TU intern - April 1999 - Wissenschaft
Kühlschränke und EulenWeltweit größte Akustik-Tagung an der TU Berlin
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Mit ihrem nahezu lautlosen Flug ist die Eule einzigartig in der Vogelwelt und - ein beliebtes Studienobjekt der Akustiker | |
Kühlschränke, Eulen und Fledermäuse waren die
Medienstars des Akustik-Kongresses,
der vom 14. bis 20. März an der TU Berlin stattfand. Über
2200 Wissenschaftler aus insgesamt 47 Ländern waren gekommen,
um über die unterschiedlichsten Bereiche der Akustik zu sprechen.
Bemerkenswert dürfte die Tatsache sein, daß auch die
Amerikanische Akustikgesellschaft, die "Acoustic Society of America",
ihre Jahrestagung ins Ausland verlegt hatte, um gemeinsam mit
der European Acoustic Association
und der Deutschen Gesellschaft für Akustik
die erste euro-amerikanische und die bisher weltweit größte
Tagung auf dem Gebiet der Akustik durchzuführen. Außergewöhnlich
war auch die fachliche Bandbreite der vertretenen Disziplinen.
Biologen beschäftigen sich mit den Erscheinungen des Schalls
ebenso wie Physiker, Ingenieure, Umweltwissenschaftler, Architekten
und sogar Psychologen.
Große Aufmerksamkeit fanden die sogenannten akustischen Kühlschränke. Zur Erzeugung von Kälte nutzen die Wissenschaftler dabei den thermoakustischen Effekt aus. Sie greifen auf die Tatsache zurück, daß man mit Schallwellen eine Temperaturdifferenz erzeugen kann. Vorteil solcher thermoakustischer Kühlschränke: Sie haben keine bewegten Bauteile mehr und können ohne Strom betrieben werden. Daraus ergeben sich auch die möglichen Einsatzgebiete, nämlich überall dort, wo kein Strom verfügbar ist. Ein anderes Anwendungsbeispiel für den thermoakustischen Effekt ist die Verflüssigung von Gas bei der Erdölgewinnung. Die Umkehrung des Kühlschrank-Prinzips macht sich Professor Werner Lauterborn von der Uni Göttingen zunutze. In einem geschlossenen Rohr erzeugt er mit Hilfe einer Temperaturdifferenz Schallwellen und bringt damit das Rohr zum Singen. Wenn man das schwingende Rohr verkürzt, ändert sich die Tonhöhe, ähnlich wie bei einer Flöte oder einer Posaune. Um die Musik geht es Lauterborn und seinen Mitarbeitern dabei allerdings nur nebenbei. Sie sind in erster Linie an grundlegenden Untersuchungen zum Thema Schall interessiert. Sie wollen zum Beispiel herausfinden, wie man Schall mit anderem Schall steuern oder schalten kann. Schall in elektrische Signale umzuwandeln ist Aufgabe eines Mikrofons. Wolfgang Niehoff präsentierte ein optisches Mikrofon, bei dem der Schall anhand der Intensitätsvariation eines Lichtstrahl innerhalb des Mikrofons aufgenommen wird. Da dieses Mikrofon in seinem Inneren ohne elektrische Leitungen auskommt, kann es besonders in starken Magnetfeldern (Bsp. Kernspintomograph) oder in explosionsgefährdeten Umgebungen eingesetzt werden. Eine große wirtschaftliche Bedeutung könnten die von Gerhard Sessler vorgestellten Silizium-Mikrofone erlangen. Diese Tonaufnehmer besitzen eine winzige Silizium-Membran. Die Mikrofone werden auf diese Weise stark verkleinert und wesentlich weniger störungsanfällig. Ideale Voraussetzungen zum Einbau in Hörgeräte, Kassettenrecorder, Camcorder oder Handys. Ein weiterer Vorteil dieser Mikrofone: Da sie aus Silizium gefertigt sind, können sie direkt in elektronische Schaltungen integriert werden. Mit dem Klang der menschlichen Stimme beschäftigten sich Wissenschaftler der Vanderbilt University, USA. Erfahrene Mediziner hatten darauf hingewiesen, daß bereits der Klang der Stimme auf eine akut bestehende Selbstmordgefahr des Patienten hinweisen kann. Deshalb versuchten die Wissenschaftler der Vanderbilt University anhand von Tonbandaufnahmen und Telefonmitschnitten herauszufinden, ob es ein charakteristisches Klangprofil in der Stimme akut selbstmordgefährdeter Patienten gibt. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, daß das akustisch vermessene Klangprofil tatsächlich Auskunft über das Stelbstmordrisiko des Sprechers geben kann. Darauf, daß Schall auch eine Gesundheitsgefährdung darstellen kann, verwies Prof. Dr. Michael Möser, vom Institut für technische Akustik der TU Berlin und Vorsitzender des Organisationskomitees. Mit zunehmender Lärmbelastung nämlich steigt für Menschen das Risiko, an Herz-Kreislaufbeschwerden zu erkranken. Wohl nicht zuletzt deshalb war das Thema "Lärm" eines der Schwerpunkte der Tagung. Lernen wollen die Forscher in diesem Gebiet zum Beispiel von der Eule, die mit ihrem nahezu lautlosen Flug einzigartig ist in der Vogelwelt. Der Aufbau der Flügel, die Kombination der verschiedenen Federn an Flügel, Kopf und Beinen der Eule sowie deren Zusammenwirken bei der Lärmreduzierung in einem bestimmten Frequenzbereich könnten als Vorbild für den Tragflächenbau von Flugzeugen dienen. Ursula Resch-Esser © 4/'99 TU-Pressestelle |