TU intern - November 1997 - Menschen
Wenn Te-Won Lee im kalifornischen La Jolla zu seiner Arbeit fährt, macht er jeden Morgen eine kleine Pause am Pazifikstrand. Er läßt den Blick über die Wellen schweifen und bereitet in Gedanken seinen Arbeitstag vor. Im nahegelegenen Salk Institute for Biological Studies forscht er an Problemen der Signalverarbeitung. In einem Team des Computational Neurobiology Lab (CNL) versucht er dort mit Neurologen und Elektrotechnikern, die Messung von menschlichen Hirnströmen zu verbessern. Dazu entwickelt er Algorithmen und Computerprogramme, die störende Signale unterdrücken und bestimmte Signale aus einem Mischmasch herausfiltern. Vom Pazifikstrand nimmt er während der Arbeit nichts wahr, denn sein kleines Büro hat nicht mal ein Fenster. Zur Mittagspause treffen sich die Mitarbeiter aber im Freien und genießen die kalifornische Sonne, bevor es wieder bis spät abends an die Arbeit geht. Die Arbeitsweise unterscheidet sich von dem, was Te-Won Lee von 1989 bis '95 an der TU Berlin kennenlernte, als er hier Elektrotechnik studierte. Nicht nur der morgendliche Blick auf das Meer unterscheidet La Jolla von Berlin. Am deutlichsten fiel ihm im Rückblick auf, daß die CNL-Mitarbeiter mehr Zeit auf der Arbeit verbringen, sich weniger an feste Arbeitszeiten halten und häufiger auch bis in die Nacht arbeiten. Ein weiterer Unterschied: Die Räume und Büros der Wissenschaftler sind sehr viel kleiner als in Deutschland. Sein Büro in La Jolla ist keine Ausnahme. Trotzdem kehrt er Berlin, wo er vor 21 Jahren mit seinen Eltern aus Korea ankam, den Rücken. Nachdem er im Oktober seine Doktorarbeit am Fachbereich Elektrotechnik der TU Berlin verteidigte, zog es den 28jährigen Nachwuchswissenschaftler wieder in die USA. Die Wahl zwischen Pazifik und der Spree ist ihm leichtgefallen und hauptsächlich durch ein Ziel bestimmt worden, nämlich in der Forschung zu arbeiten. Schon während des Studiums ging er für ein Semester nach Grenoble und schrieb später seine Diplomarbeit an der University of California at Berkeley. Nach dem TU-Diplom im Frühjahr '95 arbeitete er ein Jahr als Doktorand bei der Max-Planck-Gesellschaft in Potsdam, ging für ein weiteres Jahr nach Pitsburgh an die Carnegie Mellon University, bevor er im vergangenen Frühjahr zu einer Forschergruppe nach Kalifornien ging, die in seinem Bereich einen hervorragenden Ruf hatte. Nach den Erfahrungen mit dem US-Forscherleben und dem Universitätsalltag zieht er ein kritisches Resümee seines TU-Studiums: Gut sei ihm die Tätigkeit als Tutor in Erinnerung geblieben. Wenig hält er im Rückblick jedoch von der Art des Lernens, denn es bestehe zu sehr im Wiedergeben dessen, was man in Vorlesungen hört. "Selbständig etwas zu erarbeiten und zu produzieren", das sei ihm viel zu selten passiert. Gerade das aber sei spannend und löse die Begeisterung für die Wissenschaft aus. rs © 11/'97 TU-Pressestelle [ ] |