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TU intern - April 1998 - Aktuelles
... aber übriggeblieben ist davon nicht viel
Erfolge und Entäuschungen der 68er und 98er
Vor 30 Jahren, am 11. April 1968, begannen mit dem Attentat
auf Rudi Dutschke die Osterunruhen. Sie waren Teil der Studentenbewegung,
die sich gegen die politischen und sozialen Verhältnisse
richteten. Kritikpunkte waren z. B. die Notstandsgesetze, das
Eingreifen der USA in den Vietnamkrieg und die Pressemacht des
Springer-Konzerns. Der Ausgang der Studentenunruhen jedoch lag
in den Universitäten, wo die verkrusteten, oligarchischen
Strukturen der Hochschulen kritisiert wurden. Die Studierenden
forderten mehr Demokratie und Mitbestimmung, zum Beispiel durch
Mitwirkung studentischer Vertreter in den Verwaltungsorganen der
Uni. In der Folge wurde ein Jahr später, im Juli 1969 das
Universitätsgesetz verabschiedet und damit die Gruppenuniversität
eingeführt.
TU intern fragte Studierende, wie sie die Auswirkungen der
Studentenbewegung auf die Uni von heute sehen. Sind Nachwirkungen
der 68er Unruhen noch spürbar, gibt es sie überhaupt
und wo liegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Studentenaktionen
von damals und denen von heute?
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Sonja Giesen, Verfahrenstechnik 7. Semester
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Ich glaube schon, daß mehr Demokratie an den Unis ist, als
in den sechziger oder auch fünfziger Jahren. Es ist halt
immer die Frage, ob man den Studenten freien Lauf lassen soll,
oder ob man ihnen vorschreibt, was sie machen sollen mit dem Argument,
man weiß immer erst nachher, ob das gut war für einen
oder nicht.
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Alexander Loerke, Bauingenieurwesen 7. Semester
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Damals gab es mehr Anteilnahme bei den Studenten. Das hat sich
heute verschlechtert, jeder kümmert sich nur noch um seine
eigenen Sachen. Auch bei dem Streik im vergangenen Semester hat
die Anteilnahme gezeigt, daß sich viele nicht dafür
interessiert haben. Vieles lief nach dem Motto, wir machen unsere
Sachen und interessieren uns nicht für die Allgemeinheit.
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Thorben Brand, Verkehrswesen 3. Semester
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Eigentlich bin ich ziemlich wenig darüber informiert, da
ich Norweger bin. Ich glaube schon, daß sich durch die Studentenunruhen
in Deutschland was verändert hat. Wir haben Selbstbestimmung
bekommen als Studenten, das ist super. Was ich schade finde ist,
daß auch die alten Traditionen dadurch verloren gegangen
sind, natürlich nicht mit diesen Kapuzen und Orden usw ...
wie es früher war. Es kam dadurch aber auch Negatives rüber,
wie die Anonymität an der großen Universität.
Aber zum Beispiel die Erstsemesterveranstaltung ist ja wieder
ein Schritt in diese Richtung. Es ist ganz positiv, wenn die Uni
sich wieder mehr um die Studenten kümmert.
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Vivien Heidmann, Psychologie 11. Semester
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Tja, gelohnt hat es sich damals schon, aber übriggeblieben
ist davon heute nicht viel. Die Struktur der Unisysteme ist viel
zu starr, anders als in Amerika, wo Professoren bewertet werden.
In meinem Fachbereich gabs auf jeden Fall Rückschritte.
Die Seminarräume sind zu klein, die Studienbedingungen schlechter.
Professuren werden nicht wieder besetzt, so daß es echte
Probleme im Grundstudium gibt, weil keiner weiß, wer die
Prüfungen abnehmen soll und im Hauptstudium wird es bald
ähnlich sein.
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Nicole Niemeier, Bauingenieurwesen 3. Semester
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Die Demos der 60er Jahre waren weit weniger friedvoll und dementsprechend
auch erfolgreicher, als wir waren. Meine Eltern haben damals aktiv
teilgenommen. Da wurden auch Unireformen erreicht, die leider
jetzt wieder im Rückschritt begriffen sind. Die Demos im
letzten Semester waren nicht so erfolgreich, es war nicht genug
Druck dahinter. Wir wurden belächelt, die Bevölkerung
stand zwar angeblich hinter uns, wie so viele Politiker, aber
gewirkt hats leider nicht.
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Ralf Loeffler, Bauingenieurwesen 5. Semester
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Es gibt einige, die ihren Prinzipien treu geblieben sind, aber
zum größten Teil ist das alles verloren gegangen. Wenn
man die Leute heute sieht, ich kenne einige aus den 60er Jahren,
haben die jetzt Eigentumswohnungen oder sind Immobilienbesitzer.
Das sind heute diejenigen, die sagen, Studiengebühren können
erhoben werden und so weiter. Mir selbst fehlt der Bezug zu früher.
Aber es ist ja heute nicht mehr so, daß man mit gesenktem
Haupt durch die Uni kriechen muß. Damals waren die Demos
radikaler mit mehr Druck. Heute ist das nicht mehr so, da ist
eher der Wunsch, so was wie damals wieder aufzuziehen. Aber das
erreicht man, glaub ich, nicht. Die Leute sind nur noch auf ihre
Interessen bedacht. Gerade hier in der Uni steht man ziemlich
alleine da. Im ersten Semester war ich ziemlich enttäuscht
über den Begriff Universität, wie er heute existiert.
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David Koebel, Assistent am FB 10 Verkehrswesen und Angewandte
Mechanik>
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Die Studentenunruhen der sechziger Jahre haben sich mit Sicherheit
gelohnt. Die autoritäre Steuerung von oben herab damals war
ja indiskutabel. Man war den Professoren noch willkürlicher
ausgeliefert, wie man es jetzt auch noch ist. Bei der Notengebung
ist das ja immer noch so, und gegen schlechte Vorlesungen kann
man zum Beispiel nicht vorgehen. Aber auch die Mentalität
der Studenten hat sich heute geändert. Man studiert fleißig
und strebsam und pocht nicht auf seine Rechte.
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© 4/'98 TU-Pressestelle
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