TU intern - Juli 1998 - Studium

Abenteuer Moskau

Russischsprachreise in die Stadt der Gegensätze

Unzählige Kirchen mit ihren goldglänzenden Kuppeln, Kreml und Roter Platz gehören ebenso zu Moskau wie Busfahrer, die schnell etwas selbst reparieren, bevor es weitergeht und McDonalds
”Hast Du denn keine Angst, nach Moskau zu fahren - wegen der Mafia und so ..?" wurden die meisten von uns mehr als einmal gefragt, als wir von der bevorstehenden Reise nach Moskau erzählten. Natürlich hat man erst mal abgewunken, obwohl es für viele die erste Reise nach Rußland war, und sie selber wahrscheinlich nicht viel mehr wußten, als daß wir mit einer Gruppe von 17 Studenten für vier Wochen im März am Puschkin-Institut an einem Russischkurs teilnehmen würden, der von der Zentraleinrichtung Moderne Sprachen organisiert wurde.

Am Puschkin-Institut in Moskau kamen wir nach einer 32 stündigen Zugfahrt am 2. März frühmorgens an, bezogen unsere 2-Bett-Zimmer im Institutsinternat und bekamen auch gleich unseren Stundenplan in die Hand gedrückt. Die zwei bis drei Doppelstunden (80 Min.) pro Tag waren gefüllt mit Grammatik, Phonetik, Landeskunde, russischen Filmen, Liedern (”linguistisch-musikalischer Kurs") oder einfach Konversation. Der durchorganisierte Ablauf mag zunächst verwundern, aber bei mehreren ausländischen Studenten ist das einfach notwendig. Auf dem Weg zum Unterricht oder in der Küche traf man ständig Leute aus anderen Ländern. Kurios ist es nur, sich mit ”Privet, kak djela" statt mit ”Hello, how are you" zu begrüßen. Russisch als Kommunikationssprache.

MOSKAUER LEBEN

Nach dem Unterricht konnte dann der spannende Teil des Tages beginnen: die Stadt erkunden, Moskauer Leben. Moskau - die wuselnde Metropole mit 9 bis 12 Millionen Einwohnern, zwischen gestern und morgen, zwischen Lenin-Mausoleum und McDonalds, eine Stadt der Gegensätze. So prachtvoll wie die Metrostationen sind, wo in der Hauptverkehrszeit jede Minute eine U-Bahn kommt, so heruntergekommen sind die Autobusse, bei denen der Busfahrer selbst hin und wieder etwas repariert, bevor es weitergeht. Soviel wie auf Kultur Wert gelegt wird (man denke an die weltberühmten Ballett-Aufführungen von ”Schwanensee" und ”Romeo und Julia" im Bolschoi-Theater, die erstklassige Sammlung russischer Kunst in der Tretjakow-Galerie und die klassischen Konzerte im Musikkonservatorium, wo immer auch Jugendliche im Publikum sitzen), so reichhaltig ist auch das Angebot an Boulevardzeitungen und so oft sieht man abends Jugendliche mit Bierflaschen in der Hand.

Unser Moskauer Alltag bestand aber nicht nur aus Besichtigungen der anläßlich der 850-Jahrfeier restaurierten Innenstadt mit dem Kreml, dem Roten Platz, den supernoblen und gut besuchten Einkaufspassagen, den überdimensionalen türmchenverzierten Stalin-Bauten, den Künstler- und Touristenstraßen des Arbat und den unzähligen Kirchen mit ihren goldglänzenden Kuppeln. Da der Mensabesuch im Institut nicht sehr ratsam war, mußten wir uns selbst versorgen. Wer nicht in den teuren Supermärkten einkaufen wollte (wo es alles gab von Nivea-Creme bis Mark-Brandenburg-Joghurt), ging auf die Märkte, wo wir allerdings auf unsere Russischkenntnisse angewiesen waren. Hier verkauften dick eingepackte Mütterchen Kefir, Eier und selbstgemachte Marmelade. In bis zum Rand des Schaufensters mit Waren gefüllten wohnwagenähnlichen Verkaufsständen waren die wichtigsten Lebensmittel zu erstehen. Auf der Straße lernten wir sowieso am besten Russisch. Und wir merkten selbst, daß sich das allgegenwärtige Kauderwelsch der Leute nach und nach in verständliche Sätze verwandelte. Bei Gesprächen auf den Märkten und mit den Dozenten im Unterricht merkten wir, wie hart der Alltag für die meisten hier ist. Es gibt zwar alles, aber zu teilweise unglaublichen Dollar-Preisen. So sucht man sich mehrere Jobs und lebt mit vielen Leuten in den kleinen Neubauwohnungen. Trotzdem ist die Armut nicht so direkt zu sehen, zumindest aus dem Stadtzentrum scheint man sie verbannt zu haben. Stattdessen sieht man eher Damen in teuren Pelzen und Herren mit Limousine und Handy.

Das Abend- und Nachtleben war für uns auf einige Konzerte und private Partys im Institut beschränkt, da es kaum Kneipen und Cafés gibt. Manch einer fand zwar eine Disko, doch scharfe Sicherheitskontrollen, hohe Eintrittspreise und das Problem, vor Schließung des Internats nachts um eins zu Hause sein zu müssen, verlockten nicht unbedingt zu deren Besuch. Das Kinoprogramm reichte von ”Tomorrow never dies" bis ”Bean", aber gute russische Produktionen fand man selten.

Es gäbe noch etliches zu erzählen: Vom Abenteuer ”Zugfahrkartenkauf", wo es Stunden dauerte, bis man den richtigen Bahnhof, den richtigen Schalter und eine Verkäuferin, die bereit war, unser Russisch zu verstehen, gefunden hatte, von der Exkursion zu den alten Klöstern rund um Moskau und von dem großartigen St. Petersburg, von den leckeren Porigen und Blinis, den immer noch üblichen, weil warmen, Schapkas (Pelzmützen), den Fahrten mit der Vorortbahn, wo an jeder Station ein fliegender Händler einstieg und alles mögliche und unmögliche zum Verkauf anbot, den Gefahren bei der Überquerung einer Straße, bei der auch eine rote Ampel nicht vor heranrasenden Autos schützt, der Liebe zu Feiertagen (der 8. März, Frauentag, wurde länger als 3 Tage gefeiert, aber offenbar von den Männern) und den vielen privaten Bekanntschaften und interessanten Gesprächen im Institut und auf der Straße. Das Gefährlichste war übrigens nicht die Mafia, von der wir außer durch bittere Bemerkungen der Russen nichts mitbekamen, sondern die eisglatten Gehwege und der selbstgebrannte Alkohol vom Markt.

Eines stand nach den vier Wochen in Moskau fest: die Reise hat sich gelohnt - im Hinblick auf unsere Russischkenntnisse genauso, wie auf das Erlebte. Und wenn im August dieser Kurs noch einmal angeboten wird, wird man den einen oder anderen von uns vielleicht wieder dort antreffen.

Ina Treutler, Jan Rösler


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