TU intern - Juni 1998 - Hochschulpolitik

Nur ein Buch für die Bibliothek?

Gedanken zum Stand der Verwaltungsreform von Ulrich Podewils, Kanzler der TU Berlin

Von außen betrachtet scheint alles beim Alten geblieben zu sein. Doch die Technische Universtität Berlin ist im Umbruch - die Verwaltungsreform ist Teil der vielfältigen Veränderungen
”Das wird doch wieder nur ein dickes Buch für die Unibibliothek", befürchtete eine Mitarbeiterin unter zustimmendem Nicken der Sitznachbarin, als am 8. Mai eine Informationsveranstaltung begann, auf der die Beschäftigten der Zentralen Universitätsverwaltung sowie der Fachbereichs- und Institutsverwaltungen von der TU-Leitung und von der Beraterfirma AT Kearney über Ziel und Stand eines umfassenden Verwaltungsreformprojektes unterrichtet werden sollten.

Im Januar war ein ähnliches Treffen vorangegangen, während dessen ein Zielpapier differenziert erläutert wurde, das dem Akademischen Senat seit Mitte Dezember 1997 vorlag. In TU intern 1/98 habe ich darüber referiert. Natürlich waren seinerzeit die skeptischen Töne noch vernehmlicher hörbar und schärfer akzentuiert als am 8. Mai.

AUF DER SUCHE NACH SCHWACHSTELLEN

Nun, das Projekt wurde wie angekündigt ausgeschrieben, der Firma AT Kearney wurde der Zuschlag erteilt, die dann am 23. März mit der ersten Projektphase begann. Dabei sind in etwa 100 Interviews Schwachstellen in der Verwaltungsarbeit unserer Universität, aber auch Verbesserungswünsche und -vorschläge herausgearbeitet worden. Befragt wurden nicht nur die ”Kunden" von Verwaltungsarbeit, Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter und Professoren, sondern insbesondere Verwaltungsmitarbeiter auf der zentralen und der dezentralen Ebene, also der ZUV und der Fachbereichsverwaltungen. Kennen sie doch Defizite aus ihrer sachnahen Sicht oft besser als andere, sie kennen auch oft Verbesserungsmöglichkeiten, können diese aber aus unterschiedlichen Gründen, seien sie organisatorischer, hierarchischer, arbeits- oder haushaltsrechtlicher, hochschul- oder nur TU-spezifischer Art, nicht umsetzen.

Mit den gewonnenen Erkenntnissen wurden in der zweiten Projektphase die entscheidenden Verwaltungstätigkeiten in den eine Universität formenden Prozessen ”Studieren'', ”Lehren" und ”Forschen" analysiert. Leider gelang dieses nicht vollständig, weil mit dem Personalrat bisher keine Einigung über eine Datenerhebung zur Arbeitsmengenverteilung erzielt werden konnte. Dennoch ist eine hinreichende Basis für erste, grobe Änderungskonzepte geschaffen worden, die bis zum Projektabschluß Ende Juni verfeinert und mit konkreten Umsetzungsvorschlägen vorgelegt werden sollen.

Wer ist denn im Projekt tätig? Wer erarbeitet die Vorschläge? Wie wird informiert?

Wie schon erwähnt, sind als Externe AT Kearny-Mitarbeiter beteiligt; ein solches Projekt kann wegen der oft gegenläufigen Interessen- und ”Macht"-konstellationen in einer großen Organisation, sei sie privatwirtschaftlich oder öffentlich wie unsere TU Berlin, ohne Unterstützung Dritter nicht durchgeführt werden. In den Händen eines AT Kearney-Mitarbeiters und zweier TUler liegt die Projektleitung, das Projektmanagement. In einem größeren Kernteam mit Beteiligten aus der ZUV, den Fachbereichen und dem Personalrat werden Analysen und Konzepte bis zur Entscheidungsreife gebracht, die von vier Projektteams (Studieren, Personal, Haushalt, Bauen/lnterne Dienste) erarbeitet wurden. Die abschließenden Entscheidungen trifft der Lenkungsausschuß, in dem neben AT Kearny das Präsidium, der Personalrat und die Zentrale Frauenbeauftragte sitzen.

DIE NEUE TU BERLIN

Die Verwaltungsreform ist Glied einer geschlossenen Kette, welche einmal die Neue TU Berlin bilden wird. Als weitere Glieder gehören Zielbeschreibungen, die Ende März verabschiedete Strukturreform und die Studienreform dazu, ebenso ein Budgetierungskonzept, das von den Budgetvereinbarungen der TU Berlin mit dem Land Berlin in der Form des Hochschulvertrages über die hochschulinternen Finanzvereinbarungen zwischen der Hochschulleitung und den künftigen acht Fakultäten der TU Berlin bis zu vergleichbaren Verfahren in den Fakultäten reicht. Neben anderen ist ein Ziel der Gesamtreform die Stärkung der dezentralen Ebenen. Mit der oben erwähnten Orientierung an den Prozessen Studieren, Lehre und Forschen ist die Dezentralisierungsstrategie der Verwaltungsreform offenkundig. Entscheidungen und ihre Umsetzungen sollen prozeßnah, in jedem Fall aber prozeß-, also kundenorientiert erfolgen. Gleichrangig müssen aber Wirtschaftlichkeitsstandarts und Qualitätsgarantien beachtet werden, wenn Zuständigkeiten dezentral oder zentral geordnet werden.

