TU intern - Mai 1998 - Hochschulpolitik
TU-Lehrerbildung mit neuer Perspektive?
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Lehrerinnen- in Biologie und Sprachen keine Seltenheit, aber wie kann die TU dazu beitragen, Abiturientinnen auch für Naturwissenschaften und Mathematik zu interessieren |
Es scheint, als ob die Lehrerbildung in der TU Berlin ihren Weg ins nächste Jahrhundert gefunden hat. Der Akademische Senat (AS) hat ohne Gegenstimmen - mit einem studentischen Vorbehalt - einen Kompromiß verabschiedet, der allen Kontrahenten teilweise schmerzliche Entscheidungen abverlangte. Gerade deshalb ist jedoch die Grundlage für eine einvernehmliche und sachbezogene Weiterentwicklung des Lehramtsstudiums geschaffen. Diese dringend erforderliche Reform ist im Gefechtslärm der letzten Jahre zu kurz gekommen, meint der Dekan des Fachbereichs Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz. Der AS hat folgendes entschieden: 1. Lehrerbildung wird dauerhaft als Teil des Profils der TUB angesehen. Angeboten werden die Lehramtsstudiengänge "L 2" (Lehrerin/Lehrer mit zwei Fächern, Bezahlung nach A 13, Einsatz von Klasse 1-10, Schwerpunkt 5-10 in Realschule, Hauptschule, Gesamtschule), "L 4" (allg. Studienrätin/Studienrat, Bezahlung nach A 13, Einsatz von Klasse 5-13, Schwerpunkt Gymnasium) und "L 5" (Studienrätin/Studienrat mit einer beruflichen und einer allgemeinen Fachrichtung, Bezahlung nach A 13, Einsatzschwerpunkt Berufsschule und Oberstufenzentrum). Der sechssemestrige "L 1"-Studiengang (Bezahlung nach A 12, Einsatz von Klasse 1-10, Schwerpunkt Grundschule) wird nicht fortgeführt. 2. Der für alle Lehramtsstudierende verpflichtende erziehungswissenschaftliche Teilstudiengang Erziehungswissenschaft/ andere Sozialwissenschaft wird ebenfalls weiterhin von der TUB angeboten. Damit ist auch gesichert, daß das Pflicht-Orientierungspraktikum nach dem 2. Semester von der TUB vorbereitet, begleitet und ausgewertet wird. Es wird also in der künftigen Fakultät I ein Institut für Erziehungswissenschaft geben. Zugleich kann der Magister-Studiengang Erziehungswissenschaft (NC) profilorientiert fortgeführt werden. (Der Diplomstudiengang Erziehungswissenschaft/Sozialpädagogik wird leider eingestellt, der Aufbaustudiengang Berufspädagogik fortgeführt). 3. Das Fächerspektrum für Lehrerstudentinnen/Lehrerstudenten wird bedauerlicherweise um die Biologie reduziert, ansonsten bleibt es jedoch in bisheriger Breite erhalten: Arbeitslehre/Technik, Arbeitslehre/Haushalt, berufliche Fachrichtungen, Geschichte, Deutsch, Französisch, Philosophie, Mathematik, Physik, Chemie, Sozialkunde. 4. Der AS hat mehrfach die einzelnen notwendigen Fachdidaktiken zu sogenannten Bereichsdidaktiken mit jeweils nur einer Professur zusammengefaßt, etwa bei Geschichte und Sozialkunde oder bei Physik, Chemie und Mathematik. Für die Differenzierung muß Mittelbau-Ausstattung eingesetzt werden. Es wird nun darauf ankommen, daß die Beteiligten daraus Konzepte entwickeln, die auf gemeinsame Forschung und auf die Verzahnung in der Lehre zielen. Bereichsdidaktiken lassen sich nur innerhalb der neuen Fakultäten entwickeln, ein Grund mehr, Sozialkunde in die neue Fakultät I zu integrieren. Diese Entscheidungen, die mit der mageren - m. E. unzureichenden - Ausstattung von 17 Professuren (davon 3 aus der Mittelbau-Kapazität) verbunden sind, beenden die jahrelange Debatte darüber, ob eine Technische Universität Lehrerinnen/Lehrer ausbilden soll. Nicht nur hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Qualifikation der Lehrerinnen/Lehrer für die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen professionsbezogen, d. h. praxisbezogen, und zugleich wissenschaftlich zu erfolgen hat (und deshalb universitäre Ausbildung erforderlich ist). Vielmehr wurde deutlich, daß Lehrerinnen/Lehrer in einer kommunikations- und