TU intern - Februar 1998 - Studium

Studienbüro 2000?

In diesem Jahr läuft der Modellversuch aus - Argumente für die Weiterführung der Studienbüros

Insgesamt neun Studienbüros an zehn Fachbereichen hat die TU Berlin seit 1993 in einem Modellversuch eingerichtet. Bald läuft das Projekt aus. Über Einstellung oder Weiterführung des Projekts entscheidet in den nächsten Wochen der Akademische Senat der Technischen Universität

In Kürze geht die seit 1993 laufende Probephase der Studienbüros an einigen TU-Fachbereichen dem Ende entgegen. Dann laufen die Verträge der Studienbüromitarbeiter und -mitarbeiterinnen aus. Der Akademische Senat wird nun über die Zukunft des Projekts entscheiden. Warum er sich für die Weiterführung der Studienbüros entscheiden sollte, schreiben Christiane Lünskens vom Studienbüro am Fachbereich 14 Wirtschaft und Management und Rebekka Orlowsky vom Studienbüro am Fachbereich 2 Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften.

Der Modellversuch vor der Entscheidung: Wird der Modellversuch Studienbüros als dauerhafte Einrichtung an den Fachbereichen etabliert, oder endet dieses Kapitel Studienreform mit dem Auslaufen der 5-Jahres-Verträge der Kolleginnen und Kollegen? Der Akademische Senat wird in einer seiner nächsten Sitzungen hierüber befinden. Grundlagen für eine positive Entscheidung gibt es genügend. Außer den Zwischen- und den aktuellen Tätigkeitsberichten der Studienbüros liegen die Ergebnisse der externen Evaluation von 1995 durch das Bayerische Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung vor. Hinzu kommen die Dokumentation des vielbeachteten Symposiums der Studienbüros im Januar 1996, eine Reihe regionaler und überregionaler Pressestimmen und verschiedene Veröffentlichungen von Studienbüromitgliedern zum Modellversuch. Ob jedoch die Leistungen des Modellversuchs zum alleinigen Kriterium der Entscheidung werden, ist fraglich, da sie ebenfalls von politischen und finanziellen Erwägungen beeinflußt sind.

Eine Idee setzt sich durch: Die Idee für den Modellversuch entstand Anfang der 90er Jahre im Zusammenhang mit der Strukturreform an der TU Berlin. In der Diskussion wurde eine bloße Reorganisation der Fachbereiche von 22 auf 15 als unzureichend angesehen. Studierende befürchteten eine massive Verschlechterung der Studienbedingungen und auch eine Minderbeteiligung in den universitären Gremien. Gefordert wurde statt dessen eine inhaltliche Strukturreform und handfeste Maßnahmen zur Verbesserung von Studium und Lehre. Als Ergebnis dieses Prozesses faßte der Akademische Senat der TU Berlin - ausgehend von einem Konzept der Kommission für Lehre und Studium (LSK) - Ende 1993 den Beschluß zur Einrichtung von Studienbüros. Ende 1993 wurde die Umsetzung des Modellversuchs in die Wege geleitet. Studienbüros sollten in zwei Phasen an denjenigen Fachbereichen installiert werden, die einen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Zum 1. Oktober 1993 nahmen an den Fachbereichen 2 (Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften), 6 und 10 (Verfahrenstechnik, Umwelttechnik, Werkstoffwissenschaften; Verkehrswesen und Angewandte Mechanik), 13 (Informatik) und 14 (Wirtschaft und Management) die Studienbüros der 1. Phase ihre Arbeit auf. Im Juli 1994 folgte nach neunmonatiger Verzögerung das Studienbüro am Fachbereich 8 (Architektur). Der Start der für die Studienbüros der 2. Phase an den Fachbereichen 1 (Kommunikations- und Geschichtswissenschaften), 7 (Umwelt und Gesellschaft), 9 (Bauingenieurwesen und Angewandte Geowissenschaften) und 15 (Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie) war ursprünglich für April 1994 geplant. Aufgrund des Einstellungsstopps wurden die Büros jedoch erst Mitte 1995 mit ein bis zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt.

