TU intern - Erstsemester-Special 1998 - Medien

Schäferstündchen und andere TU-Interna

Aus dem Redaktionsalltag einer studentischen Fachbereichszeitung

Die TU Berlin ist nicht nur ein Eldorado für Technikfreaks sondern auch ein Tummelplatz für alle, die sich schon einmal journalistisch betätigen wollten. Neben Uni-Radio und der AStA-Zeitung ”Permanenter Rechtsbruch" erscheinen an der TU auch mehrere Fachbereichszeitungen. Martin Kiesler, einer der Redakteure der ”SprengZeit" (Fachbereiche 6, 10 und 11) berichtet aus der prallen Praxis des Redaktionsalltags:

Einige Freunde aus der Fachbereichsinitiative ”EB 104" hatten eine Fachbereichszeitung gegründet und mich gefragt, ob ich nicht mittun wollte. Die übliche Phase nerviger Selbstfindungsdiskussionen (”Wie soll die Zeitung heißen? Wie soll sie finanziert werden? Welche Inhalte soll sie haben?") wurde - wie von Ingenieurstudierenden kaum anders zu erwarten - zügig überwunden. Allerdings - auch dies kommt bei Diskussionen unter Ingenieurstudierenden mitunter vor - befriedigten die Ergebnisse nicht uneingeschränkt: Das Blatt hieß ”SprengZeit", sollte vom AStA finanziert werden und offen für alles sein, wogegen einzelne Redaktionsmitglieder nicht ausdrücklich ihr Veto einlegten. Immerhin setzten wir uns auch als Ziel, die Entwicklung an unseren Fachbereichen zu verfolgen und hochschulpolitische Forderungen zu formulieren.

Doch von Hochschulpolitik wußte ich damals noch nicht allzu viel. Und überhaupt waren auch noch ganz andere Fragen zu klären: Wie sollten wir mit einer eher textlastigen und zudem einfarbigen Zeitung (schwarz auf grauem Ökopapier) überhaupt unter den zahllosen an der Uni ausliegenden bunten Hochglanzblättchen auffallen? Wir versuchten es mit bissigen Artikeln über Mißstände am Fachbereich oder über - unserer Meinung nach - besonders schlechte Lehrveranstaltungen. Häufig durchsetzten wir sachliche Meldungen mit satirischen Elementen, weil wir meinten, die mitunter bizarren Züge des Wissenschaftsbetriebes so am besten beschreiben zu können. Als wir einmal - offenbar als erste am Fachbereich - von der Verleihung eines Ehrendoktors an einen unserer Professoren hörten, würdigten wir das Ereignis auf unsere Weise. Das führte dazu, daß am Fachbereich die Tatsache der Ehrung zunächst als eine unserer Erfindungen abgetan wurde.

Eine Besonderheit für eine eher hochschulpolitisch orientierte Zeitung wurden auch die Klatschreportagen der ”SprengZeit". Waren sie anfangs noch mit Skrupeln ins Heft aufgenommen worden (manchmal unterliefen uns dabei auch Fehler - etwa Namensverwechslungen), so wurden sie doch bald eine feste - am Fachbereich gefürchtete - Größe. Das führte dazu, daß zuverlässige Quellen häufig von sich aus mit saftigen Geschichten an die Redaktion herantraten. Dennoch wurde nicht alles veröffentlicht - so etwa der durchaus glaubwürdige und detaillierte Bericht über ein Schäferstündchen wohlbekannter Persönlichkeiten im Präsidialamt, das einmal nach einer TU-Fete stattgefunden haben soll. Zu Verwicklungen führte auch ein fiktiver Fortsetzungsroman, der die TU im Jahre 2003 beschreibt. Einmal wurde ein Redakteur von einem ihm bisher unbekannten Mann gefragt, ob er mit der ”SprengZeit" etwas zu tun habe. Als das Redaktionsmitglied bejahte, wurde der bärtige Mann leicht ungehalten. Er hatte sich in der Figur des im Roman auftretenden ”Langzeitstudenten Fasold" wiedererkannt (die Ähnlichkeit war selbstverständlich rein zufällig).

Auf diese Weise schafften wir es, daß die Leute im Fachbereichszentrum nach der Zeitung fragten und wir nicht ausschließlich auf die ständig vermüllenden Zeitschriftenbretter der TU angewiesen waren. Auch in Lehrveranstaltungen oder über das Internet verbreiteten wir das Blatt. Dennoch wollte die Redaktion nicht nur unterhalten oder die Anonymität an den Riesenfachbereichen durch menschelnde Artikel aufweichen. Ihr ging es auch darum, die Verhältnisse an der Universität mitzugestalten. Der kritische Kommentar blieb dafür häufig das einzige Mittel. Doch auch der bewirkte etwas - wie zahlreiche Bekundungen klammheimlicher oder offener Zustimmung von durchaus unvermuteter Seite bezeugten.


© 10/'98 TU-Pressestelle