TU intern - Juni 1998 - Studium
Ergebnisse ernstnehmenZum Abschneiden der Fachbereiche im Sonderheft der Stiftung Warentest hat sich TU intern auch für die Meinungen der Betroffenen interessiert. Für den Studiengang Chemie an der TU Berlin schreibt Prof. Dr. Jörn Müller, Dekan des Fachbereiches Chemie: Hinsichtlich der Qualität und Transparenz der angewandten Methodik und des insgesamt betriebenen Aufwandes der Recherchen hebt sich diese Studie positiv von bisherigen Versuchen dieser Art (Spiegel, Stern, Focus etc.) ab. Die Stiftung Warentest hat sich, unterstützt durch das Centrum für Hochschulentwicklung, auf ein für sie ebenso neues wie komplexes Gebiet des Dienstleistungssektors" vorgewagt, dessen Beurteilung sicherlich wesentlich problematischer ist als etwa die Bewertung von Waschmaschinen. Sie sah sich dabei mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie jede andere Institution, die bislang mit Evaluierungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich befaßt war. Die Aussagekraft der Ergebnisse ist ebenso gut oder schlecht wie die Qualität der von den Universitäten bzw. Fachbereichen übermittelten Fakten und der per Fragebogen eruierten Querschnittsmeinungen etwa von Lehrenden und Lernenden einschließlich der Stichhaltigkeit der gestellten Fragen und der Präzision bei der Auswertung des Materials. Insbesondere bei Meinungsumfragen, wie sie einen wichtigen Anteil der Studie bilden, können unterschiedliche Erwartungshaltungen der Personengruppen an den betroffenen Universitäten das Ergebnis beeinflussen; soziologische Strukturen und historische Entwicklungen spielen dabei eine wesentliche Rolle. Nach den Ergebnissen im Testheft schneidet der Fachbereich 5 Chemie in puncto Forschung (Publikationen, Zitationen, Drittmittel) überdurchschnittlich gut ab. Dabei stößt man übrigens auf einen offenkundigen Fehler der Studie, denn Chemie und Lebensmittelchemie weisen exakt die gleichen Daten auf; man hat offensichtlich über zwei verschiedene Fachbereiche aufsummiert bzw. gemittelt. Hinsichtlich der Indikatoren für die Lehre belegt der Fachbereich Chemie leider einen der hintersten Plätze und wird z. B. bezüglich des Gesamturteils der Studierenden (3,0) und des Studierendenurteils zum Lehrangebot (3,7) nur noch von der Universität Kiel unterboten. Die Situation wird allerdings dadurch relativiert, daß das Feld der Meinungen bundesweit nicht sonderlich stark divergiert; Mittelwert des studentischen Gesamturteils 2,4 (Bandbreite 1,4 bis 3,2), Mittel bei der Beurteilung des Lehrangebotes bei 3,1 (Bandbreite 1,7 bis 3,8), was dafür spricht, daß die Lage des Faches Chemie an den deutschen Universitäten insgesamt günstig zu beurteilen ist. Dessenungeachtet ist der Fachbereich gut beraten, die Ergebnisse der Studie eingehend zu analysieren und im Rahmen der ihm gebotenen Möglichkeiten entsprechend zu reagieren. Mit seiner Betreuungsrelation Studierende/Professoren liegt der FB 5 übrigens im günstigen oberen Drittel, bei der für die Praktika (mehr als 50 % der Gesamt-SWS-Zahl im Fach Chemie) bedeutsamen Relation Studierende/Assistenten, die leider durch die Studie nicht ausgewiesen wird, dürfte er nach unseren Beobachtungen im letzten Drittel liegen. Hinsichtlich der Aussagekraft der im Testheft wiedergegebenen Daten verdient der unter der Rubrik Studienergebnis aufgeführte Notenschnitt besondere Beachtung, denn er bewegt sich zwischen den Extremen 1,2 (Frankfurt) und 2,3 (TU Berlin). Das provoziert die Frage, ob man in Frankfurt endlich den Nürnberger Trichter erfunden hat und ob dort nur Genies herumlaufen, oder ob andererseits an der TU Berlin durchschnittlich begabte Studierende Lehre durchschnittlicher Qualität genießen. Oder sind die signifikanten Unterschiede einfach dadurch bedingt, daß man an der TU Berlin Leistungen differenziert unter Ausnutzung der gesamten Notenskala beurteilt? Inwieweit das Testheft Entscheidungen der Kundenzielgruppe" der Studierwilligen oder Studienwechsler beeinflussen wird, bleibt mit Interesse ebenso abzuwarten wie das etwaige Erscheinen weiterer Hefte zu anderen Studiengängen. Ein Kommentar des Fachbereiches Wirtschaftwissenschaften der TU ist für die Juli-Ausgabe von TU intern geplant.
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