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Was sagt der Waldschadensbericht?
Alle Jahre wieder, seit 1984, gibt die Bundesregierung den deutschen Waldschadensbericht heraus. Zuletzt im vergangenen Dezember. Auch dieses Mal sind die Nachrichten alles andere als beruhigend. Denn den Wäldern in Deutschland geht es nicht gut: Nach den neuesten Zahlen ist jeder fünfte Baum deutlich geschädigt, 30 Prozent sind leicht geschädigt. Darüber hinaus ist der Bericht wegen seiner Methodik schon lange in der Kritik: Bisher wurden nur einzelne Bäume danach beurteilt, ob ihr Laub- oder Nadelkleid Lücken aufweist und ob es eine gesunde grüne Farbe hat. TU intern sprach über Inhalte, Methoden und Konsequenzen des Waldschadensberichts mit Hartmut Kenneweg vom Institut für Landschaftsentwicklung. Kenneweg ist habilitierter Forstwissenschaftler und Professor für das Fachgebiet Landschaftsplanung, insbesondere Landschaftspflege und Naturschutz. Herr Kenneweg, was beunruhigt Sie am neuen Waldschadensbericht am meisten? Beunruhigend ist vor allem die Tatsache, daß eine Zunahme der Schädigungen am Laubholz, insbesondere an der Eiche festzustellen ist. Von den meisten Ökologen wird vorgeschlagen, beim Waldumbau die vermeintlich instabilen Nadelholzmonokulturen, in Brandenburg besonders der Kiefer, durch die standortgerechten und nunmehr leider nur vermeintlich stabileren einheimischen Laubholzarten, insbesondere die Eiche zu ersetzen. Dieses im Grunde ökologisch plausible Konzept wird durch die gegenwärtigen Befunde zunehmend fragwürdig. Sie gehören seit vielen Jahren zu den Kritikern des Waldschadensberichts: Was bemängeln sie daran? Das heute immer noch praktizierte Erhebungsverfahren ist 1983/1984 als eine Inventur für die Gewinnung einer einmaligen, raschen Übersicht konzipiert worden. Es eignet sich nur sehr eingeschränkt für längerfristige Veränderungsnachweise. Es bezieht sich auf jeweils 24 Bäume in der Umgebung eines jeden "Sollmeßpunkts". Seine statistische Repräsentativität erstreckt sich auf "Bäume", nicht auf Waldflächen. Daß dies nicht das gleiche ist, mag damit erläutert werden, daß in Jungbeständen oft über 10000 Bäumchen auf einem Hektar stehen, von denen in reifen Altbeständen manchmal weniger als 100 übrig sind. Wald ist ein dynamisches System. Es gibt eine Reihe von weiteren kleinen Verfahrensmängeln, die hier aus Platzgründen nicht im Detail erläutert werden können. Gesagt werden sollte noch, daß eine ungewollte Verlichtung der Waldbestände und eine verminderte Lebenserwartung von Baumpopulationen mit dem gegenwärtigen Erhebungsverfahren nicht adäquat berücksichtigt werden. Was sollte geändert werden? Der Indikator "Laub- oder Nadelverlust" ist unspezifisch, d. h. er gibt kaum einen Hinweis auf Ursachen. Es sollten weitere Indikatoren, vor allem über Böden und Stoffkreisläufe erhoben werden, die es erlauben, nicht nur die Tatsache einer Schädigung, sondern auch die Ursachen festzustellen. Verfahren, die Bestandesverlichtungen in ihrem zeitlichen Verlauf feststellen können und eine Verdichtung des Stichprobennetzes an erkennbaren Schadensschwerpunkten zulassen, wurden bereits entwickelt; sie beruhen beispielsweise auf Luftbildinterpretation. In den Waldschadens-Berichten der letzten Jahre wurde auch über derartige Inventuren bereits berichtet. Sie können jedoch nicht jährlich repräsentativ für ganz Deutschland durchgeführt werden. Welche Bedeutung haben die jährlichen Waldschadensberichte: Werden aus ihren Beobachtungen Konsequenzen gezogen? In den ersten Jahren haben die Waldschadensberichte durchaus Impulse zur Verminderung der Schadstoffemissionen gegeben. Der Bau von Entschwefelungsanlagen an Industrieanlagen und die Einführung von Kraftfahrzeugkatalysatoren waren durch die Waldschadensbesorgnis zumindest mitbestimmt. Können Sie einschätzen, wie sich die Lage der Wälder in Deutschland in Zukunft entwickeln wird? Rasche Veränderungen zum Guten hin sind nicht zu erwarten. Bodenversauerung und Nährstoffauswaschung durch Schadstoffeinträge über die Luft als wichtige Schadensursachen entstehen langfristig und können nur durch langfristig-nachhaltige Verbesserung der Immissionssituation verbessert werden. Viele Böden sind irreversibel geschädigt, die Ökosysteme nachhaltig destabilisiert. Weil rasche Veränderungen nicht zu erwarten sind, gibt es neuerdings auch Bestrebungen, den Turnus der Waldschadenserhebung auf drei Jahre zu verlängern. Welche Konsequenzen ziehen Sie persönlich aus dem Bericht '97 und dessen Vorgängern? Einerseits bleibe ich an dem Forschungsthema "Waldschadensinventuren" interessiert und engagiert. Andererseits benutze ich persönlich in der Stadt und für Fernreisen von Stadt zu Stadt ganz überwiegend öffentliche Verkehrsmittel und/oder das Fahrrad und beschränke die private Kraftfahrzeugbenutzung auf Fahrten mit viel Gepäck, mehreren Personen bzw. solche in ländliche Gebiete mit schlechter Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Vermeidung nicht unbedingt erforderlicher PKW-Benutzung kann ich auch weiterempfehlen. Man schont nicht nur die Umwelt, sondern spart oft auch noch Zeit.
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