STUDIUM

Punkte für das Europastudium

Wie überträgt man Studienleistungen von Uni zu Uni?


Wer sein Studium an verschiedenen europäischen Hochschulen absolvieren möchte, kennt das leidige Problem der Anerkennung: Wie stellt man sicher, daß eine Studien- oder Prüfungsleistung an der Universität X auch an der Hochschule Y berücksichtigt wird? Hilfe verspricht das European Credit Transfer System ECTS, das im Rahmen des ERASMUS-Programms seit 1988 erprobt wird. An der TU Berlin gibt es bereits in der Chemie und den Wirtschaftswissenschaften ECTS-Regelungen. Demnächst sollen auch Physik, Mathematik, Umwelttechnik, Geisteswissenschaften sowie die Verfahrens- und Elektrotechnik festlegen, wieviel ECTS-Punkte ihre einzelnen Veranstaltungen wert sein sollen. Was ECTS-Punkte aussagen und wie man sie festlegt, erklärt Dr. Carola Beckmeier vom Akademischen Auslandsamt:

Im Rahmen des ERASMUS-Programms ist 1988/89 ein Pilotprojekt eingeführt worden, das Mechanismen zur Bewertung und Übertragung von Studienleistungen an ausgewählten Universitäten entwickeln und erproben sollte: das European Credit Transfer System ECTS. Insgesamt nahmen 145 Hochschulen in fünf Disziplinen (Betriebswirtschaft, Chemie, Geschichte, Maschinenbau und Medizin) teil. Die Technische Universität Berlin gehört im Fachbereich Chemie von Anfang an zum "inner circle" des ECTS-Pilotprojekts.

ECTS erfordert weder eine Veränderung noch eine Harmonisierung der Studiengänge. ECTS tritt neben die bestehenden Studienordnungen, hebt diese jedoch nicht auf. Die Zusammenarbeit und die curricularen Absprachen zwischen gleichrangigen Hochschulen werden durch das Punktesystem nicht ersetzt, jedoch wird die Akzeptanz von im Ausland erbrachten Studienleistungen wesentlich erleichtert. Für ausländische Studierende an deutschen Hochschulen ist es beispielsweise nach wie vor schwierig zu durchschauen, was sich hinter den hier üblichen "Semesterwochenstunden" verbirgt.

60 PUNKTE PRO STUDIENJAHR

Zur Umsetzung von ECTS wird der Studienaufwand für eine Lehreinheit durch die Zuordnung von Punkten bewertet. Der gesamte Studienaufwand ist willkürlich auf 60 Punkte pro Studienjahr, 30 Punkte pro Semester und 20 Punkte pro Trimester festgelegt. Da es keine starren Vorschriften für die Zuordnung von Punkten zu Lehreinheiten gibt, kann es je nach Hochschule und Studiengang Unterschiede bei der Vergabe von Punkten geben. Es kristallisieren sich zur Zeit zwei Vorgehensweisen heraus, einerseits aufgrund der gültigen Studienordnungen, andererseits nach effektivem Studienaufwand.

Bei der Ausweitung von ECTS auf andere Fachbereiche (an der TU Berlin waren dies zunächst die Wirtschaftswissenschaften) wurde z. B. folgende Formel angewendet:

Maßstab für die Vergabe von 60 Kreditpunkten pro Jahr ist der in der jeweiligen Studienordnung für den Studiengang festgelegte (Regel-) Studienumfang pro Jahr, (Arbeitsaufwand, nicht Anforderungsniveau!). Geht man davon aus, daß für das Hauptstudium 80 Semesterwochenstunden veranschlagt werden, die in der Regel in 4 Semestern plus 3 Monate (1 Trimester) für die Diplomarbeit absolviert werden, ergibt dies 140 Kreditpunkte. Dividiert man 140 wiederum durch 80 (Semesterwochenstunden), erhält man einen Gewichtungsfaktor von 1,75 pro Semesterwochenstunde. Die Punkte für die einzelnen Lehrveranstaltungen werden dann dadurch bestimmt, daß die Semesterwochenstunden der jeweiligen Lehreinheit mit 1,75 multipliziert werden. Eine ähnliche Rechnung läßt sich auch für andere Fachgebiete aufstellen und damit relativ einfach eine Übersetzung von Semesterwochenstunden in Punkte erreichen.

Das Problem bei dieser Zuordnung ist, daß es sich um reine Lehrer-Kontakt-Punkte handelt, Prüfungsvorbereitungen und Hausarbeiten bleiben bei diesem Modell unberücksichtigt. Will man die Kreditpunktzahl nach effektivem Studienaufwand ermitteln, müßte der Vor- und Nachbereitungsaufwand pro Stunde einer Lehreinheit mitberechnet werden. Dieser ist sicher je nach Lehrveranstaltungsart (Vorlesungen, Seminare, Übungen, Praktika etc.) unterschiedlich. Ein Vorschlag wäre, zu dem oben ermittelten Wert von 1,75 in begründeten Fällen einen Vor- und Nachbereitungsfaktor von 0,5 zu addieren.

Aufgrund der langwierigen Überzeugungsarbeit und der anhaltenden Skepsis gegenüber ECTS hat die TU Berlin beschlossen, schrittweise in weiteren Bereichen das ECTS- Punktesystem einzuführen. Zunächst soll mit Physik, Mathematik, Umwelttechnik, den Geisteswissenschaften und der Verfahrens- und Elektrotechnik begonnen werden. Danach sollen auch andere Disziplinen einbezogen werden.

Carola Beckmeier


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