TU intern - Dezember 1998 - Wissenschaft

Architektur und Exil

Internationales Symposium an der TU Berlin

Bruno Taut, Literaturfakultät Ankara. Bruno Taut lehrte in den Jahren 1931 und 1932 an der TH Charlottenburg, bevor er 1932 nach Moskau ging. Ab 1933 wirkte er in Japan und ab 1936 an der Kunstakademie in Istanbul. In Berlin waren seine Entwürfe wegweisend für die Reform des Siedlungsbaus
Erste Versuche, auf einem schwierigen, bisher weitgehend ausgeklammerten Terrain, könnte man dieses Pilotprojekt untertiteln. Denn während die Nachbardisziplinen der Geschichte, Literaturwissenschaft und Publizistik ihre ”Exilgeschichten" in den letzten fünfzehn Jahren zum Teil grundlegend aufgearbeitet haben, stecken die Ansätze im Bereich der Architektur - in der bildenden Kunst sind sie ein wenig weiter gediehen - noch weitgehend in den Kinderschuhen.

Das hängt auch mit dem Gegenstand selbst zusammen. Architektur ist eine schwer exilierbare Gattung. Sie ist ganz wesentlich in den Kontext der jeweiligen Kultur eingebunden, wird bestimmt von öffentlichen Anforderungen, Auftraggeberwünschen, Traditionen und Austausch mit anderen Bereichen der Kunst. Hier gab es keine Sprache zu verlieren oder zu bewahren wie im literarischen Exil, mit Architektur konnte man auch nicht gegen die NS-Dikatur ankämpfen, wie es die Exilpresse, aber auch die Malerei tun konnte, so Oskar Kokoschka in seinem eindrucksvollen Selbstbildnis als entarteter Künstler, das sich in der National Gallery of Scotland in Edinburgh befindet.

Architekten konnten aus den verschiedensten Gründen ins Exil getrieben werden, emigrieren oder auswandern. Wenige fanden neue Aufträge in den Gastländern, noch weniger wurden berühmt oder konnten ihren Ruhm fortsetzen, viele wechselten die Profession, wurden Stadtplaner, Fotografen oder Farmer, noch weitaus mehr mußten mit dem Weggang aus der Heimat auch ihre beruflichen Karrieren an den Nagel hängen. Es gab Architekten der modernen und konservativen Richtung, verschiedene Generationen, die Deutschland verließen.

Diese Einzelschicksale sind erst zu Bruchteilen aufgearbeitet, die Biographieforschung unter diesem Aspekt hat gerade erst begonnen. Vollständigkeit konnte unter diesem Aspekt nicht der Anspruch sein.

Vielmehr stand die deutschsprachige Emigration und die Transformation der Moderne zwischen 1930 und 1950 im Mittelpunkt der Tagung. Zu bekannten Architekten (und Architektinnen) wie Erich Mendelsohn, Bruno Taut, Martin Wagner, Walter Gropius, Margarete Schütte-Lihotzky, Max Cetto, Hannes Meyer, Ernst May u. a. liegen z. T. umfangreiche Biographien vor. Diese zu vernetzen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten, war eines der Ziele des Symposiums.

Auf der anderen Seite wird von der Architektur- und Kunstgeschichte zunehmend ins Bewußtsein gerückt, daß die Moderne ab 1927 selber einem tiefgreifenden Wandel unterzogen war, der gesellschaftliche Gründe hatte. Formalismuskritik angesichts einer zunehmenden Industrialisierung des Bauwesens und die Frage nach der Sinnstiftung von (moderner) Architektur angesichts der diktatorischen Regimes im faschistischen Italien, das die Moderne integrierte, und in NS-Deutschland, das die Moderne als Bewegung ausschloß und nur Teilbereiche im Industriebau überleben ließ.

Kritik und Selbstkritik der Moderne machten den Weg frei für eine nicht immer überzeugende Neuformulierung des Repräsentationsbaus oder aber den Schwenk zu einem neuen Regionalismus. Daß diese Prozesse durch das Exil intensiviert oder gar erst ausgelöst worden seien, war eine der zentralen Thesen der Tagung. Der künstlerisch, bewußt reflektierende Architekt habe das Exil als eine Dominante seines Schaffens erfahren können. Dagegen stand die These der Nicht-Verallgemeinerbarkeit dieser Vorgänge; alle Einzelschicksale seien zu unterschiedlich, in den Erfahrungen mit der neuen Situation in den jeweiligen Ländern, wie den USA, Großbritannien, Palästina, der Türkei, Mexiko etc. Diese Erfahrungen entsprächen den Prinzipien des Künstlertransfers seit Jahrhunderten und seien mit dem Begriff oder gar der Kategorie des Exils nicht zu greifen: Mobilität als ein Prinzip der Moderne.

Ein entscheidender Schritt, den die Tagung leistete, lag in der Zusammenführung der durch unterschiedliche Diskurse geprägten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die nun intensiver auf internationaler Ebene kooperieren und ihre Erfahrung zu Moderne und Exil in zwei bis drei Jahren erneut austauschen werden.

PD Dr. Bernd Nicolai

Vom Autor jüngst erschienen: Moderne und Exil. Deutschprachige Architekten in der Türkei 1925-1955, Berlin, Verlag für Bauwesen, 1998, 98,- DM. Der Tagungsband erscheint im gleichen Verlag 1999/2000.


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