TU intern - November 1998 - Aktuelles

"Arbeit und Leben Hand in Hand"

Der britische Architekt Richard Rogers über die Stadt der Zukunft

Auch am Potsdamer Platz baut Rogers an der Stadt der Zukunft (blau markierte Gebäude). Leichte Glasarchitektur und begrünte Innenhöfe sollen für bestmögliche Wohn- und Büroqualität sorgen, die integrierten Geschäfte garantieren die entsprechende Versorgung
Der britische Architekt Richard Rogers ist vor allem durch den Bau des Centre Pompidou, das er in den 70er Jahren gemeinsam mit Renzo Piano plante und das heute das meistbesuchte Gebäude der Nachkriegsgeschichte ist, weltberühmt geworden. Am 27. November kommt Richard Rogers an die TU Berlin, um in der Reihe der Queen's Lectures einen Vortrag mit dem Titel ”Cities of Tomorrow" zu halten.

In seinem Vortrag fragt Richard Rogers, wie die Stadt der Zukunft aussehen könnte. Gegenwärtig wird das Leben in den Städten durch die wachsende Bevölkerungsdichte, durch zunehmende Entfremdung, soziale Ungerechtigkeit und Umweltverschmutzung immer unmenschlicher. Angesichts dieser Bedrohung entwickelt Rogers das Konzept einer neuen Stadt, in der es sich auch im nächsten Jahrtausend gut leben läßt. Richard Rogers ist ein vehementer Verfechter des nachhaltigen, langlebigen Städtebaus. Dieser soll durch eine neue architektonische Gestaltung das Stadtbild verschönern, eine gerechte Verteilung der Güter garantieren, den Autoverkehr eindämmen und für eine bessere Umweltverträglichkeit sorgen.

”… Richard Rogers eröffnet eine völlig neue Perspektive für die Zukunft unserer Städte. Er stellt dar, welchen Einfluß Architektur und Stadtplanung auf unser alltägliches Leben haben, und er warnt vor dem gefährlichen Einfluß, den moderne Städte auf unsere Umwelt haben können. Er argumentiert, daß wir die Ökologie unseres Planeten nur durch nachhaltige Planung schützen und so unsere Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen einlösen können. Nachhaltige Stadtplanung ist ein fundamentales demokratisches Prinzip, daß die Entscheidungen der Bewohner auf jeder Ebene mit einschließt. Sie hat einen ganzheitlichen Anspruch, der soziale Belange und solche der Umwelt berücksichtigt: Architektur, die den öffentlichen Raum verschönert, öffentlicher Transport, der das Leben in den Straßen schützt, Energiesysteme, die unsere Abhängigkeit von endlichen natürlichen Ressourcen reduzieren. Sie ist unsere einzige wirkliche Chance, ideale, dynamische Städte zu erschaffen, die beide, Mensch und Umwelt, respektieren," schreibt Philip Gumuchdijan, Herausgeber des Buchs ”Cities for a small planet", über Richard Rogers Vision der zukünftigen Stadt.

Gegenwärtig ist Richard Rogers vor allem durch den spektakulären Bau des Millenium Dome im Londoner Stadtteil Greenwich im Gespräch. Der Dome, eine riesige weiße Kuppel aus Zeltplanen, ist mit 50 Metern Höhe und 320 Metern Durchmesser der größte leere Raum der Welt. Er ist so groß, daß zehn Fußballspiele gleichzeitig darin ausgetragen werden können. Auch wenn noch nicht geklärt ist, was eigentlich im Inneren des Gebäudes stattfinden soll, wird der Dome bereits jetzt als gelungenes urbanistisches Projekt gefeiert, da der heruntergekommene Stadtteil Greenwich durch die Erweiterung der U-Bahn, moderne Gewerbe- und Wohnviertel, die im Umkreise des Dome entstanden sind, zu neuem Leben erwacht ist. Auch in Berlin arbeitet Richard Rogers an der Verwirklichung der Stadt der Zukunft: Am Potsdamer Platz baut er gegenwärtig entlang der Linkstraße drei Wohn- und Bürohäuser. Die leichte Glasarchitektur und die begrünten Innenhöfe sollen für eine bestmögliche Wohn- und Büroqualität sorgen, die integrierten Geschäfte garantieren die entsprechende Versorgung. Insofern löst Rogers mit den Gebäuden am Potsdamer Platz seine Vorstellung von einer ”kompakten Stadt, in der sich Arbeit und Leben die Hände reichen, in der oben die Apartments liegen und unten die Büros" (Die Zeit, 20. August 1998) zumindest architektonisch ein. Ob sich seine Vision von einer lebenswerten Stadt auch in der Realität verwirklicht, werden jedoch erst die zukünftigen Bewohner des Potsdamer Platzes entscheiden.

Richard Rogers, heute britischer Staatsbürger im Ritterstand, wurde 1933 in Florenz geboren. Nach dem Studium an der Architectural Association School in London und einem Fulbright Stipendium an der Yale University, USA, zog Richard Rogers 1961 nach San Francisco, wo er zunächst für die Firma ”Skidmore, Owings & Merill" arbeitete. 1962 kehrte er nach England zurück und gründete gemeinsam mit Su Rogers, Norman und Wendy Foster das erste eigene Architekturbüro ”Team 4". 1967 wurde das ”Team 4" aufgelöst und das Büro ”Su & Richard Rogers" gegründet. Zwischen 1971 und 1977 arbeitete Rogers mit dem italienischen Architekten Renzo Piano zusammen. 1977 endete die Zusammenarbeit und Rogers gründete die eigene Londoner Firma ”Richard Rogers & Partner". Neben seiner Tätigkeit als Architekt hat Richard Rogers an verschiedenen namhaften Universitäten wie Yale, Cambridge, Princeton, Harvard und Cornell unterrichtet.

Mirjam Schmidt

"Wir müssen die Stadt als Lebensraum wiederentdecken, die gute Stadt. Und ich glaube fest daran, daß uns das gelingen kann."

Richard Rogers


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