TU intern - Dezember 1999 - Menschen
Eisenbahnschienen und TelebusDie beiden TU-Absolventen Dr.-Ing. Steffen Müller und Dr. Ralf Borndörfer sind mit dem Joachim-Tiburtius-Preis für hervorragende Diplomarbeiten und Dissertationen, die an Berliner Hochschulen entstanden, ausgezeichnet worden. Steffen Müllers Doktorarbeit über periodische Verschleißerscheinungen auf Eisenbahnschienen erhielt den 3. Preis. Ein Anerkennungspreis ging an Ralf Borndörfer, der in seiner Dissertation ein mathematisches Rechenverfahren entwickelte, mit dem der Telebus-Fahrdienst verbessert werden konnte. Der Tiburtius-Preis, den die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur zum fünfzehnten Mal verlieh, ist nach dem früheren Senator für Volksbildung, Professor Joachim Tiburtius, benannt. WIE KOMMEN DIE MUSTER AUF DIE SCHIENE?
Periodische Verschleißerscheinungen auf den Oberflächen von Eisenbahnschienen sind ein altbekanntes Problem. Anwohner von Bahnstrecken kennen dieses dröhnende Geräusch, wenn ein Zug auf einem abgenutzten Gleisstück vorbeifährt. Es entsteht, indem Schiene und Fahrzeug aufgrund kleiner Unebenheiten auf der Oberfläche zum Schwingen angeregt werden. Die Lärmbelästigung ist nicht das einzige Übel, es droht darüber hinaus die Beschädigung des Gleisbetts. Das Abschleifen der Schiene sorgt jedoch nur für eine kurzfristige Linderung und ist obendrein noch teuer. In seiner Dissertationsschrift "Linearized Wheel-Rail Dynamics - Stability and Corrugation" hat Steffen Müller mit Hilfe eines selbst entwickelten Simulationsprogramms untersucht, wie solche periodischen Verschleißerscheinungen entstehen. Den Verschleißprozess hat er mit Hilfe eines mathematischen Modells beschrieben. Unter anderem kam Steffen Müller zu dem Ergebnis, dass bereits vorhandene kleine Unregelmäßigkeiten auf der Schienenoberfläche verstärkt werden können, wenn die Wellenlänge dieser Störungen innerhalb eines festen Wellenlängenbereichs liegt. Er zeigt, dass der Verstärkungsmechanismus relativ unabhängig von der Fahrgeschwindigkeit der Züge ist. Als mögliche Ursachen für erhöhte Verschleißerscheinungen nennt er unterschiedlich abgefahrene Profile von linkem und rechtem Rad eines Radsatzes oder fehlerhaft eingebaute Radsätze. Der 1967 in Schwäbisch Gmünd geborene Steffen Müller studierte von 1986 bis 1993 Luft- und Raumfahrt an der TU Berlin. Seine Dissertation, die er während seiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Luft- und Raumfahrt der TU Berlin abschloss, wurde von Professor Klaus Knothe betreut. Seit Mai 1998 ist Steffen Müller als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im ABB Forschungszentrum, Abteilung "Modellierung und numerische Simulation" tätig. WIE KANN DIE MATHEMATIK DEM TELEBUS HELFEN?
Ralf Borndörfer beschäftigte sich in seiner Dissertation "Aspects of Set Packing, Partitioning, and Covering" mit der Frage, wie der Berliner Behindertenfahrdienst "Telebus" seine Kosten senken und gleichzeitig sein Angebot verbessern kann. Der Fahrdienst, der gut 30 Millionen DM pro Jahr kostet, bewältigt mit seinen rund 100 Kleinbussen täglich etwa 2.000 Fahrten. Telebus zählt damit zu den weltweit größten "bedarfsorientierten Verkehrssystemen". Entscheidend für einen guten Service - das bedeutet Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Schnelligkeit - sowie kostengünstiges Arbeiten ist die Planung des Fahrzeugeinsatzes. Ralf Borndörfer entwickelte mit mathematischen Methoden der kombinatorischen Optimierung ein effizientes Lösungsverfahren, das das Telebussystem in der Praxis deutlich verbesserte: Die Benutzer müssen nicht mehr drei Tage vorher den Telebus bestellen, sondern nur noch einen Tag vorher, und die Zahl der Fahrten stieg seit Einführung des Systems um 30 Prozent, ohne dass zusätzliche Kosten anfielen. Dazu hatte sich der Wirtschaftsmathematiker zunächst der mathematischen Theorie gewidmet und eine neue Methode zur Bestimmung von Ungleichungen entwickelt. Das von ihm konzipierte Rechenverfahren lehnt sich an Methoden an, die sich derzeit in der sogenannten "Operativen Verkehrsplanung" bei der Planung von Fahrzeugen und Personal durchsetzen. Laut Ralf Borndörfer sind seine Ergebnisse auf andere bedarfsorientierte Transportsysteme, wie zum Beispiel Anrufsammeltaxis, übertragbar. Der 1967 in Münster geborene Ralf Borndörfer studierte von 1987 bis 1991 Wirtschaftsmathematik an der Universität Augsburg. Im März 1998 promovierte der Wissenschaftliche Mitarbeiter am Konrad-Zuse-Zentrum Berlin bei Professor Martin Grötschel am Fachbereich Mathematik der TU Berlin. Christian Hohlfeld © 12/'99 TU-Pressestelle |