TU intern - April 1998 - Menschen

Haifischhaut hilft Sprit sparen

Philip Morris Preis für Berliner Wissenschaftler

Die Siegermannschaft (v.l.): Wolfgang Hage, Martin Bruse, Jacobiene van der Hoeven, Gunter Hoppe vom Hermann-Föttinger-Institut für Strömungmechanik der TU und Dietrich Wolfgang Bechert (hinten links) von der DLR. Das Modell zeigt die 600fach vergrößerte Haifischhaut.
Ausgerechnet einer Gruppe von Meeresbewohnern, den Haien, verdankt die Luftfahrt eine Neuerung, die jetzt mit dem Philip Morris Forschungspreis der Kategorie “Transport und Verkehr“ ausgezeichnet worden ist. Gewürdigt wurde damit die Entwicklung einer “künstlichen Haifischhaut für Verkehrsflugzeuge“.

Preisträger sind Dr. -Ing. Dietrich W. Bechert von der Abteilung Turbulenzforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), das an der TU Berlin angesiedelt ist und seine vier Teammitglieder Martin Bruse, Wolfram Hage, Jacobiene van der Hoeven und Gunter Hoppe von der TU Berlin. Die von den Berliner Ingenieuren nach dem Vorbild der Haie konstruierte Oberfläche ist besonders reibungsarm. Als Folie auf einen Airbus A340 oder A320 aufgebracht, führt sie zu einer Wandreibungsverminderung von bis zu acht Prozent, wodurch das Flugzeug pro Langstreckenflug 2,4 Tonnen weniger Treibstoff verbraucht.

Am Anfang stand für das Team der Kontakt zu dem Tübinger Paläontologen Wolf-Ernst Reif. Ihm waren bei schnell schwimmenden Hai-Arten mikroskopisch feine, in Strömungsrichtung verlaufende Rillen auf den Schuppen aufgefallen. Der Gedanke drängte sich auf, daß an Oberflächen mit diesen Rillen weniger Reibung entsteht als an glatten Oberflächen.

Reif sandte briefmarkengroße Hautstücke tropischer Arten wie die des Seiden- und des Galapagoshais nach Berlin, und Dietrich Bechert machte sich ein ums andere Mal zu seinem Fischhändler auf um Haisteak zu erstehen. Unter dem Mikroskop wurden sodann Tiefe und Weite der Rillen in den Hautpräparaten mit Hilfe kleinster Nadeln und Mikrometerschrauben vermessen. Die gefundenen geometrischen Verhältnisse übertrugen die Wissenschaflter hundertfach vergrößert auf Plexiglasscheiben.

Diese Scheiben mit etwa 6,5 Millimeter weiten Rillen verhalten sich im Strömungsmedium Öl etwa so, wie die flugzeugtauglichen Oberflächen mit mikrometerfeinen Rillen im Windkanal. Die größeren Dimensionen haben jedoch einen entscheidenden Vorteil: Die Test-scheiben lassen sich an automatisierten Fräsen fertigen und dabei unschwer von Mal zu Mal variieren.

Der Ölkanal, der Anfang der neunziger Jahre im Keller des Hermann-Föttinger-Instituts für Strömungsmechanik der TU Berlin entstand, ist eine auf etwa 1,50 Meter hochgebaute und rund 10 Meter lange Endlosschleife. Darin wird synthetisches Weißöl von zwei Schiffspropellern vorangetrieben; bei höchster Drehzahl fließt es mit 1,3 Metern pro Sekunde etwa so schnell wie ein reißender Gebirgsbach. Der Widerstand an der gerillten Testplatte wird von einer Feinwaage gemessen, die derartig genau ist, daß sie im vergangenen Sommer sogar die durch den Untergrund fortgepflanzten Baßtöne der Berliner “Love Parade“ registrierte. Nicht zuletzt wegen der Meßgenauigkeit ist sich das Team sicher, nach zahlreichen Testläufen bis 1996 nunmehr die für die Rillen-Technologie gültige “Grenze des technisch Machbaren“ erreicht zu haben.

Noch während der Laborarbeiten fand Bechert einen Hersteller, der selbstklebende, glasklare Folien mit feinsten Rillen herstellt. Aus technischen Gründen können nur etwa 75 Prozent der Oberfläche eines Verkehrsflugzeuges damit überzogen werden; der erste Airbus A 340, der seit 1996 im Liniendienst der Cathay Pacific Airways getestet wird, ist nur etwa zu 30 Prozent überklebt. Dennoch wurde die Oberflächenreibung herabgesetzt. Folge: Der Treibstoffverbrauch sank um etwa ein Prozent.

Bei optimaler Ausrüstung des Flugzeuges mit Folie prognostiziert die Arbeitsgruppe drei Prozent weniger Verbrauch. Für das eingesparte Treibstoffgewicht könnten bei dem A340-Typ dann 15 Personen mehr mitfliegen.

Der Philip Morris Forschungspreis wird am 27. Mai 1998 in München verliehen.

Philip Morris Stiftung


© 4/'98 TU-Pressestelle [ ]