Das klingt natürlich alles sehr theoretisch. Nun ist es zu diesem Zeitpunkt schwierig, die Theorie mit praktischen Beispielen oder gar verabschiedeten Umsetzungsentscheidungen aufzulösen. Mit entsprechenden Vorschlägen wird sich der Lenkungsausschuß erst Ende Juni befassen können. Zwei Beispiele aus einer großen Palette weiterer mögen aber die praktischen Zielrichtungen verdeutlichen. Wenn mit der Budgetierung Personalwirtschaft und Einstellungen weitgehend dezentralisiert sind, so werden die einzelnen Fakultäten von zentralen Personalteams unterstützt, die alle Personalangelegenheiten der Fakultät erledigen. ”One face for the customer", heißt das so schön im Organisationschinesisch. Nach demselben Prinzip werden künftig auch die internen Dienste angeboten. Für einen Umzug z. B. gibt es nur noch einen Ansprechpartner, der verantwortlich alle Leistungen koordiniert, die bei einem Umzug zu erbringen sind, Malerarbeiten, Schlüsseldienste, Schilderwechsel, Telefonumstellungen etc. und natürlich die eigentlichen Transportarbeiten.

Die dezentralen und zentralen Verwaltungsabläufe müssen abschließend in einer funktionsfähigen Organisation abgebildet werden. Dabei könnte auf matrixhafte Schemata zurückgegriffen werden. Die horizontalen Prozesse ”Studieren" und ”Lehre/Forschung" werden zentral von zwei Dienstleistungseinheiten ”Studieren" und ”Personal/Finanzen" sowie dezentral in Fakultätsserviceeinheiten unterstützt. Hinzu käme der zentrale Dienstleister ”Bauen/lnterne Dienste" mit direkten Verbindungen zu den dezentralen Einheiten, Die bisher fünf Abteilungen der ZUV wären auf drei Dienstleistungseinheiten konzentriert, welche mit der Budgetierung durch ein Haushaltscontrolling aufbauorganisatorisch abgerundet werden.

BETRIEBSBEDINGTE KÜNDIGUNGEN

Am Ende des Treffens am 8. Mai waren die Mitarbeiterin und ihre Sitznachbarin sicher von der Befürchtung befreit, den Ankündigungen würden keine Taten folgen. Sie, aber auch viele andere haben aber eine andere Befürchtung, die auch auf der Personalversammlung des Personalrats am 28. Mai zum wiederholten Male angesprochen wurde. Sie lautet: Betriebsbedingte Kündigungen. Dazu muß an dieser Stelle an eine Dienstvereinbarung von 1995 erinnert werden, in der vorausschauend die Ziele der Verwaltungsreform beschrieben und betriebsbedingte Kündigungen aus Anlaß der Verwaltungsreform ausgeschlossen wurden, gleichzeitig aber Veränderungsbereitschaft von allen nichtwissenschaftlichen Beschäftigten abverlangt werden, auch andere, zumutbare Arbeitsplätze innerhalb der TU Berlin auszufüllen. Diese scheinbar vergessene Vereinbarung kam bisher nicht zum Tragen, da die der umfassenden Verwaltungsreform vorzuschaltende Strukturveränderung mit der Ablehnung des ”Schumann-Plans" nicht realisiert werden konnte. Jetzt hat der Akademische Senat eine neue Struktur beschlossen, als Teil des Gesamtreformpakets folgt die Verwaltungsreform nun sehr zeitnah nach. Damit greift die Dienstvereinbarung von 1995. Der Präsident hat dies gegenüber dem Personalrat auch schriftlich bestätigt.

Auch die Befürchtung betriebsbedingter Kündigungen besteht also nicht. Es bleibt als menschliche Reaktion die Vorsicht vor der Veränderung, vor dem Neuen. Wird die Veränderung aber gemeistert, steht am Ende die Zufriedenheit, andere nach deren Bedürfnissen mit eigenem (Verwaltungs-)Handeln unterstützt und damit das jeweils mögliche Beste für die TU Berlin getan zu haben, zu deren Mitgliedern eben nicht nur Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen, Studierende oder das wissenschaftliche Personal, sondern auch die Mitarbeiterinnen und die Mitarbeiter der Verwaltung zählen.


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