Stau, Gestank und alte Pläne - die Westtangente, eine unendliche Geschichte?

”… eine Autobahn wäre gefährlich" Jürgen Starnick

Eigentlich ist alles klar! 1991, bei den Verhandlungen zur großen Koalition, hatte die CDU auf die Westtangente verzichtet und dafür die Zusage der SPD zum Bau des Tunnels unter dem Tiergarten erhalten. Doch immer wieder geistert die Westtangente durch die Presse. Erst im Januar konnte man lesen, daß Gutachten den Tunnel als nicht ausreichend leistungsfähig bezeichneten und Staus und Gestank prophezeiten. Dann im April - der Bau des Tiergartentunnels nähert sich langsam seinem Ende - wartet debis mit der Idee auf, die Anbindung des Tiergartentunnels an das Schöneberger Kreuz gegen Maut zu ermöglichen. Die Westtangente - eine unendliche Geschichte? Über Straßen, Tunnel und Co sprach TU intern mit Jürgen Starnick, dem ehemaligen Senator für Stadtentwicklung und Umwelt und Professor für Technische Chemie an der TU Berlin:

Herr Starnick, wann entstand eigentlich die Idee der Westtangente?

Die eigentliche Idee stammt aus der Nachkriegszeit, als man noch der Charta von Athen folgend Wohnen und Arbeiten (Industrie) großräumig voneinander trennen und die beiden Lebensbereiche durch leistungsfähige Verkehrsadern (Autobahnen) verbinden wollte, auch damals übrigens im Rahmen einer Hauptstadtplanung für Berlin. Diese beinhaltete den Autobahnring, wie er dann ja auch gebaut wurde, und verschiedene Tangenten. Eine sollte westlich der Innenstadt, der Stadtmitte, verlaufen. Das kann man heute noch an der Staatsbibliothek erkennen. Da die Autobahn an ihrer Rückfront verlaufen sollte, ist diese ganz ohne Fenster gebaut. Des weiteren war eine Osttangente hinter dem Alexanderplatz geplant und eine Südtangente mitten durch Kreuzberg.

Zum Bau dieser Straßen ist es nie gekommen?

Nein, in den 70er Jahren waren dies Pläne politisch überholt, trotzdem war der Verlauf der Westtangente noch in den Flächennutzungsplänen eingetragen. Dies änderte sich erst 1988. Die Autobahn kam aus der Planung raus, "verdünnte" Reste blieben enthalten. Während die Trasse der Westtangente vorher längs der Potsdamer Bahn verlief, sollte sie nun vom Schöneberger Kreuz zur Yorckbrücke und dann durch das Eisenbahngelände, längs der Anhalter Bahn bis zum Landwehrkanal verlaufen. Auch der Tiergartentunnel war da schon im Gespräch, allerdings ab dem Lennédreieck.

Der Tiergartentunnel wird nun gebaut, der Rest der Planung fällt weg, welche Folgen hat das?

Im Grunde genommen gibt es am Landwehrkanal keinen Anschluß nach Süden, das wird zu Verkehrsproblemen führen. Debis hat schon recht, zu sagen, wir brauchen eine direkte Verkehrsverbindung nach Süden. Der Bau einer Autobahn vom Tiergartentunnel zum Schöneberger Kreuz würde allerdings erhebliche Probleme schaffen. Der Tunnel ist für vier und nicht sechs Spuren ausgelegt. Außerdem würde eine Autobahn zu einer zusätzlichen Belastung des Tunnels führen, da dann viel Verkehr am Schöneberger Kreuz vom Stadtautobahnring abgezogen würde. Deshalb: Stadtstraße ja, eine Autobahn nein.

Viele befürchten, daß es im oder vor dem Tunnel zu Staus kommen wird?

Ja, das fürchte ich auch. Der Hauptverkehr von Norden nach Süden wird durch den Tunnel gehen. Dort, wo der Tunnel auf die Brücke mündet, wird ständig ein Stau und damit auch Gestank und Lärm sein. Es gibt keine Weiterführung geradeaus, sondern nur Schwenkverkehr.

Und die Umweltbelastungen?

Immer dort, wo Autos längere Zeit stehen, kommt es zur starken Konzentration von Abgasen. Hinzu kommt, daß die Abgase dort durch hohe Häuserschluchten gefangen sind und daß in Berlin noch immer viele Autos ohne Katalysator fahren.

Wird die Westtangente über kurz oder lang kommen, wie ist ihre persönliche Meinung?

Ich denke ja, weil ein Problem da ist, vor dem man immer die Augen verschlossen hat. Der Senat konnte sich nicht vorstellen, wieviele Leute am Potsdamer Platz und seiner Umgebung sein werden. Die Verkehrsanbindung wird gebraucht und man wird sich hoffentlich für eine leistungsfähige Stadtstraße entscheiden, eine Autobahn wäre gefährlich.