TU intern - Februar 1998 - Wissenschaft

Flinker Weltraumwürfel mit guten Augen

Im September soll der dritte TU-Satellit seinen Weg ins All antreten

Voraussichtlich im September wird erneut ein Kleinsatellit ins All starten, der an der TU Berlin entwickelt wurde. ”DLR-TUBSAT" wäre damit der dritte TU-Satellit im Orbit. Mit einer indischen Trägerrakete soll er auf eine Umlaufbahn in 720 Kilometer Höhe transportiert werden und dort Videobilder der Erdoberfläche aufnehmen. Der Satellit ist eine TU-Produktion, seine Nutzlast - eine weltraumtaugliche Kamera - wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt, das auch den Raketenstart bezahlte.

Professor Udo Renner vom Institut für Luft- und Raumfahrt mit dem jüngsten Sproß der TUBSAT-Familie: Der Kleinsatellit DLR-TUBSAT wurde wie seine Vorgänger von Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern gebaut. Die Spezialität des DLR-TUBSAT ist seine Kamera mit drei Objektiven

Auf den ersten Blick ist er ein kleiner, eher unscheinbarer Würfel: 32 Zentimeter Kantenlänge, 45 Kilogramm Gewicht. Aber er ist vollgepackt mit moderner Weltraumtechnik. DLR-TUBSAT heißt der dunkle, mit Solarzellen bedeckte Kasten, der zur Zeit im Institut für Luft- und Raumfahrt an der Marchstraße steht. Er ist der dritte einer Reihe von Kleinsatelliten, die unter der Leitung von Professor Udo Renner in den vergangenen Jahren entwickelt wurden.

BEMERKENSWERT GUTE AUGEN

Der jüngste Sproß der TUBSAT-Familie hat ein besonderes Talent: Er hat bemerkenswert gute Augen. In den drei Vertiefungen, die in einer der Wände zu sehen sind, stecken ein Weitwinkel-, ein Normal- und ein Teleobjektiv, die mit einem Videogerät im Inneren verbunden sind. Wenn DLR-TUBSAT wie geplant im September ins All startet, wird er damit aktuelle Fotos und Videos der Erdoberfläche liefern.

Der schwarze Würfel eignet sich zum Beispiel zur Beobachtung von Feuerkatastrophen, wie sie vor einiger Zeit in Australien auftraten: Bei einem Steppenbrand, so Renner, sind Übersichtsaufnahmen von Flugzeugen aus häufig unmöglich; hier könnte TUBSAT mit seinen Filmaufnahmen helfen. Der Kleinsatellit könnte auch Vulkanausbrüche beobachten und Schiffahrtswege kontrollieren, die durch Eisgang gefährdert sind. Denkbar ist auch die Teilnahme an Rettungsaktionen bei Schiffsunglücken.

Eine Suche nach Schiffbrüchigen würde so aussehen, daß TUBSAT zunächst mit dem Weitwinkelobjektiv nach Rettungsbooten oder Lichtern Ausschau hält. Mit den beiden anderen Objektiven kann man dann genauere Aufnahmen erhalten, bis zu einer Auflösung von sechs mal sechs Metern. In diesem Fall bilden die 600 mal 800 Bildpunkte des Videogeräts eine Bildfläche von ungefähr vier mal fünf Kilometern ab. ”Nimmt man eine Stadt auf, kann kann man noch Häuser und Straßen sehen", beschreibt Udo Renner, ”Autos erkennt man nur noch, wenn sie Licht anhaben."

Die Stärke des DLR-TUBSAT liegt darin, daß er im Gegensatz zu herkömmlichen Erdbeobachtungssatelliten sehr schnell Bilder von jedem Ort der Erde liefern kann. ”Sehr schnell" heißt in diesem Zusammenhang: innerhalb von 24 Stunden.

