TU intern - November 1997 - Forschung
Autofreies Wohnen in Lichterfelde Süd Zentrum Technik und Gesellschaft lud zum Mitplanen ein | |
Planung wird durch ein Planspiel anschaulich und verständlich. Dabei werden Bürger zu Experten | |
Wie einfach Stadtplanung sein kann, erfuhren die Besucher der Aktionsausstellung "move & act" zum Thema Mobilität in der Großstadt. Ausgerüstet mit kleinen Häusern, Spielplätzen, Fahrrädern, Sitzbänken, Figuren sowie Grün- und Wasserflächen, beplanten jeweils vier bis sechs Teilnehmer das ehemalige Truppenübungsgelände in Lichterfelde Süd. Einzige Bedingung: Die verkehrliche Erschließung mußte ohne Auto erfolgen. Veranstalter des Anfang August durchgeführten Planspiels war das Forschungsprojekt "Autofreies Wohnen in Berlin" am Zentrum Technik und Gesellschaft (ZTG) der TU Berlin. Ziel des Projekts ist es, aus politikwissenschaftlicher Sicht die Realisierungsbedingungen für ein Wohngebiet zu erkunden, in dem die Bewohner bewußt ohne eigenes Auto leben wollen. Was zunächst spektakulär erscheint, ist für viele Berliner schon heute Alltag. Rund 46 Prozent aller Haushalte kommen in der Hauptstadt ohne Auto aus. Vorteile aus dieser umweltfreundlichen Lebensweise haben sie - sieht man von der Kostenersparnis ab - jedoch kaum. Den Autolärm müssen sie ebenso ertragen wie die schlechte Luft, die Stellplätze der Nachbarn werden weiterhin mit der Miete subventioniert, und auch die Gefährdung der Kinder durch den Straßenverkehr verringert sich nicht. Während es für viele Autobesitzer schon einiger Umorientierung bedurfte, auf den zentralen Supermarkt mit Tiefgarage zu verzichten, war es für die autolosen Teilnehmer eine besondere Erfahrung, endlich ein Wohngebiet nach den eigenen Bedürfnissen zu gestalten. So unterschiedlich die Anordnung der Häuser bei den einzelnen Planspielen war, so übereinstimmend war eine großzügige Gestaltung von Grün- und Freizeitflächen, die die hohe Lebensqualität schnell sichtbar werden ließ. Wo sonst Autos fahren oder parken würden, gab es z. B. Spielplätze und Caf‚s, ohne daß dabei auf Wohnfläche verzichtet werden mußte. Die Mobilität der Anwohner stellten die Teilnehmer in erster Linie durch Fuß- und Radwege sowie öffentliche Verkehrsmittel sicher, aber auch Gemeinschaftsautos fanden ihren Platz. Die notwendige Infrastruktur (Einkaufsmöglichkeiten, öffentliche Einrichtungen, Freizeitangebote usw.) wurde nahräumlich angelegt. Für schwerere Lasten oder sonstige Transportprobleme sahen die Mitspieler Hauslieferdienste vor. Neben den direkten Erkenntnissen darüber, wie sich potentielle Bewohner eines autofreien Wohngebiets ein solches Areal vorstellen, hat das Planspiel auch gezeigt, daß Verkehrs- und Stadtplanung nicht allein Fachleuten überlassen bleiben sollte. Ganz offensichtlich wissen Bürger als Laienexperten sehr gut, wie ihr Wohngebiet aussehen sollte und wie sie ihre Mobilität organisieren möchten. Befürchtungen, daß dabei finanzielle Aspekte oder übergeordnete Belange zu kurz kommen, sind unbegründet. Alle Teilnehmer des Planspiels zeigten ein hohes Problembewußtsein und diskutierten die jeweiligen Kosten bzw. Auswirkungen auf die umliegenden Gebiete. Felix Beutler/Andreas Rade Kontakt: Zentrum Technik und Gesellschaft, Tel./Fax: 314-7 93 83 © 11/'97 TU-Pressestelle [ ] |