TU intern - April 1999 - Hochschulpolitik
Kriterien zu der Bewertung von Lehrleistungen schaffen
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Was wird Ihre erste Aktion im neuen Amt sein? Eine vordringliche Aufgabe ist die Vorbereitung der AS-Entscheidung über die Kriterien zur Bewertung von Lehrleistungen. Sie bilden eine Basis für die Evaluation der Lehre und ermöglichen so die leistungsorientierte Vergabe von Mitteln an die Fachbereiche. Ein anderes Projekt wird der Versuch sein, durch Angebote der TU den naturwissenschaftlich-technischen Unterricht in den Schulen zu bereichern. Dabei soll zugleich versucht werden, eine verstärkte Zuwendung von Schülerinnen zu Naturwissenschaft und Technik zu erreichen. Ihre Vision von der TU Berlin im Jahr 2020? Ein lebendiger Campus, geprägt von partnerschaftlichem Umgang zwischen engagierten Lehrenden und motivierten Studierenden. In der Forschung ist das wissenschaftliche Leben international geprägt. In der Lehre ist - durch moderne elektronische Medien unterstützt - eine individuelle Förderung des Einzelnen in hohem Maße möglich. Das nach Ihrer Meinung wichtigste Ereignis des ausgehenden Jahrtausends? In der historischen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft gibt es vielerlei Entwicklungslinien, die sich gegenseitig beeinflussen. So kann ich zwar keinen ersten Rangplatz vergeben, will aber ein Beispiel nennen: Die Erfindung des Buchdrucks um 1450 durch Gutenberg, die eine Verbreitung von Ideen und Meinungen und einen überlokalen Gedankenaustausch in davor unbekanntem Ausmaß möglich machte. Wer ist für Sie der bedeutendste (lebende) Naturwissenschaftler, Politiker, Philosoph? Auch hier tue ich mich schwer, Rangplätze zu vergeben. Für mich bedeutungsvoll waren bzw. sind: in der Philosophie C. F. von Weizsäcker und Max Jammer, die sich mit Struktur- und Begriffsfragen der Physik auseinandergesetzt haben, in der Physik Viktor F. Weisskopf, der als theoretischer Physiker höchste fachliche Kompetenz mit hohem didaktischem Geschick bei der Vermittlung seiner Fachdisziplin verband und in der Politik Nelson Mandela, weil sich bei ihm die Fähigkeit zu Visionen, leidensbereite Ausdauer und Toleranz mit einer großen persönlichen Ausstrahlung paaren. Welche CD haben Sie zuletzt gehört? Das concerto for double string orchestra von Sir Michael Tippet. Treiben Sie Sport, wenn ja, welche Sportart? Früher Leichtathletik und ein wenig Rudern, zur Zeit: no sports. Ihr Vorbild? Als Schüler war für mich Albert Schweitzer das große Vorbild, der als Arzt sein Leben hilfsbedürftigen Menschen in Afrika gewidmet hatte. Noch heute bewundere ich Menschen, die sich ganz der ihnen in der Gesellschaft gestellten Aufgabe hingeben. Dazugekommen sind mit dem Älterwerden viele "kleinere" Vorbilder für Fähigkeiten, die man bei sich selbst als weiterentwicklungsfähig erkannt hat (gute Vorlesungen halten, frei reden können, sich in Auseinandersetzungen durchsetzen können, Witze behalten ) Ihr Motto? Ich blicke positiv in die Welt und bin überzeugt, daß bei gutem Willen die meisten Probleme lösbar sind. Wenn Sie dafür ein Motto wollen: Bei mir ist ein zur Hälfte gefülltes Glas halb voll und nicht halb leer. Was ist gute Lehre? Ziel von Lehre ist die Vermittlung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten. Eine solche Vermittlung gelingt um so besser, je erfolgreicher Lehrende und Lernende miteinander kommunizieren. Voraussetzungen auf der Seite der Lehrenden sind in meinen Augen hohe fachliche Kompetenz, stets aktualisierte Auswahl und Strukturierung des Lehrstoffs und dessen motivierende Darbietung, Fähigkeit und Bereitschaft, sich auf die Lernvoraussetzungen der Studierenden einzustellen (ein Vorlesungsstoff z. B. darf nicht nur abgeliefert werden, er muß auch ankommen), Möglichkeiten der aktiven Beteiligung der Studierenden am Lehr-Lern-Prozeß schaffen. Voraussetzung auf der Seite der Studierenden ist die Bereitschaft, sich aktiv auf den Lernprozeß einzulassen (vorbereiten, zuhören/ sich beteiligen, nacharbeiten). Gute Lehre braucht gute Lehrer! Deshalb werde ich, soweit möglich, alle Maßnahmen fördern, die eine Qualifizierung von Lehrpersonal (von Tutoren bis zu Hochschullehrern) zum Ziel haben. Unter anderem schweben mir Lehr-Qualifizierungsangebote für das wissenschaftliche Lehrpersonal, insbesondere die Habilitanden, vor. Planen Sie für die TU Berlin eine "Evaluation der Lehre", die über die "Champions in der Lehre" hinausgeht? Veranstaltungsbewertungen durch die Studierenden sind ein wichtiges Element der Evaluation der Lehre und sollen in Zukunft, wie auch bereits von meinem Amtsvorgänger begonnen, von den Fachbereichen in eigener Regie durchgeführt werden. Sie sollten allerdings so organisiert sein, daß eine Rückkopplung des Ergebnisses in die Veranstaltung möglich ist. Bei der Evaluation der Lehre stehen aber auch das Curriculum selbst, Organisation und Durchführung der Prüfungen sowie Studiendauer und Notenskala auf dem Prüfstand. Auch Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern sowie solche zur Verringerung der Abbrecherquoten werden bewertet. Ich halte eine - selbstverständlich auch durch externe "peers" zu kontrollierende - Evaluation für eine wichtige Voraussetzung, daß eine Universität das selbstgesteckte Ziel besonders hoher Qualität erreichen kann. Was halten Sie von Studiengebühren? Ich bin nicht grundsätzlich gegen Studiengebühren, weil ich dadurch eine Schärfung des Verantwortungsbewußtseins der Studierenden für ihr Studium erwarte. Eine wichtige Voraussetzung für die Einführung von Studiengebühren ist für mich jedoch ein sozialverträgliches Konzept, das finanziell schwächer Gestellte nicht zusätzlich benachteiligt (z. B. das Dreikörbemodell). Eine weitere Bedingung für mich wäre, daß die Beiträge der Studierenden nicht zu einer entsprechenden Absenkung der staatlichen Zuschüsse führen, sondern für benennbare Verbesserungen in der Lehre eingesetzt werden, z. B. bei der Finanzierung des Tutorenmodells.
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