Möglich wird das durch seinen Weg im Orbit: DLR-TUBSAT umrundet die Erde nämlich in einer Bahn, die ihn über den Nord- und Südpol führt. Die Flugbahn ist leicht gedreht, so daß seine Route um die Erde herum, dem Weg eines Fadens auf einer Garnrolle ähnelt. Die Bahn ist zudem so, daß sich der Satellit ”sonnensynchron" bewegt. Das heißt, er fliegt immer auf der Achse zwischen Erde und Sonne: Ist er auf der der Sonne zugewandten Erdseite, dann ist die Ortszeit unter ihm 12 Uhr mittags; fliegt er über den Südpol auf die der Sonne abgwandte Seite, so ist es unter ihm mit einem Schlag Mitternacht.

Die Geschwindigkeit für seine Erdumrundungen ist enorm: Sie beträgt 7,5 Kilometer pro Sekunde - 24fache Schallgeschwindigkeit! Damit braucht er nur hundert Minuten für eine volle Erdumrundung. Wegen dieses enormen Tempos müssen die Satellitenkameras während der Videoaufnahme so nachgeführt werden wie bei einem Fotografen, der ein schnelles Auto aufnehmen will, ohne daß es auf dem Foto verwischt.

ORIENTIERUNG PER STERNENSENSOR

”Die Bewegung des Satelliten entsprechend genau zu steuern, war eine der großen technischen Herausforderungen für uns", betont TUBSAT-Spezialist Renner. Dazu verwenden die Wissenschaftler einen ”Sternensensor", eine kleine Kamera auf der Satellitenrückseite, die Sternenbilder identifiziert und damit die Lage des Satelliten bestimmt. Notwendige Drehungen werden durch kleine Schwungräder im TUBSAT-Inneren bewirkt. Sie werden mit Elektromotoren bewegt und sorgen dafür, daß sich der fliegende Würfel präzise dreht. Auf diese Weise werden auch die Kamerablickwinkel verstellt, je nachdem ob man z. B. eine Draufsicht auf den Berliner Tiergarten oder eine schräge Panoramaaufnahme der Alpensilhouette haben will. Schwungradsteuerung und Sternensensor sind in der Satellitentechnik nichts Neues, waren aber bisher nicht in diesem kleinen Maßstab erhältlich, so daß die TU-Wissenschaftler die Kleinbauteile und die notwendige Software selber entwickeln mußten.

”Wenn wir ein aktuelles Bild von irgendeinem Ort der Erde benötigen", erklärt Udo Renner, ”dann funken wir DLR-TUBSAT an, sobald er das nächste Mal in unserem Sendebereich fliegt." Wenn der Satellit danach nah genug an der aufzunehmenden Stelle vorbeikommt, macht er seine Aufnahmen.

Standbilder speichert DLR-TUBSAT als Datei ab und liefert sie beim Vorbeiflug an der nächsten erreichbaren Empfangsstation am Boden ab. Videobilder dagegen übertragt er live über eine kleine Sendeantenne. Da die Antenne wie die Kameras ausgerichtet ist, ist eine Empfangsstation nötig, die maximal fünfhundert Kilometer vom Filmort liegen darf. Sie kann die TUBSAT-Bilder empfangen und zum Beispiel an eine Fernsehstation oder einen anderen Auftraggeber senden.

Wer sich nahe genug an einem Filmort befindet, braucht zum Empfang eine mindestens drei Meter große Parabolantenne sowie ein paar technische Kenntnisse zum Empfang von Funksignalen. Für den Besitzer einer handelsüblichen TV-"Satellitenschüssel" werden die TUBSAT-Bilder kaum eine Rolle spielen. ”Es kommen eher fortgeschrittene Funkamateure in Frage", so die Einschätzung von Udo Renner.

PREISWERTES PROJEKT

Die ”fliegende Kamera" wie Renner den Kleinsatelliten auch nennt, ist ein Gemeinschaftswerk von TU Berlin und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Renner und sieben wissenschaftliche Mitarbeiter bauten den ”Satellitenbus", also das Gehäuse, die Steuerungsapparaturen sowie die Funkeinrichtung. Das DLR-Institut für Weltraumsensorik in Berlin-Adlershof entwickelte die Optik und Videoapparatur - übrigens unter der Leitung von Hans-Peter Röser, der an der TU Berlin eine Sonderprofessur für Weltraumsensorik hat. Die Kosten des Kleinsatelliten - 400000 Dollar für den Raketentransport und ungefähr den gleichen Betrag für Material und Arbeit in Adlershof - trägt das DLR. Das TU-Team steuerte im Gegenzug seine Arbeitsleistung kostenlos bei. Im Vergleich zu den herkömmlichen, viele Millionen teuren Satelliten, ein preiswertes Projekt.

