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"Politiker in die Pflicht nehmen!"

Hartes Ringen um den Abschluß des Berliner Hochschulvertrages

Wenn die Politiker die Unis weiter hängen lassen, schauen die Forscher nur noch in die Röhre

Seit Monaten ringen die Berliner Präsidenten und Rektoren mit der Wissenschaftsverwaltung und dem politischen Senat um einen Vertrag, der den Hochschulen in der Stadt für die nächsten vier Jahre Planungssicherheit garantieren soll. Nachdem der von den Hochschulen bereits paraphierte Vertrag vom politischen Senat nachträglich zuungunsten der Hochschulen verändert wurde, weigerten sich die Präsidenten und Rektoren voller Empörung, den neuen Vertrag zu unterzeichnen. Daraufhin traten beide Vertragspartner in Nachverhandlungen ein, die dieser Tage zu einem guten Ende geführt wurden. Zwar wurde der Vertragstext nicht mehr verändert, doch wurde er um eine vom ganzen politischen Senat getragene Protokollerklärung ergänzt, in der die wesentlichen Forderungen der Hochschulen aufgenommen wurden.

Der Vertrag, der zwischen dem Land Berlin und jeder einzelnen Hochschule abgeschlossen wird, schreibt u. a. für jede Hochschule die Absenkung der konsumtiven Staatszuschüsse für die Jahre 1997 bis 2000 fest. Im Gegenzug verpflichtet sich das Land, den Hochschulen in diesen vier Jahren keine weiteren Haushaltskürzungen und Bewirtschaftungsmaßnahmen aufzuerlegen. Jede Hochschule erhält damit für die nächsten vier Jahre einen kalkulierbaren finanziellen Rahmen, wenn auch auf einem äußerst geringen Niveau. Daß dieses Niveau für die Hochschulen zu gering ist, haben die Politiker erkannt. Sie eröffnen daher den Hochschulen mit dem Vertrag Möglichkeiten, an zusätzliche finanzielle Mittel zu gelangen.

Eine dieser Möglichkeiten besteht darin, daß die Hochschulen Einnahmen aus Verkäufen von ihnen genutzter landeseigener Grundstücke erzielen können. 50 Prozent der Erlöse aus den Grundstücksverkäufen sollen den nutzungsberechtigten Hochschulen zufließen. Die zweiten 50 Prozent gehen in einen "Zukunftsfonds", aus dem den Hochschulen Überbrückungszuschüsse gewährt werden können. Dies ist das Kernstück des Vertrages, um das es letztendlich bei den Nachverhandlungen ging.

In einer nun vorliegenden ergänzenden Protokollerklärung, die neu ausgehandelt wurde, werden die Modalitäten der Überbrückungszuschüsse präzisiert. Die Rückzahlungsfrist für die Überbrückungszuschüsse, zunächst auf vier Jahre angelegt, wird um ein Jahr auf fünf Jahre verlängert; die Zinsen fließen ebenfalls in den Fonds; für die Zinszahlungen dürfen wiederum Kredite aus dem Fonds aufgenommen werden.

Für den Fall, daß in dem Zukunftsfonds zu wenig oder keine Mittel sein sollten, sichert der Senat zu, daß man sofort in neue Verhandlungen eintritt. Senator Radunski deutete für diesen Fall auch an, daß für eine Überbrückungsfinanzierung aus seinem Hause finanzielle Hilfen durch Streckung von Projekten möglich sein könnten.

Zwei weitere wesentliche Punkte der Präsidenten und Rektoren wurden ebenfalls in die Protokollerklärung aufgenommen: die Problematik der Versorgungsleistungen und der Finanzierung der Personalhaushalte werden bei den im Herbst beginnenden Verhandlungen um die Verlängerung der Verträge eine wichtige Rolle spielen.

Der um diese wesentlichen Elemente angereicherte Vertrag fand mittlerweile Zustimmung im Akademischen Senat der Freien Universität, der Hochschule der Künste und in Gremien anderer Hochschulen. Die Gremien stimmten einer Unterzeichnung des Vertrages mit dem Land Berlin zu, wohl wissend, daß angesichts weiterer Milliardenlöcher im Berliner Haushalt ein Vertragsabschluß das kleinere Übel ist. Einhellige Meinung unter den Gremienvertretern ist, daß der Vertrag eine Zumutung und eine Erpressungsmaßnahme sei, aber da man mit dem Rücken zur Wand stehe, bliebe nichts weiter übrig, als diese Kröte zu schlucken.

Auch der Präsident der TU Berlin, Prof. Hans-Jürgen Ewers, ist willens, den Vertrag zu unterschreiben, und er appelliert an den Akademischen Senat der TU Berlin, ihn darin zu unterstützen. Mit dem Vertrag erhalte die TU Berlin eine gewisse Planungssicherheit, ebenso könnten mit den Überbrückungszuschüssen in den nächsten vier Jahren die ärgsten Probleme gelöst werden. Ohne die Überbrückungszuschüsse werde die TU Berlin im Jahr 1998 am Ende sein. Für die Strukturreform wiederum gewinne man durch den Vertrag die notwendige Flexibilität und eine hinreichende Zeitspanne. Ein weiterer Gesichtspunkt, für den Vertrag zu stimmen, sei, daß mit ihm die Berliner Politiker stärker in die Pflicht für die Hochschulen genommen werden können.

Der Akademische Senat der TU Berlin wird am 28. Mai über die Unterzeichnung des Vertrages entscheiden, das Kuratorium am 14. Mai.

Kristina R. Zerges


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