VERMISCHTES

Anmutige 3-D-Puzzles

Ein ansprechendes Beispiel für Flächentragwerke ist die "Diadema", das Schattendach, das den Nordeingang der Expo '92 in Sevilla überdeckte
Sie gehören zu den schönsten Exemplaren der Architektur, aber auch zu den kompliziertesten: die Flächentragwerke. Zum Beispiel das Dach des Münchner Olympiastadions, das mit seiner freischwebenden Leichtigkeit an ein überdimensionales Spinnennetz erinnert. Das Besondere an diesen Bauwerken ist, daß ihre Stabilität nicht durch gerades Mauerwerk oder ein Gerüst von Betonpfeilern entsteht. Statt dessen ruhen Dächer und teilweise auch Wände auf Stützen oder werden an Seilnetzen - wie an einer überdimensionalen Angel - aufgehängt.

Wie man diese Tragwerke konstruieren kann, darum ging es im Mai auf dem zweiten internationalen Workshop "Textile Roofs '97" in Berlin. An der Veranstaltung, die das Fachgebiet Geodäsie und Ausgleichungsrechnung von TU-Professor Lothar Gründig gemeinsam mit europäischen Kollegen aus der Architektur veranstaltete, nahmen rund 40 Architekten und Ingenieure aus mehr als zehn Ländern teil und tauschten ihre praktischen Erfahrungen aus.

Trotz aller Leichtigkeit im Anblick, ist die Konstruktion dieser Bauwerke schwere Ingenieursarbeit. Denn zum Bau benutzt man in der Regel viele einzelne Bauteile, die wie zu einem dreidimensionalem Puzzle zusammengesetzt werden und dann beeindruckende Flächen ergeben. Beim Münchner Olympiastadion waren diese Puzzlesteine zum Beispiel quadratmetergroße Platten aus Plexiglas, die auf einem Seilnetz sitzen. In Zirkuszelten sind es Stoffbahnen, bei anderen Bauwerken auch Holzelemente.

Das Hauptproblem der Ingenieure ist es, die Grundelemente genau zu berechnen, so daß sie zu den gewünschten, mehrfach gekrümmten Flächen zusammengesetzt werden können. Wichtig ist, daß sie nach dem Zusammensetzen im Kräftegleichgewicht sind - Verzerrungen und Verspannungen müssen vermieden werden, da sie die Fläche zerreißen könnten. Ähnlich sieht übrigens die Erstellung eines Schnittmusterbogens für ein Kleidungsstück aus.

Während des Berliner Workshops erstellten die Teilnehmer auch eigene plastische Modelle von Flächentragwerken. Hilfe leistete ihnen dabei das Computerprogramm EASY. Mit diesem von der Berliner Firma TECHNET unter wissenschaftlicher Betreuung von Professor Gründig entwickelten Software ist es möglich, die notwendigen "Schnittmusterbogen" am Computer zu berechnen und sie dann in Modellen - aber auch im Maßstab 1 zu 1 - umzusetzen.

rs


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