TU intern - Oktober 1998 - Arbeitsplatz Uni

Gefahren sind immer und überall?

TU Berlin betritt Neuland bei der Gefährdungsbeurteilung

Nicht bei uns! In den Laboren und Werkstätten der TU Berlin sind zu 80 Prozent ausreichende Schutzmaßnahmen getroffen
In welchem Maße sind die Beschäftigten durch ihre Tätigkeit gesundheitlich belastet oder gefährdet? Werden geeignete Schutzmaßnahmen getroffen? Wie sind Gesundheitsschutz und technische Sicherheit bei der Arbeit zu verbessern? Fragen deren Beantwortung im Einzelfall unproblematisch erscheinen, die flächendeckend jedoch dem Stabsbereich ”Sicherheitstechnische Dienste und Umweltschutz" [SDU] und der Hochschulleitung in den letzten beiden Jahren einiges Kopfzerbrechen bereitet haben.

Das neue Arbeitsschutzgesetz verpflichtet nämlich den Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchzufühen, um festzustellen welche Arbeitsschutzmaßnahmen nötig sind und die Ergebnisse dieser Beurteilung zu dokumentieren. Dadurch sollen Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz verbessert werden. Nur: wie soll man eine Gefährdungsbeurteilung in einer Hochschule mit über 7000 Mitarbeitern und ca. 10000 Arbeitsplätzen mit vertretbarem Aufwand durchführen? Mit den von den zuständigen Fachministerien entwickelten Konzepten jedenfalls nicht.

Deshalb hat die TU ”Neuland" betreten und ein von der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) im Auftrag der Hochschulkanzler entwickeltes Konzept an die speziellen Bedingungen unserer Universität angepaßt. Die HIS wurde beauftragt die praktische Durchführung zu begleiten und einen Bericht über die Tauglichkeit und die Aussagekraft dieser Form der Gefährdungsermittlung zu erstellen. Wichtige Punkte in dem Konzept sind: die Differenzierung nach nur vier Tätigkeitsbereichen ”Labor/Technikum", ”Werkstatt", ”Büro/büroähnliche Einrichtungen" und ”Sonstige", eine Gefährdungsbeurteilung direkt vor Ort von den Vorgesetzten und ihren Mitarbeitern und eine Bewertung der Gefährdung nach dem aktuellen Stand der Schutzmaßnahmen. Die Ergebnisse der Befragung sollten systematisch auswertbar sein und den Verantwortlichen vor Ort, sowie der SDU eine Grundlage für Beratungen und Feinanalysen bieten.

Durchgeführt wurde die Erhebung mit Fragebogen, die Mitte Oktober 1997 an die Leiter der Fachgebiete und Abteilungen verschickt wurden. Nahezu alle Angeschriebenen sandten Erhebungsbogen zurück. Daraus schloß die HIS auf eine hohe Akzeptanz, die mit dieser Art der Erhebung zu erreichen ist.

Einige Ergebnisse können hier nur schlagwortartig genannt werden. Mit den 913 eingegangenen Erhebungsbogen wurden über 9400 Arbeitsplätze erfaßt (ca 2800 in ”Labor/Technikum" , 600 in den Werkstätten, 4200 in Büros und 1600 bei ”Sonstige"). Die Art der Gefährdung hängt verständlicherweise vom Tätigkeitsbereich ab. Während in Chemielaboren die stoffbezogenen Gefährdungen (70-95 %) sehr hoch sind, bestehen in den Büros Gefährdungen durch ”elektrische Geräte über 50 Volt", bzw. durch unzureichende ”Lichtverhältnisse" oder ”belastende Bildschirmarbeit".

Für die stoffbezogenen Gefährdungen ist ein relativ hoher Sicherheitsstandard festzustellen, was wohl auf die vielfältigen Aktivitäten, die vor allem bei der Umsetzung der Gefahrstoffverordnung in den letzten Jahren entwickelt wurden, zurückzuführen ist.

Insgesamt wurden in den Bereichen ”Labor/Technikum" und Werkstätten die vorhandenen Schutzmaßnahmen bei über 80 % der angegebenen Gefährdungen als ausreichend beurteilt. Im Bereich ”Büro" lag dieser Anteil bei 70 %. Erstaunlicherweise zeigte sich der Maßnahmen- bzw. Beratungsbedarf bei der ”belastenden Bildschirmarbeit"als eher gering.

Insgesamt hat sich das Erhebungskonzept bewährt. In allen Fällen, in denen die Schutzmaßnahmen mit nicht ausreichend bewertet wurden, sind Aktivitäten unmittelbar durch die Institute oder Fachgebiete veranlaßt worden, so daß die Erhebung selbst bereits ein Prozeß zur Verbesserung der Arbeitssicherheit an der TU Berlin war. Festzuhalten ist allerdings, daß sich der Handlungsbedarf oft auf bauliche und technische Mängel der Infrastruktur bezieht, die meist nicht im Verantwortungsbereich der Institute bzw. Fachbereiche liegen, sondern deren Beseitigung durch die Abteilung Bau- bzw. technische Angelegenheiten der ZUV einzuleiten ist.

Die erfolgreiche Umsetzung einer nicht an traditionellen Checklisten-Verfahren orientierten Gefährdungsbeurteilung hat mittlerweile ein beachtenswertes Echo gefunden. So haben eine Reihe von Hochschulen (z.B. Ulm, Wuppertal, Hamburg-Harburg, niedersächsische Universitäten) dieses Konzept zur Grundlage ihrer Beurteilung gewählt. Auch die Freie Universität Berlin einschließlich des Universitätsklinikums Benjamin Franklin werden in Kürze nach diesem Konzept verfahren. Sogar außerhalb der Hochschulen bei Kommunalverwaltungen sowie im Industriebereich besteht Interesse, diesen Ansatz zu wählen.

Die wichtigsten Ergebnisse wurden von HIS in einem Abschlußbericht zusammengefaßt. Detaillierte Auswertungen nach Fachgebieten liegen der SDU als Anlagenband bzw. als spezielle Abfragen in einer MS-Access-Datenbank vor und werden derzeit durch die Sicherheitsingenieure bearbeitet.

Herbert Sörje/
Ursula Resch-Esser


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