TU intern - Dezember 1999 - Alumni

Silvia Löhken

Arbeit zwischen den Kulturen

Fachlich gut, kann sich im Service noch um einiges verbessern", so lautet, kurz zusammengefasst, das Urteil von Dr. Sylvia Löhken über die TU Berlin. Von 1989 bis 1997 hatte sie Gelegenheit, das Innenleben dieser Universität kennen zu lernen. Zunächst als Studentin, später als Doktorandin im Fachgebiet Germanistische Linguistik. Mit Universitäten hat Sylvia Löhken auch heute noch zu tun. Die Entwicklung der TU Berlin zur kundenorientierten Hochschule jedoch kann sie bestenfalls aus der Ferne verfolgen.

Sylvia Löhken lebt in Tokyo, wo sie in der Außenstelle des Deutschen Akademischen Austauschdienstes arbeitet. Lektorin z.b.V. ("zur besonderen Verfügung") lautet ihre offizielle Tätigkeitsbezeichung. Konkret beinhaltet das die Vertretung des Außenstellenleiters, die Unterstützung der über 200 deutschsprachigen DAAD-Lektoren und die Betreuung des Programms ,Sprache und Praxis in Japan'. Zu ihren Aufgaben gehören aber auch die Organisation und Durchführung von Veranstaltungen in ganz Japan, die Begleitung von Stipendiatengruppen oder die Erstellung von Publikationen. "Das ist eine sehr abwechslungsreiche und im positiven Sinne aufregende Tätigkeit zwischen den Kulturen und mit den unterschiedlichsten Menschen", fasst Sylvia Löhken zusammen. Sie ist überzeugt davon, dass die Arbeit des DAAD auch über den Bereich der Hochschulen hinaus von Bedeutung ist. "Der viel zitierte Wirtschaftsstandort Deutschland wird auf Dauer nur dann attraktiv sein, wenn deutsche Hochschulen für ausländische Forschende und Studierende interessant sind, die über ihren Aufenthalt dort unser Land kennen lernen. Der Kontakt zwischen Ländern ist nur dann wirklich gut, wenn er auf einem echten, gewachsenen Kontakt zwischen Menschen beruht".

ZUFALL UND LEIDENSCHAFT

Es war wohl eine Mischung aus Zufall und alter Leidenschaft, die Sylvia Löhken nach Tokyo brachte. "Seit meiner Schulzeit hatte ich Interesse an japanischer Ästhetik", erklärt die promovierte Germanistin. "Das ging so weit, dass ich nebenbei Japanisch lernte und so solide Grundkenntnisse der Sprache besaß." Kurz vor dem Abschluss ihrer Dissertation sah sie dann eine Stellenausschreibung des DAAD. Gesucht wurde eine Lektorin für die Keio-Universität in Tokyo. Kurzentschlossen bewarb sich Sylvia Löhken. Sie bekam die Stelle, packte ihre Koffer und fuhr nach Tokyo. Der grundsätzliche Wechsel von der Wissenschaft ins Wissenschaftsmanagement folgte einige Monate später. Sie nahm das Angebot an, Lektorin z.b.V. zu werden, und wechselte von der Universität ins DAAD-Büro.

Obwohl nur drei der insgesamt 12 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im DAAD-Büro aus Deutschland kommen, sind Leben und Sprache dort von der deutschen Kultur bestimmt. "Die Arbeit mit meinen japanischen Kolleginnen und Kollegen, die Begegnungen mit japanischen Partnern und Studierenden sowie die Reisen sorgen jedoch dafür, dass ich nicht in einer rein deutschen Enklave arbeite", erklärt Sylvia Löhken, die lieber auf die Gemeinsamkeiten als auf die Unterschiede zwischen den Kulturen verweist: "In beiden Ländern sind ein gutes Team und eine gute Atmosphäre die besten Voraussetzungen für ein konstruktives Arbeiten."

Im Vergleich mit japanischen, aber auch mit amerikanischen Universitäten, schneidet nach ihrer Meinung die TU Berlin nicht immer positiv ab. Zufrieden äußert sie sich über die "fachliche Qualität in der siebten Etage des Telefunkenhochhauses", wo das Institut für Linguistik untergebracht ist.

EHER BITTSTELLERIN ALS KUNDIN

Zu den negativen Erfahrungen an der TU Berlin gehört dagegen die Anonymität der Massenuniversität, "die mir besonders bei den Zeugnisübergaben kalt entgegenschlug. In den USA und in Japan werden die Zeugnisse in einer feierlichen Zeremonie übergeben. In Deutschland fühlte ich mich dagegen "abgefertigt" und besonders auch im alltäglichen Umgang mit Verwaltungsangestellten eher als Bittstellerin denn als Kundin", sagt Sylvia Löhken. "Ich erinnere mich noch, wie ich als Tutorin während eines dienstlichen Gesprächs von einer Sachbearbeiterin in der Verwaltung aus dem Raum geschickt wurde, weil sie einen privaten Anruf bekam. Gar nicht zu reden von all den Wartezeiten auf den grauen Gängen. Wie mag diese Atmosphäre erst auf ausländische Gäste wirken?"

Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit den ausländischen Gästen der TU Berlin sind positiv. 1995 lernte sie John Klümpers kennen, der als DAAD-Stipendiat aus den USA nach Berlin gekommen war. Mittlerweile sind die beiden verheiratet, ihr Sohn Jan Taro wurde im Juli in Tokyo geboren. "So hat", sagt Sylvia Löhken, "der DAAD in gewisser Weise nicht nur mein Berufs-, sondern auch mein Privatleben positiv geprägt."

Ursula Resch-Esser


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