TU intern - April 1998 - Menschen

Kontroverse ausgelöst

Die TU-Wissenschaftlerin Dr. Dina De Rentiis ist mit dem “Nachwuchsförderpreis für Romanistische Literaturwissenschaft zu Ehren von Hugo Friedrich und Erich Köhler“ der Universität Freiburg ausgezeichnet worden. Der Preis wird zusammen mit dem Forschungspreis für Romanistische Literaturwissenschaft seit 1985 alle fünf Jahre vergeben. Frau Dr. De Rentiis erhält den Preis in Höhe von 5000 DM für ihre Dissertation “Die Zeit der Nachfolge. Zur Interdependenz von ‚imitatio Christi’ und ‚imitatio auctorum’ im 12. bis 16. Jahrhundert“.

Diese Dissertation hatte zuvor eine Kontroverse in der Fachwelt ausgelöst. Die TU-Wissenschaftlerin hatte in ihrer Arbeit festgestellt, daß die “Wiederentdeckung“ der antiken Autoren, vor allem durch Francesco Petrarca, zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert als Grundlage des modernen literarischen Nachahmungsverständnisses nicht zu halten sei. Ihrer Ansicht nach markiert die Nachahmung der Autoren (“imitatio auctorum“) in diesem Zeitraum nicht den Beginn einer neuen geisteshistorischen Epoche, sondern den Höhepunkt einer langzeitlichen Entwicklung. Unter “imitatio auctorum“ versteht man hier in weitestem Sinne den Umgang mit fremden Werken bei der Erschaffung von eigenen Schriften bzw. Kunstwerken. Außerdem ist es für Dina De Rentiis klar erkennbar, daß eine enge Beziehung zwischen der Nachahmung von Autoren und der Nachahmung sittlicher Haltungen und Verhaltensweisen (“imitatio Christi“) besteht.

Ursache für die Fehleinschätzung in der heutigen Forschung sei unter anderem die Behandlung der “imitatio auctorum“ aus vorwiegend rhetorikgeschichtlicher, literaturwissenschaftlicher Sicht. Dr. De Rentiis fordert eine inter- und transdisziplinäre Untersuchung und keine isolierte Betrachtung des Forschungsgegenstands. Sie geht sogar noch weiter und stellt das gängige Periodisierungsmodell Antike/Mittelalter/Neuzeit grundsätzlich in Frage. “Diese Einteilung ist kein unverzichtbares Fundament historischer Forschung, sondern ein vergängliches Denkkonstrukt. Meine Arbeit zeigt, wie gewinnbringend der Verzicht darauf sein kann“, stellt die 34jährige klar. Die ihr nun verliehene Auszeichnung versteht sie als Ermutigung, ihren Standpunkt weiter zu vertreten.

Christian Hohlfeld


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