Profilbildung in den Studienbüros: Leitgedanke für die Arbeit aller Studienbüros war und ist die ”Verbesserung von Studium und Lehre in den von ihnen zu betreuenden Studiengängen". Die konkreten Arbeitsaufgaben haben sich an den einzelnen Fachbereichen unterschiedlich ausgeprägt. Bestimmend hierfür war neben den jeweils spezifischen Anforderungen der Fachbereiche auch der Umstand, inwieweit den Studienbüros die Möglichkeit zugebilligt wurde, eigenständig Aufgabenprofile zu entwickeln.

So wird in einigen Büros vorrangig konzeptionell gearbeitet, in anderen stehen Service und die Vermittlung studienbezogener Informationen im Vordergrund. oder Evaluationsprojekte im Vordergrund.

Erfolge und Schwierigkeiten: Die wichtigste Frage lautet nach vier Jahren Modellversuch mit Blickrichtung auf die anstehende Entscheidung des Akademischen Senats: Was hat es Studierenden, Lehrenden und Fachbereichen bisher gebracht, sich ein Studienbüro zu leisten?

Nehmen wir ein paar kritische Aspekte vorweg. Einschränkend für die konzeptionelle Arbeit erwies sich in einigen Fachbereichen die fehlende Ausstattung der Studienbüros mit Verwaltungskräften. Wissenschaftliche Arbeitskraft und -zeit wurden durch Verwaltungs- und Bürotätigkeiten gebunden. Dort, wo es in der fachbereichsbezogenen Studienberatung an studentischen Hilfskräften mangelte, führte dies zu einer unbefriedigenden weil überproportionalen Beratungs- und Serviceausrichtung der Studienbüros. Wünschenswert im Hinblick auf eine Nutzung der Potentiale des Studienbüros und eine kreative Arbeitsgestaltung wäre an manchen Fachbereichen eine selbstbestimmtere Profilbildung gewesen. Auch hinsichtlich ihrer Reformfreudigkeit sind zwischen den Fachbereichen Unterschiede zutage getreten.

Im Ergebnis bleibt trotz der erwähnten Kritikpunkte festzuhalten, daß sich die Studienbüros aus unserer Sicht auf einem breit entwickelten Aktivitätsspektrum zu Initiatoren, Förderern und Katalysatoren prozessualer struktureller Veränderungen im Bereich Studium und Lehre profiliert haben.

Spürbar verbessert haben die Studienbüros die Beratungs- und Serviceangebote für Studierende. Die Palette reicht von Studieninformationsmaterialien, Infotheken und Serviceetagen über Einführungstage für Erstsemester, Veranstaltungen zur Berufsorientierung oder zu Studienproblemen bis hin zu persönlicher Studien- und Konfliktberatung. Die Studienbüros haben sich auch als Orte des Austausches zwischen allen Fachbereichsmitgliedern über Zielsetzungen oder Fragen des Studien- und Lehralltags etablieren können. Um die Studien- und Lehrsituation zu verbessern, mußten zuerst einmal die Schwachstellen aufgespürt und analysiert werden. So sammeln die Studienbüros beispielsweise Daten zur Entwicklung in den einzelnen Studiengängen, sie entwickeln und erproben Fragebögen zu Selbstevaluation von Lehrveranstaltungen, organisieren und moderieren Besprechungen mit Lehrenden. Auf zentraler Ebene engagieren sie sich nachdrücklich für die Errichtung eines funktionalen Lehrberichtswesens. Die Ergebnisse dieser quantitativen und qualitativen Evaluationen münden in den Fachbereichen u.a. in Maßnahmen zur Verbesserung des Lehr- und Prüfungswesens oder werden für die Entwicklungsplanung herangezogen. Studiensekretärinnen und -sekretäre haben die Koordination von Lehre übernommen. Sie schulen Tutorinnen und Tutoren, sind mit der Prüfungsorganisation und der Kooperationsförderung zwischen den Fachgebieten betraut. An der Optimierung der formalen und rechtlichen Rahmenbedingungen des Studiums wie der Novellierung von Studien-und Prüfungsordnungen haben die Studienbüros in enger Zusammenarbeit mit den Ausbildungskommissionen maßgeblichen Anteil. Auch durch die Förderung, Begleitung und Initiierung von Studienreformprojekten wurde die Innovation von Lehre und Studium vorangetrieben. Die Ergebnisse konnten inzwischen - wie im Fall des Projektes zum Berufsschullehrer- und -lehrerinnenstudiums - in die überarbeiteten Teilstudienordnungen integriert werden. An der Weiterentwicklung von Studiengängen sind die Studienbüros fachbereichsbezogen undan der zentralen Diskussion um integrierte Studiengänge beteiligt. Studienbüromitarbeiterinnen leisten einen unmittelbaren Beitrag zur qualitativen Verbesserung von Lehre durch gezielte Veranstaltungsangebote an Studierende und Weiterbildungsveranstaltungen für den akademischen Mittelbau. Von den Studiensekretären und -sekretärinnen erfordert diese Arbeit neben Sach- und Fachkenntnissen, Engagement und Kreativität, Belastbarkeit, Kommunikations-, Kooperations-, Moderations- und Integrationsfähigkeit zuweilen auch ein gehöriges Maß an Auseinandersetzungs- und Beharrungsvermögen sowie den Mut, auch mal ”zwischen allen Stühlen zu sitzen". Im Studienbüro zu arbeiten ist kein einfacher ”Job", aber er kann spannend sein.

