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Den Senator nicht unkommentiert lassen

Zum Thema Nafög-Kürzungen fragte TU intern auch Armin Geraths, TU-Professor für Neuere Englische und Amerikanische Literaturwissenschaft. Geraths ist außerdem stellvertretender Vorsitzender der Nafög-Kommission und kommentiert unser Interview mit Senator Radunski.

Als stellvertretender Vorsitzender der Nafög-Kommission, der ich seit über einem Jahrzehnt kontinuierlich angehöre und deren vitale Interessen ich sowohl bei der gegenwärtigen Sparrunde als auch bei der im Sommer 1994 ähnlichen Gefahrensituation gegenüber den massiven Kürzungsplänen des Senats federführend habe verteidigen müssen, kann ich das Interview mit Senator Radunski nicht unkommentiert passieren lassen. - Es bedürfte keines weiteren Wortes, könnten, wie der Senator zu Protokoll gibt, "jährlich 290 Stipendiaten unterstützt werden". Das wäre mehr als üppig und entspräche einer Bewilligungsquote von 50 %. Tatsächlich aber werden hier die Stipendien der Jahre 1996, '97 und '98 effektvoll addiert. Den Fakten näher kämen die Zahlen "immerhin 60-70 Stipendien, die im nächsten Jahr vergeben werden können". Genau gerechnet sind es nach der geplanten Absenkung der -Mittel für 1998 um knapp eine Million Mark nur 56 Stipendien im ganzen Jahr 1998 - also 28 pro Semester. Diesen 28 Stipendien steht ein Bewerbervolumen von ca. 320 gegenüber; es wird also nicht einmal eine zehnprozentige Förderung erreicht, und der Vergleich mit anderen Bundesländern unterbliebe besser.

Bei dieser minimalen Erfolgsquote schüfe nur ein Losverfahren "Gerechtigkeit". Keinesfalls aber ist es 30 ehrenamtlich tätigen, ohnehin stark ausgelasteten Professoren der Berliner Universitäten zuzumuten, je nach Anfall von Bewerbungen in gewissen Disziplinen im Einzelfall bis zu 30 Anträge in nie weniger als zwei- bis dreistündiger Schreibtischarbeit pro Bewerbung zu prüfen, nachzurecherchieren, weitere Spezialisten zu konsultieren, schriftlich zu kommentieren und überdies zwei Monate lang im Semester an Freitagen, 16 Uhr, (längst Wochenendzeit für die meisten) über vier Stunden im Plenum die Projekte vorzutragen und gut begründet zu validieren. In einer Kommission, die bislang harmonisch und vorbildlich effizient zusammenarbeitet, käme es nunmehr zu unvermeidbarem Proporzgerangel, das bei einer weniger als zehnprozentigen Bewilligungsquote zur Regel werden dürfte. Damit aber würde die Kommissionsarbeit ad absurdum geführt.

Die zentralen Argumente für die unbedingte Beibehaltung der bisherigen Mittelzuweisung habe ich im Sommer 1994 dem Senator bereits einmal schriftlich dargelegt. Der Brief wurde kurz darauf in TU intern abgedruckt. Über das dort Vorgetragene hinausgehend indes wäre ein anderer Gesichtspunkt ins Feld zu führen, der bislang nirgends zur Sprache kam. Nafög ist auch ein vorzügliches Ausländer- und Frauenprogramm, ohne daß die Qualifikationsmerkmale "Ausländer" und "Frau" (im Gegensatz zu manch prächtigem, politisch werbewirksamem Sonderprogramm mit stolzem Finanzvolumen) dabei auch nur die geringste Rolle spielten. Frauen sind bei Bewerbung und Förderung Spitzenreiter allein auf Grund ihrer wissenschaftlichen Qualität. Nicht wenige Ausländer (meist aus der Dritten Welt) nehmen das Stipendienangebot wahr und sind häufig erfolgreich als leistungsstarke Nachwuchswissenschaftler.

Es wäre sehr zu wünschen, daß der Senat eine radikale Kehrtwendung zugunsten des Programms (das bereits in jüngster Vergangenheit mächtig Federn lassen mußte) im Abgeordnetenhaus vollzieht und es so beläßt, wie es derzeit ist.

Armin Geraths


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