TU intern - Juli 1998 - Wissenschaft

Zwei neue Sonderforschungsbereiche an der Technischen Universität Berlin

Strömung und Reibung sind die Themen der neuen Projekte

Zum 1. Juli 1998 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft 14 neue Sonderforschungsbereiche (Sfb) eingerichtet. Insgesamt 21 Anträge waren bei der DFG eingegangen, sieben davon ohne Erfolg. Von den jetzt bewilligten ist ein Sfb bei den Geistes- und Sozialwissenschaften angesiedelt, drei neue Sfbs beschäftigen sich mit Themen aus der Biologie/Medizin und je fünf sind den Natur- und Ingenieurwissenschaften zuzuordnen. An der TU Berlin wurden zwei neue Sonderforschungsbereiche mit ingenieurwissenschaftlichen Themen eingerichtet. Sie beschäftigen sich mit der Reibung und der Strömung, beides Phänomene, die im Alltag überall präsent, aber keineswegs abschließend verstanden sind.

”Elementarreibereignisse" ist der Titel des Sonderforschungsbereiches 605, an dem seitens der TU Berlin Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Institute für Mechanik, für Geodäsie und Geoinformationstechnik, für Luft- und Raumfahrt, für Maschinenkonstruktion, für Nichtmetallische Werkstoffe und für Theoretische Physik beteiligt sein werden. Sie arbeiten zusammen mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung und dem Hahn-Meitner-Institut. Sprecher des Sfbs ist Prof. Dr. Georg-Peter Ostermeyer vom Institut für Mechanik der TU Berlin.

VOM ATOM BIS ZU DEN BREMSBELÄGEN

Das Phänomen der Reibung ist in der Technik allgegenwärtig. Es wird im Großmaschinenbau genauso beobachtet wie in der Mikro- und Medizintechnik. Was fehlt ist ein Modell, das alle Reibungsphänomene zufriedenstellend beschreibt. Die bereits existierenden haben entweder nur einen schmalen Gültigkeitsbereich, oder sie schließen nicht alle auftretenden Effekte beim Reibgeschehen ein. Im Sonderforschungsbereich sollen nun Arbeiten aus bislang weitgehend getrennten Untersuchungsbereichen zusammengeführt werden. Dazu müssen u. a. Beschreibungs- und Modellierungswerkzeuge entwickelt werden, die helfen, die große Lücke zwischen physikalischen Parametern einerseits sowie technischen und atomistischen Modellen andererseits zu überbrücken. Die Arbeiten des Sfbs sind in drei Projektbereiche unterteilt. Der Bereich ”Technische Reibpaarungen" wird sich vornehmlich mit den Themen ”Kontakt zwischen Eisenbahnrad und Schiene" sowie ”Bremsen" beschäftigen; insbesondere sind Hochlastversuche an der Bremse geplant. Im Projektbereich ”Eigenschaften'' möchte man ein breites Spektrum neuester Meß- und Analysemethoden einsetzen. Im Projektbereich ”Modelle'' sollen analytische und rechnerische Vorhersagemodelle entwickelt und begleitende Messungen durchgeführt werden. Die Arbeiten sollen in Experiment, Theorie und Simulation angegangen werden.

AM TRAGFLÜGEL UND IM CHEMIEREAKTOR

Ähnlich wie die Reibung spielt auch die Strömung bei vielen technischen und physikalischen Problemen eine wichtige Rolle, sei es bei der Luft, die den Tragflügel eines Flugzeuges umfließt, oder bei Verbrennungsvorgängen. Der Sonderforschungsbereich 557 ”Beeinflussung komplexer turbulenter Scherströmungen" behandelt physikalische und technische Fragen solcher Strömungsprobleme. Die gewonnenen mathematischen, physikalischen und ingenieurtechnischen Ergebnisse können dann zum Beispiel in der Lärmreduktion oder der Optimierung von Verbrennungsvorgängen angewandt werden.

