HOCHSCHULPOLITIK

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Das Alternativpapier der TU-Reformfraktion

"Beitrag zur Diskussion über eine Neugliederung der TU Berlin" - so ist das Papier überschrieben, das die TU-Reformfraktion als Alternative zu den Vorstellungen von TU-Präsident Hans-Jürgen Ewers vorlegte. Holger Eisele, Mitglied der Reformfraktion und stellvertretendes Mitglied im Akademischen Senat, stellt die Grundzüge des Papiers vor.

Es fallen einem viele Fragen ein, wenn man darüber nachdenkt, wieso, weshalb und warum eine Neu-/Wiederauflage der Strukturdebatte in der Universität angefangen wurde, auf die man dann erst einmal keine Antworten findet - oder nur solche, die einem widerstreben. Die Vorbehalte sind auch durchaus begründet; es macht zunächst fast keinen Sinn, eine Organisation innerhalb weniger Jahre zweimal komplett umzustrukturieren; eigentlich braucht die Universität Organisationsruhe, denn sie ist keine Umorganisationseinheit sondern eigentlich ein Wissenschaftsbetrieb, eine Stätte von Forschung und Lehre. Warum dann diese Hektik bezüglich einer abermals neuen Universitätsstruktur?

Mögliche Antworten könnten die folgenden sein:

  • Weil ein neuer Präsident damit ruhmreich in die Geschichte der Universität eingehen will.
  • Weil in Zeiten knapper Kassen manche Disziplinen und Bereiche ihr Fortbestehen retten wollen.
  • Weil man politisch in der Universität endlich aufräumen, die Störenfriede vertreiben will.
  • Weil der Wissenschaftssenator dies in einem Diktat (Hochschulvertrag) so festgelegt hat.

All dies dürfen keine Argumente sein. Es kann nur um die effiziente Organisation von Wissenschaft, also Forschung und Lehre gehen!

Die Ausgangslage der Universität bezüglich Forschung und Lehre für die Zukunft ist nicht rosig. Das Budget verkleinert sich zunehmend und wird voraussichtlich erst ab dem Jahr 2003 in den Bereich der gleichmäßigen Fortschreibung münden. Bis dahin sind auf den heutigen Stand bezogen ca. 200 Fachgebiete abzuwickeln. Diese Universität wird dann eine andere sein, egal ob man sie heute neu strukturiert oder nicht! Die Konkurrenz unter den Hochschulen wird zunehmen, sowohl was die Gewinnung von Studierenden als auch von Lehrenden betrifft. Der letztlich einzige Sinn der Strukturdebatte ist die Frage, wie man diese Umwälzung in der Wissenschaftslandschaft in den nächsten sechs bis zehn Jahren organisatorisch flankiert und vor allem inhaltlich ausgestaltet.

Hierzu liegen nun drei aus zentraler Sicht verfaßte Papiere auf dem Tisch der Universität und mindestens 15 Teilvorschläge aus den dezentralen Fachbereichen. Das Papier des Präsidenten spiegelt eine Universität wider, die traditionell disziplinär geordnet ist. Es bezieht sich auf Wissenschaftsansätze, die vor vielen Jahren aktuell waren und seither auch an vielen anderen deutschen Universitäten - teils mit, teils ohne großen Erfolg - verwirklicht wurden. Man kann es wissenschaftlich gleichermaßen als solide oder auch als etwas langweilig bezeichnen. Die verbleibenden Wissenschaftsbereiche konkretisieren dieses Bild von einer Universität. Würde man den wissenschaftlichen Ansatz konsequent durchziehen, so käme man zu vier Fakultäten, die jedoch unterschiedlich groß wären. Der eigentliche Esprit des Papiers liegt in den in Ansätzen angedachten Organisations- und Verwaltungsstrukturen. Doch um diese umzusetzen, muß man nicht die Wissenschaft auf den Kopf stellen, das geht auch mit den bisherigen Fachbereichen. Genau diesen Fakt nimmt das Papier der Gruppe Alternativkonzept aus der Reformfraktion auf: Man beläßt die Fachbereiche in ihrer jetzigen wissenschaftlichen Organisationszusammensetzung, reduziert die Fächer nach den Vorschlägen des Präsidenten und begreift den Prozeß im Sinne einer Verwaltungs- und Organisationsstrukturierung der Universität. Beide Papiere enthalten hierzu Ansätze (z. B. das Matrix-Modell) die diskussionswürdig sind und konkretisiert werden müssen.

Demgegenüber steht das Papier der Reformfraktion "Beitrag zur Neustrukturierung der TU Berlin", das interdisziplinäre Vorschläge zur Neustrukturierung der Wissenschaftsbereiche macht. Die zentrale Frage bei einer Neu-/Umstrukturierung muß sein, welche Wissenschaftsbereiche sich wie zukünftig entwickeln sollen, welche die Universität angesichts der nicht mehr ausreichenden Finanzmittel weiterführen will und welche nicht! Jene Bereiche, die sie weiterführen will, müssen profilbildend in Fachbereiche strukturiert werden, die der wachsenden wissenschaftlichen Konkurrenz gewachsen sind und zukünftig tragfähig und innovativ diese Universität an der Spitze der Forschungs- und Lehrlandschaft rangieren lassen. Die Diskussion zwischen den Fachbereichen und den zentralen Gremien um diese zukünftige Wissenschaft muß der erste Schritt dieser Strukturdebatte sein. "Was will diese Universität unter den zwar nicht befriedigenden, jedoch anscheinend gegeben reduzierten Mitteln inhaltlich bearbeiten?", muß die bestimmende Frage sein. Dies will die Reformfraktion nicht ohne oder gegen die Fachbereiche diskutieren; der Beitrag soll eine Diskussionsgrundlage hierfür sein.

Nach der Euphorie der Brautwerbung verschiedener Fachbereiche im August zeichnet sich momentan (Ende September, Mitte Oktober kann das anders aussehen!) ab, daß viele Fachbereiche in die Debatte mit den zentralen Gremien mit dem Vorschlag gehen, in erster Linie so zu bleiben, wie sie sind. Bei manchen ist dies mehr, bei anderen weniger gerechtfertigt. Der Pradigmenwechsel ist jedoch bereits eingeläutet, wenn er auch an vielen Stellen noch nicht zu hören ist. Viele "international renommierte" Universitäten haben dies bereits begriffen. Man kann hier nur an alle appellieren, das sie sich und den in die dann existierenden Strukturen zu berufenden neuen Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern nicht abermals die Chancen für eine zukünftige Wissenschaft verbauen. In diesem Sinne ist dies auch ein Appell an die ältere Generation, sich in der Debatte zunehmend zurückzuhalten und an die jüngere Generation, sich um so mehr einzubringen, denn letztere wird die Ergebnisse tragen und umsetzen müssen.

Holger Eisele


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