TU intern - Februar 1998 - Hochschulpolitik
Struktur ohne InhalteZwei studentische AS-Mitglieder kritisieren den Strukturbeschluß des Senats vom 21. Januar | |
Einen Beitrag zum derzeitigen Stand der TU-Strukturreform liefern
an dieser Stelle die studentischen AS-Mitglieder Fabian Klasse
und Roland Schröder. Stellvertretend für die Fachbereichsinitiativen
im AS schreiben die beiden Mitglieder der Reformfraktion, was
sie von der TU-Umstrukturierung und ihrer Umsetzung halten. Kurz
und knapp lautet ihr Eindruck: Mehrheit organisiert, Fachbereiche
ignoriert, Zukunft abserviert.
Jede Hochschule erstellt spätestens bis Ende des Wintersemesters 1997/98 ( ) einen Strukturplan (Hochschulvertrag, §9 (2)). Neun Monate nach Unterzeichnung der Hochschulverträge hat der Akademische Senat (AS) nun eine neue Fachbereichsstruktur beschlossen. Damit hat er einen Schritt zur Erfüllung des Vertrags unternommen - es sind noch viele zu tun, und der TU bleiben noch zwei Monate. Das wird nicht ganz einfach werden, führte doch schon die Strukturdebatte zur Zerreißprobe in der Universität. Nachdem der AS im Sommer Vorgaben beschlossen hatte (und Präsident Ewers gleich noch einen Strukturplan mitgeschickt hatte), nahmen die Fachbereiche Stellung. Vielfach wurde der Wunsch geäußert, allein zu bleiben, es gab aber durchaus auch inhaltlich begründete Vorschläge für Zusammenlegungen. Andererseits wurden die Strukturvorschläge in vielen Fachbereichen vorwiegend unter dem Aspekt der bevorstehenden Verteilungskämpfe mit Zukunftsängsten betrachtet. FACHBEREICHE ÜBERGANGEN Im AS selbst fand sich eine politische Mehrheit für ein Vorgehen, das die Positionen der meisten Fachbereiche überging. Das auf Antrag von Professor Kutzler mit den Stimmen der konservativ-liberalen Fraktion beschlossene Acht-Fakultäten-Modell stellt nicht viel mehr dar als die Addition von Partikularinteressen, wobei einige seiner Befürworter nur aus Fraktionsdisziplin dafür stimmten. Einzelne Mitglieder der Fensterfraktion gaben durchaus zu, sich dem besseren Konzept zu verweigern; sie setzten sich auch über ihre Wähler, Kollegen und Freunde hinweg (z. B. aus den Fachbereichen Mathematik, Physik, Chemie, Umwelt und Gesellschaft, Bauingenieurwesen und Angewandte Geowissenschaften, Verkehrswesen und Angewandte Mechanik). Der Antrag der Reformfraktion vom 21. Januar 1998 übernimmt die Stellungnahmen der Fachbereiche, zumindest die zweiten Prioritäten. Wir sind der Meinung, die TU Berlin kann es sich angesichts der Aufgaben, die vor ihr liegen, nicht leisten, sich in internen Differenzen zu verlieren. Die bevorstehenden Projekte der Verwaltungsreform, der Budgetierung und vieles mehr erfordern eine enge Zusammenarbeit von Fachbereichen, zentralen Gremien, Verwaltung und Präsident. Bedauerlicherweise ist dies durch das Vorgehen der Mehrheitsfraktion bis auf weiteres kaum mehr vorstellbar. FENSTERFRAKTION NICHT INNOVATIV Inhaltlich ist der Vorschlag der Fensterfraktion nicht innovativ. Wir halten unser Konzept einer technischen Universität des 21. Jahrhunderts für international konkurrenzfähig, es greift die Tendenzen der Wissenschaftslandschaft auf und eröffnet verschiedensten Entwicklungen von Forschung und Lehre eine vielversprechende Perspektive. Eine mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät wie im Kutzler-Konzept ist nicht nur wenig originell - sie stellt für ihre Fächer den Stand von 1960 dar -, im Berliner Kontext dürfte sie gegenüber den großzügig ausgestatteten Bereichen an FU und HU das Opfer künftiger Kürzungen werden. Moderne Naturwissenschaften einer technischen Universität forschen und lehren in einem engen Verbund mit ihren Anwendungen. Für Mathematik und Physik scheitert dies an der Weigerung der Partnerfachbereiche 10 (Verkehrswesen und Angewandte Mechanik), 12 (Elektrotechnik) und 13 (Informatik). Eine Zuordnung der Chemie zu den Fachbereichen 6 (Verfahrenstechnik, Umwelttechnik, Werkstoffwissenschaften) und 15 (Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie) wird von allen drei Fachbereichsräten befürwortet. Die TU-Chemie hat insbesondere gegenüber der HU/Adlershof derzeit aus politischen Gründen die geringsten Chancen, ohne weitere schmerzhafte Kürzungen im bisherigen Umfang erhalten zu bleiben. Zu erwartende Kürzungen lassen sich jedoch nur in einem Bereich abfangen, in dem zu anderen Fachgebieten und Studienangeboten zahlreiche Synergien, wie zum Beispiel die Querverbindungen in Biochemie/-technologie, Technischer Chemie/Verfahrens- und Umwelttechnik, Werkstoffentwicklung/-analytik und Lebensmittelchemie/-analytik, bestehen. Die Zusammenlegung verwandter Fachbereiche scheint nicht immer sinnvoll. In den letzten 30 Jahren haben sich - beispielsweise mit den Fachbereichen 7 (Umwelt und Gesellschaft) sowie 10 (Verkehrswesen und Angewandte Mechanik) - neue Disziplinen mit anderen Schwerpunkten gebildet. Sie stellten immer eine Besonderheit in Deutschland dar; waren dabei aber auch ein Beitrag zum eigenständigen und unverwechselbaren Profil der TU Berlin. Eine Zusammenlegung mit den Fachbereichen 8 (Architektur) bzw. 11 (Maschinenbau und Produktionstechnik) scheint kaum geeignet, die Weiterentwicklung dieser bewährten und national wie international anerkannten Angebote zu fördern. KONSEQUENTER FEHLER Ein konsequenter Fehler zieht sich durch das Konzept der Mehrheitsfraktion: Interessen der Fachbereiche werden nur berücksichtigt, wenn sie in zentrale Pläne passen. So verwundert es auch kaum, daß der einzige Fachbereich, der in den Anhörungen der Präsidialkommission erklärte, auf keinen Fall in seiner bisherigen Form weiterbestehen zu wollen, so bleiben soll, wie er ist: der Fachbereich 9 (Bauingenieurwesen und Angewandte Geowissenschaften). Die durch die letzte Strukturreform angestrebte Zusammenarbeit von Bauingenieurwesen, Vermessungswesen und Geowissenschaften findet nicht statt. Die erzwungene Beibehaltung des gemeinsamen Fachbereichs wird kaum ein Miteinander in den kommenden Jahren ermöglichen. Nach dem Beschluß vom 21. Januar könnte sich der AS wenigstens anderen wichtigen Dingen zuwenden; so der Ausstattung der neuen Fachbereiche, der Frage nach den anzubietenden Studiengängen und deren Planjahrgangsstärken sowie der Zahl und Verteilung der Studienplätze. Nach dem Willen des Präsidenten soll diese Arbeit jedoch wieder von einer (neuen) Präsidialkommission geleistet werden, dieses Mal ohne Beteiligung der Studierenden. Sie hat die schwere Aufgabe, mit einer Struktur von 1960 und ausgehend von den vorhandenen Fachgebieten von 1998 eine Vision einer Universität mit den Lehr- und Forschungsfeldern von 2010 zu entwickeln. Des weiteren stimmt bedenklich, daß ein großer Teil ihrer Mitglieder in wenigen Jahren, zum Teil in wenigen Monaten, nicht mehr Mitglieder dieser Universität sein werden. PRÄSIDIALKOMISSION ÜBERFORDERT Mit der neuen Struktur wurden auch vorläufige Fachgebietszahlen mit der entsprechenden Auswirkung auf Studienplatzzahlen beschlossen. Eine Kürzung der Studienplätze in harten NC-Fächern wie beispielsweise der Architektur dürfte angesichts des geringen Abbaus schwach nachgefragter Bereiche (wie z. B. der Chemie) vor den Gerichten kaum Aussicht auf Bestand haben. Eine Begründung für die zum Teil recht ungleichmäßigen Kürzungen ist die Fensterfraktion bislang schuldig geblieben. Bisher hat das Verfahren gezeigt, daß für ein gemeinsames Vorgehen mit den Fachbereichen in der Universität keine Mehrheit im AS besteht. Mit der zweiten Top-Down-Bottom-Up-Schleife dürfte die Präsidialkommission strukturell überfordert sein, angesichts der knappen Zeit ist die Einhaltung des Hochschulvertrags zumindest zweifelhaft. Da jedoch die Mehrheitsfraktion Nachbesserungen in Aussicht stellte, braucht diese Universität jetzt eine interfraktionelle Vereinbarung, um diese schnell vorzunehmen und einen universitären Konsens über die Zukunft der TU Berlin zu schaffen. Fabian Klasse, Roland Schröder © 2-3/'98 TU-Pressestelle [ ] |