Konkret werden sich die Wissenschaftler mit drei strömungsphysikalischen Problemen beschäftigen: mit der Ablösung (= gefährlicher Auftriebseinbruch beim Fliegen, der einen Absturz zur Folge hätte), dem Strömungslärm und der Mischung. Das Ziel der Untersuchungen besteht darin, in aerodynamischen Strömungen durch Beeinflussung der Ablösung den Auftrieb zu erhöhen und den Widerstand zu reduzieren. In Innenströmungen soll der Druckverlust bzw. der Strömungslärm durch Strömungsbeeinflussung vermindert, die Durchmischung in Strömungen soll gesteuert werden können. Insgesamt läßt sich damit in den meisten Fällen Energie sparen.

AERODYNAMISCHE STRÖMUNGEN

Der Sonderforschungsbereich gliedert sich in drei Projektbereiche. Im Bereich ”Aerodynamische Strömungen" sollen Ablösegebiete im Vorderkanten- bzw. im Rekompressionsbereich von Tragflügeln so beeinflußt werden, daß der Auftrieb erhöht und der Widerstand reduziert wird. Der Projektbereich ”Rotationssymmetrische Innenströmungen" behandelt vor allem druckgetriebene geschlossene Rückströmgebiete, bei denen durch Verkürzung der Druckrückgewinn erhöht, durch Stabilisierung der Ablöseblase Druckschwankungen bzw. tieffrequenter Lärm reduziert oder das Betriebsverhalten von Strömungsmaschinen durch Beeinflussung der Ablösung im Flügelspitzenbereich verbessert werden soll. Der Projektbereich ”Methoden zur Beeinflussung" enthält von seiner Anlage her vor allem Querschnittsprojekte der Regelungstechnik, Angewandten Mathematik und Mikroelektronik, die durchgehend mit mindestens einem experimentellen oder numerischen Teilprojekt der Strömungsmechanik im Verbund zusammenarbeiten.

Am Sonderforschungsbereich 557 werden sich Wissenschaftler aus dem Hermann-Föttinger-Institut für Strömungsmechanik, dem Institut für Luft- und Raumfahrt, aus der Mathematik, dem Institut für Technische Akustik, dem Institut für Prozeß- und Anlagentechnik sowie aus dem Fachbereichsunmittelbaren Forschungsschwerpunkt Technologien der Mikroperipherik beteiligen. Weiterhin arbeiten Wissenschaftler der Abteilung Turbulenzforschung des Instituts für Antriebstechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) an dem Sfb mit. Sprecher des Sfbs ist Professor Dr.-Ing. Hans-Hermann Fernholz vom Hermann-Föttinger-Institut für Strömungsmechanik der TU Berlin.

Janny Glaesmer

Unverzichtbar für die Hochschulforschung

Sonderforschungsbereiche (Sfb) sind Fördereinrichtungen der DFG, die die Durchführung aufwendiger und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben an den Hochschulen ermöglichen. Sie sollen Wissenschaftlern die Möglichkeit geben, über die Grenzen von Fächern, Instituten, Fachbereichen und Fakultäten hinweg für einen längeren Zeitraum zusammenzuarbeiten. Dazu besteht auch die Möglichkeit, mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und mit der Industrie zu kooperieren. Ein besonderes Ziel der Sfbs ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. In der Regel sind die Sonderforschungsbereiche zeitlich auf zwölf Jahre begrenzt, ihre Ergebnisse werden regelmäßig begutachtet.

An der TU sind, zusäztlich zu den neu bewilligten, sechs Sonderforschungsbereiche angesiedelt. Dies sind:

Sfb 193: Biologische Behandlung industrieller und gewerblicher Abwässer
Sfb 281: Demontagefabriken zur Rückgewinnung von Ressourcen in Produkt- und Materialkreisläufen
Sfb 288: Differentialgeometrie und Quantenphysik
Sfb 296: Wachstumskorrelierte Eigenschaften niederdimensionaler Halbleiterstrukturen
Sfb 335: Anisotrope Fluide
Sfb 448: Mesoskopisch strukturierte Verbundsysteme

An sieben weiteren Sonderforschungsbereichen anderer Hochschulen sind Wissenschaftler der TU beteiligt.

urs


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