Die Zukunft der Studienbüros: Vor dem Hintergrund der geplanten Reform der Verwaltungsstruktur an der TU Berlin erhält der AS in seiner Entscheidung über die Zukunft der Studienbüros zusätzliche Argumente für ein positives Votum. Zu fragen ist: worin liegen die Leistungspotentiale von Studienbüros unter den Bedingungen einer sich strukturell verändernden Universität? Andersherum gefragt: Welche Konsequenzen hätte es, wenn es die Studienbüros nicht mehr gäbe?

Ohne eine konkrete und konzentrierte Zuständigkeit für die Belange von Studium und Lehre bliebe es der mehr oder minder beliebigen Initiative Einzelner und damit dem Zufall überlassen, Reformen anzuregen und voranzutreiben. Mit der Auflösung der Studienbüros wären auch die Kontinuität und Weiterentwicklung des auf breiter Ebene in Gang gesetzten inhaltlichen Reformprozesses in Gefahr. Mehr noch: Die im Laufe der letzten vier Jahre in den einzelnen Fachbereichen gesammelten Erfahrungen und das konzentrierte und durch den Austausch der Studienbüros untereinander vernetzte strukturelle Wissen gingen verloren. In diesem Wissen aber liegt ein Potential, das dazu dienen könnte, an den zentralen Knotenpunkten anzusetzen, Strategien für die Entwicklung von Strategien für eine nachhaltige Verbesserung zu entwickeln und damit die TU auf dem Weg zur ”excellence" auf Reformkurs zu halten.

1993 wurden die Studienbüros eingerichtet, um Reform nicht zu bloßer Reduktion verkommen zu lassen. Vier Jahre danach steht die TU Berlin vor einer ähnlichen Entscheidung. Die Studienbüros deuten die Tatsache, daß in dem Präsidialpapier zur Reform der Verwaltungsstruktur an den Fachbereichen ein bis zwei Stellen für den Bereich Studium und Lehre ausgewiesen sind, als positives Zeichen für die Einsicht in die Unverzichtbarkeit einer Einrichtung, die den inhaltlichen und strukturellen Innovationsprozeß unter dem Leitbild eines ”guten Studiums" systematisch und kontinuierlich vorantreibt. Dabei sollte das Aufgabenspektrum die Aspekte Evaluation, Planung, Organisation, Moderation, Profilbildung, Weiterbildung, Öffentlichkeitsarbeit, Administration und Service umfassen. Studienbüros als dezentral in den Fachbereichen angesiedelte Stabsstellen wären hierfür die geeignete Instanz.

Christiane Lünskens, Rebekka Orlowsky


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