Ein weiterer Vorteil, so Renner, ergibt sich aus den geringen Kosten: ”DLR-TUBSAT ist bereits bei seinem Start bezahlt." Das heißt er muß nicht, wie seine kommerziellen Kollegen am Himmel, die Kosten schnellstmöglich wieder hereinbringen. Statt dessen kann der Weltraumwürfel in 720 Kilometer die Erde umkreisen und auf interessierte Auftraggeber warten.

René Schönfeldt


Mehre Tausend Satelliten kreisen um die Erde. Zwei von ihnen gehören zur TUBSAT-Familie, einer Reihe von Kleinsatelliten, die im Institut für Luft- und Raumfahrt der TU Berlin entwickelt wurden:

TUBSAT-A startete 1991 ins All und übermittelt seitdem Daten von mobilen Kommunikationsgeräten. Expeditionsteilnehmer mit der entsprechenden Funkausrüsutung können z. B. kurze Textnachrichten an TUBSAT-A schicken, der sie dann an anderer Stelle an eine Bodenstation weiterleitet; mit Sendegeräten ausgestattete Hirsche zeigen TUBSAT-A, wohin sich ihre Herde bewegt; Beobachtungsbojen im Meer leiten Meßdaten über den Satelliten an entfernte Forschungsstationen.

TUBSAT-B wurde 1994 in den Orbit geschickt. Mit einer Kamera ausgerüstet sollte er Fotos von der Erde liefern. TUBSAT-B hatte aber weniger Glück als sein Vorgänger: Nach nur 39 Tagen verstummte die Funkverbindung aus ungeklärten Gründen; seitdem kreist er stumm um die Erde.

DLR-TUBSAT soll im September 1998 auf einer indischen Rakete starten. Die Nutzlast - eine weltraumtaugliche Optik inklusive Videoaufnahmetechnik - wurde von dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt. Den eigentlichen Satelliten inklusive Steuerung und Funkausrüstung bauten die TU-Forscher.

Maroc-TUBSAT ist der Arbeitstitel für das jüngste TUBSAT-Projekt. Wie beim DLR-TUBSAT bauen die TU-Forscher den Satelliten; die Nutzlast wird eine in Marokko hergestellte Kamera zur Erdbeobachtung sein. Dieser Satellit soll ebenfalls im September 1998 starten und wird der erste Satellit des Königreichs Marokko sein.

Studentinnen und Studenten, die Lust bekommen haben, sich praktisch mit Satelliten zu beschäftigen, können das im kommenden Sommersemester in der Vorlesung ”Satellitentechnik" von Professor Udo Renner tun. Die Veranstaltung richtet sich an angehende Luft- und Raumfahrttechniker und auch an interessierte Informatiker, Hochfrequenztechniker, Physiker und Maschinenbauingenieure. Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden an den Startvorbereitungen des DLR-TUBSAT beteiligt. Weitere Infos bei Udo Renner, Tel. 314-2 23 08.

SATELLITEN GANZ NAH /rs/ ”Schwerelos" schweben sie im All, Hunderte von großen und kleinen Satelliten und dienen der Nachrichtenübermittlung und der Fernerkundung. Ihnen ist die Ausstellung ”Schwerelos" gewidmet, die noch bis zum 15. März im Museum für Post und Kommunikation Berlin zu sehen ist. Die Ausstellung informiert anhand von Modellen über Technik, Funktionsweise und Anwendung von Satelliten in der Kommunikation, der Navigation, den Medien und der Forschung. Museum für Post und Kommunikation, An der Urania 17, dienstags bis sonntags, 9 bis 17 Uhr. Eintritt frei.


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