TU intern - Juli 1998 - Vermischtes

(R)ausgekickt …

Nach einer kleinen Ewigkeit von 33 Tagen ist die Fußballweltmeisterschaft nun vorbei. Endlich, werden die von der medialen Dauerberieselung Zermürbten sagen - die Fußballmuffels sowieso. Und was ist geblieben? Auf jeden Fall eines: Die deutsche Nationalmannschaft ist ein Spiegelbild der Gesellschaft - jedenfalls in Sachen Durchschnittsalter. Nie waren die Deutschen mit einer älteren Mannschaft (Durchschnitt: 30 Jahre) bei einer WM angetreten und nie waren die Deutschen älter als heute: im Schnitt 40 Jahre. 1965 waren es noch 36 Jahre. Angesichts des Stillstands, der in der Gesellschaft und auch im Fußball herrscht, sehen einige Kommentatoren Fußball schon als einen gesellschaftspolitischen Indikator.

Wie auch immer, unsere Nachbarn hat es anscheinend gefreut, daß die Deutschen, die scheinbar Unbezwingbaren, der Schrecken aller Fußballästheten, frühzeitig gescheitert sind. Nahezu genüßlich lästerte die englische BBC über die deutsche Altherrenriege, denen die typisch deutschen Eigenschaften wie Fleiß, Kampfgeist und unerschütterlicher Siegeswillen nicht zum Erfolg reichten. Auch Helmut Kohl müßte die Niederlage nachdenklich gestimmt haben. Erstmals verloren die deutschen Kicker in Anwesenheit des Bundeskanzlers ein Match. Ist das Glück nicht mehr mit ihm? Apropos Glück, das war wohl das am meisten strapazierte Wort im Zusammenhang mit Bertis Buben: Glück gegen Jugoslawien und Mexico, kein Glück gegen die Kroaten. C' est la vie, würden die Franzosen sagen, nicht aber die Deutschen. Der Deutsche - in der Person von Bundes-Berti - schmollt und bastelte an seiner ganz persönlichen ”Dolchstoßlegende": Man wolle Deutschland den Erfolg wohl nicht gönnen, diese bösen Schiedsrichter und diese ungerechten Entscheidungen und immer gegen die Deutschen, bricht es aus dem Bundestrainer heraus. Hoppla, eine Weltverschwörung? Will da jemand den uns rechtmäßig zustehenden ”Platz an der Sonne" verweigern? Größe hätte man sich bei solch einer Niederlage gewünscht, ein anerkennendes Wort für den siegreichen Gegner. Und was haben wir? Eine durchschnittliche Kicker-Elite mit einem Übungsleiter, der den schlechten Verlierer markiert. Alles ziemlich traurig - trotzdem kann ich es kaum erwarten, daß die nächste WM losgeht.

cho


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