wissenschaftsbezogenen Welt, die von neuen Technologien, neuen Kommunikationsstrukturen, dramatischen Entwicklungen der Naturwissenschaften und globalen Pluralisierungsprozessen bestimmt ist, gerade während ihres Studiums an einer TUB, oft gemeinsam mit Studierenden anderer künftiger Berufsfelder, die Chance haben, diese Entwicklungen auch über ihr engeres Fachgebiet hinaus kritisch reflektieren und auf ihre Profession beziehen zu können. Dennoch soll nicht verschwiegen werden, daß die Ausbildung der Lehrerinnen/Lehrer generell als auch an der TUB reformbedürftig ist. Einige dieser Probleme seien hier genannt: 1. Wie können mehr Abiturientinnen/Abiturienten, insbesondere auch Frauen, dazu bewegt werden, Physik, Chemie und Mathematik im Lehramt zu studieren? Was kann dazu die TUB, insbesondere die künftige Fakultät II beitragen? 2. Wie läßt sich endlich eine stabile Kommunikation zwischen den Fachbereichen bzw. Fakultäten der TUB über Praxisprobleme und Perspektiven der Lehrerausbildung institutionell herstellen? Bislang agieren die Fachbereiche, der Präsident und die Verwaltung völlig getrennt voneinander - zum Schaden der Studierenden. Mein Vorschlag: Eine Untergruppe der LSK schaffen, in der alle Fakultäten vertreten sind, die mit Lehrerbildung an der TUB zu tun haben. 3. Wie läßt sich die empirische Forschung im Bereich der Unterrichtsforschung und der Schulforschung (Stichworte: Verbesserung des naturwissenschaftlichen oder sprachlichen Unterrichts, Deutsch als Fremdsprache, Selbstregulierung und Evaluation der Schule als System, interkulturelle Erziehung, Internationalisierung der Kommunikation usw.) verstärken, wenn für diese Bereiche in der Regel keine öffentlichen Drittmittelträger, aber auch keine Firmengelder aktivierbar sind? 4. Wie läßt sich innerhalb Berlins (einschließlich Potsdams) ein transparenter Verbund der 1., 2. und 3. Phase der Lehrerbildung so herstellen, daß es nicht - wie bislang - zu häufig irrationalen Entscheidungen ohne Kenntnis der Betroffenen führt? Mein Vorschlag: Eine regelmäßig tagende und mit einer Geschäftsstelle versehene Pädagogische Konferenz. Sie wird auch von SenWiFo vorgeschlagen. Ein Konzept liegt vor. 5. Nicht zuletzt: Wie läßt sich das Verfassungsrecht auf Ausbildung und der mittelfristige Lehrerinnen/Lehrerbedarf in Berlin angesichts der dramatischen Kürzungen an allen vier Standorten der Lehrerbildung in Erziehungswissenschaft, Fachdidaktik und Grundschulpädagogik sichern? M. E. müssen hier der Politische Senat, das Parlament, die externen Gutachterinnen/Gutachter und die Verbände darauf hinwirken, daß die in den Strukturbeschlüssen aller Hochschulen erkennbare Abwertung und Unterausstattung der Lehrerbildung in Berlin korrigiert wird. Sonst wird der ab 2003 dramatisch steigende Ersatzbedarf in unseren Schulen nicht abgedeckt werden können. Diese Hinweise sollen deutlich machen, daß nun, am Ende der Grundsatzdebatte, keine Reformmüdigkeit eintreten darf. Das wünsche ich mir aber auch für alle anderen Studiengänge: Und zwar ohne gleich fürchten zu müssen, daß eine Gefährdung des Studienganges oder der Ausstattung droht, wenn Mängel zugegeben werden. Die TUB könnte insofern viel davon lernen, wie heute Schulen ihre Reformentwicklung als sich selbst erneuernde, lernende Systeme organisieren: offene Benennung von Defiziten bei Verzicht auf Sanktionen, gemeinsame (!) Zieldefinition, Operationalisierung von erreichbaren Teilzielen, Verzicht auf autoritäre und intransparente Entscheidungsprozesse, Verbindung von innerer und externer Evaluation. Nur so kann die Motivation aller Beteiligten für Innovation entstehen, wie jede/jeder gute Managerin/Manager weiß. Die jetzigen Beschlüsse des AS könnten in diesem Sinne einen Neuanfang ermöglichen, wenn alle Beteiligten ihn wollen. Ulf Preuss-Lausitz © 5/'98 TU-Pressestelle |