FORSCHUNG

Sicherheit in vier Dimensionen

Piloten, Lotsen und Flugcomputer sollen besser zusammenarbeiten

Von Jahr zu Jahr nimmt der weltweite Flugverkehr zu. Gleichzeitig wird die Flugzeugtechnik immer ausgefeilter, und die Piloten müssen sich anstrengen, um auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben. Wie diese neuen Entwicklungen Crews und Fluglotsen und deren Arbeit beeinflussen, damit beschäftigen sich zahlreiche Wissenschaftlerteams. Im Rahmen des Verbundvorhabens Cockpit fördert das Bundesforschungsministerium mehrere solcher Projekte in Deutschland. Zwei Teilprojekte davon sind am Institut für Luft- und Raumfahrt (ILR) der TU Berlin angesiedelt. Hier beschäftigen sich die Wissenschaftler mit der Frage, wie Flugführungssysteme an Bord und am Boden automatisiert werden können, ohne daß die Sicherheit darunter leidet. Einen Einblick gibt ILR-Mitarbeiter René Knorr, der an der Vorbereitung der beiden Projekte beteiligt war.

Ein Airbus-A-340-Cockpit: Mittendrin in dreifacher Ausführung sitzt die Multipurpose-Controll-and-Display-Unit. Sie dient als Ein- und Ausgabeschnittstelle zum Flugcomputer. TU-Forscher arbeiten an ihrer Verbesserung

In den vergangenen 15 Jahren hat sich der kommerzielle Luftverkehr weltweit nahezu verdoppelt. Gleichzeitig änderte sich die Arbeit in modernen Luftfahrzeugen grundlegend. Mit Hilfe spezieller Flugrechner, mit denen Verkehrsflugzeuge seit Jahren ausgestattet sind, wurden wesentliche flugführerische Prozesse automatisiert; die Arbeitsplätze des Navigators bzw. Funkers und des Bordingenieurs entfielen. Die Arbeit der Piloten änderte sich von einer hauptsächlich manuellen Regeltätigkeit hin zu mehr Aufgabenmanagement- und Überwachungstätigkeiten. Auch das Innenleben der Flugzeuge wurde umgestaltet: Klassische Cockpits verwandelten sich in sogenannte Glascockpits, in denen die Piloten nicht mehr auf analoge Zeigerinstrumente blicken, sondern Geschwindigkeit, Flughöhe und Neigungswinkel auf elektronischen Displays ablesen.

Der vermehrte Einsatz von moderner Technik führte aber nicht automatisch zu einer höheren Sicherheit. In bestimmten kritischen Flugphasen - wie z. B. beim Landeanflug - sind die Besatzungen nach wie vor einer erhöhten Arbeitsbelastung ausgesetzt. Statistiken zeigen, daß Zwischenfälle und Unfälle in Verkehrsflugzeugen mit hoher Automatisierung und Glascockpits zu etwa 70% auf das Fehlverhalten von Besatzungen zurückzuführen ist. Fehlhandlungen treten vor allem in der Interaktion zwischen Pilot und automatischen Systemen auf.

Ein Beispiel für solch neuartige automatische Systeme sind "Flight-Management-Systeme" (FMS) - Computer, die aus vorgegebenen Wegpunkten, Leistungsdaten des Flugzeugs sowie Wetterdaten einen sicheren und wirtschaftlichen Routenplan berechnen und das Flugzeug mit Hilfe des Autopiloten entlang dieser Route führen. Als Ein- und Ausgabeschnittstelle des FMS dient die sogenannte Multipurpose-Controll-and-Display-Unit. Sie übernimmt zwei Aufgaben: Die Crew bedient damit den Flugrechner, und gleichzeitig erhält sie von dort alle wesentlichen Informationen angezeigt. Allerdings hat die Analyse der Arbeitssituation in modernen Cockpits gezeigt, daß in diesem Bereich noch Schwachstellen vorliegen.

Flight-Management-Systeme, Schwierigkeiten bei deren Benutzung und damit verbundene Fehlermöglichkeiten sind die Themen eines Forschungsprojekts der TU-Professoren Manfred Fricke und Gerhard Hüttig. Ziel der Wissenschaftler vom Institut für Luft- und Raumfahrt ist es, die Voraussetzungen für bessere Ein- und Ausgabeschnittstellen bei Flight-Management-Systemen zu schaffen. Besonderes Augenmerk legen sie und ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter Marcus Tiemann auf die Funktionalitäten, die Flight-Management-Systeme in Zukunft zusätzlich erhalten sollen: Dabei geht es zum einen um die Berechnung einer Flugroute unter vorgegebenen zeitlichen Bedingungen (4D-Flugplanung), zum anderen um die Automatisierung der Routen-Verhandlung zwischen Pilot und Fluglotse. Dafür wird auch der Einsatz neuer Ein- und Ausgabeschnittstellen untersucht, wie z. B. berührungsempfindliche Bildschirme (Touch Pads, Touch Screens), und unter realistischen Bedingungen im Flugsimulator evaluiert. Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt im Rahmen des Verbundvorhabens Cockpit.

Ein zweites TU-Projekt, das ebenfalls im Verbundvorhaben Cockpit angesiedelt ist, beschäftigt sich mit grundlegenden Aspekten der automatisierten Flugrouten-Verhandlungsführung zwischen dem FMS und der Flugsicherung. Die Professoren Fricke und Hüttig arbeiten hier mit ihrem Assistenten Christian Riede an geeigneten Verhandlungsprozessen und Datenübertragungsprotokollen zwischen Bord- und Bodensystemen. Um die Interaktion zwischen Piloten und Flight-Management-System sowie zwischen Lotsen, Piloten und Flugsicherungssystemen zu untersuchen, werden die TU-Wissenschaftler ein neu aufgebautes Simulationssystem namens "Bord - Data Link - Boden" nutzen. Die Bordseite mit Cockpit wird durch den Airbus-A340/330-Flugsimulator des Zentrums für Flugsimulation Berlin (ZFB) am Institut für Luft- und Raumfahrt in der Marchstraße dargestellt. Den digitalen Übertragungskanal zwischen Bord-Boden mit seinen spezifischen Datenübertragungs-Protokollen stellen sie über eine mit dem Simulator verbundene Rechnerumgebung dar.

Beide Projekte haben im September letzten Jahres ihre Arbeit aufgenommen und werden bis Ende 1998 vom Bundesforschungsministerium mit Stellen für die zwei wissenschaftlichen Mitarbeiter und zwei studentische Hilfskräfte gefördert.

René Knorr/rs


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