kollegin wagte er 1989 den Schritt in die Selbständigkeit. Lag der Schwerpunkt seiner Arbeit zuerst eher in London, änderte sich dies mit dem Wettbewerbssieg zu dem Gebäude für die Hauptverwaltung der GSW. Seitdem arbeitet der größte Teil des Büros in Berlin. Seine TU-Professur bindet ihn nun zusätzlich an Berlin. "Forschung ist bei Architekten immer sehr stark mit der praktischen Arbeit, dem Entwurf verbunden", erläutert Matthias Sauerbruch, gefragt nach seinen Forschungsschwerpunkten "Wir haben uns intensiv mit dem Städtebau in der 'postindustriellen Stadt' auseinandergesetzt. Ehemalige Bahnhofs- und Kanalanlagen, aber auch Stadtautobahnen und ähnliches waren Orte , an denen wir mit unseren englischen Studenten gearbeitet haben". Ein anderer Arbeits- und Forschungsbereich ist die Umsetzung von energiesparenden Maßnahmen in der Architektur, einem Aspekt, der auch an "seinen" Gebäuden wiederzufinden ist. Seinen Studierenden möchte er die Architektur vor allen Dingen als ganzheitliche Disziplin vermitteln.

"Oft fällt es den Architekten schwer, nicht zu vergessen, daß ein Gebäude nicht in erster Linie ein technisches Gebilde, sondern ein Ort ist, an dem sich das Leben von Menschen abspielt. Hierfür die richtige Form, die treffende Atmosphäre zu finden, bleibt die große Herausforderung für die Architektur". Seine Lehrerfahrungen sind stark vom angelsächsischen System geprägt, fünf Jahre hat er an der Londoner Architectural Association School of Architecture gelehrt. Diese projekt- und persönlichkeitsorientierte Arbeit mit den Studierenden würde er gern auch hier entwickeln.

"Die TU Berlin wird sicherlich in den nächsten Jahren, ähnlich den englischen Hochschulen in den achtziger Jahren, wesentliche strukturelle Änderungen erfahren", schätzt er die Lage der Universität ein: "Reduzierung der Verwaltung und Beibehaltung oder Steigerung der Qualität der Lehre und Leistungsfähigkeit der Hochschule müssen dabei Leitlinien sein". Damit auch weiterhin Gastvorlesungen, die er als wichtige Begleitung zum normalen Vorlesungsprogramm sieht, an seinem Institut durchgeführt werden können, hat er selbst Initiativen ergriffen: es wurde ein Institutsfonds gegründet, in dem zum einen die Lehrenden des Instituts einzahlen; angeschrieben und um Spenden gebeten werden aber auch Sponsoren und Freunde des Instituts.

bw


© 7-9/'97 TU-Pressestelle [ ]