TU intern - Februar 1999 - Vermischtes

”Ein Maturitätszeugnis besitze ich jedoch nicht …”

”… mein Gruß gilt Ihnen allen, die Sie hergekommen sind, an einem Feste theilzunehmen, wie kein anderes seit Gründung der Universität der heutigen Feier zur Seite gestellt werden kann. Eine junge Dame soll zum 1. Male die höchsten Ehren erlangen, welche die Fakultät verleihen kann.” Mit diesen Worten zitiert die Berliner Morgenpost am 19. Februar 1899 den Mathematiker Hermann Amandus Schwarz, Dekan der Philosophischen Fakultät der Friedrichs-Wilhelms-Universität zu Berlin. Vor hundert Jahren, am 18. 2. 1899, wurde Elsa Neumann die erste Doktorin in Berlin. Sie promovierte - ohne jemals ein reguläres Abitur erhalten zu haben - im Fach Physik. Nach ihrem Tod, im Jahre 1902, geriet Elsa Neumann bald in Vergessenheit. Annette Vogt, vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte hat einiges über ”Berlins erstes Fräulein Doktor” zusammengetragen.

Geboren wurde Elsa Neumann am 23. August 1872. Der Zugang zum Abitur war Mädchen in dieser Zeit noch verwehrt, sie erhielten in Preußen erst 1900 die Gelegenheit an eigens für sie eingerichteten Schulen das reguläre Abitur erlangen. Elsa Neumann absolviert 1890 die Lehrerinnenprüfung, deren Stellenwert damals noch unter dem des Realgymnasiums lagen. Durch Privatunterricht, u.a. bei dem an der TH Charlottenburg lehrenden Professor Dr. Herzer eignet sie sich die fehlenden Kenntnisse an. Im Anschluß daran, seit 1894 studierte sie neun Semester Physik, Mathematik, Chemie und Philosophie an den Universitäten in Berlin und Göttingen. Auch hier ist sie auf das Wohlwollen und die Duldung der Professoren angewiesen, da Frauen zu dieser Zeit noch keine Zugangsberechtigung zu Hochschulen haben. Erst 1908, also neun Jahre nach der Promotion Elsa Neumanns, wurde in Preußen das Immatrikulationsrecht für Frauen erlassen.

Elsa Neumann hatte in Emil Warburg, Max Planck und Immanuel Lazarus Fuchs einflußreiche Professoren, die sich für sie einsetzten. Im September 1898 erhielt sie vom Kultusministerium die Erlaubnis zur Promotion, welche sie am 15. Dezember 1898 mit ”cum laude” bestand. Ihre Dissertation ”Über die Polarisationskapazität umkehrbarer Elektroden” wurde in der bekannten Zeitschrift ”Annalen der Physik” veröffentlicht.

Die Überreichung der Promotionsurkunde am 18. Februar 1999 machte sie zur ersten promovierten Frau in Berlin.

Noch im gleichen Jahr wurde sie Mitglied in der angesehenen Physikalischen Gesellschaft. Auch das war keine Selbstverständlichkeit, in einer Zeit als Forscherinnen bei anderen wissenschaftlichen Gesellschaften noch nicht einmal Zugang zu deren Veranstaltungen hatten.

Elsa Neumann engagierte sich auch in der Frauenbewegung und beteiligte sich maßgeblich an der Gründung eines ”Vereins zur Gewährung zinsfreier Darlehen an studierende Frauen

Drei Jahre nach ihrer Promotion, am 23. Juli 1902 starb Elsa Neumann. Ihre Mutter stiftete an der Universität den ”Elsa-Neumann-Preis”, der jeweils am 18. Februar für die beste mathematische oder physikalische Arbeit des Jahres vergeben werden sollte. Diese Auszeichnung wurde von 1906 bis 1918 verliehen, ehe sie den Wirren der Inflation zum Opfer fiel. Eine Frau kam nicht in den Genuß des Preises.

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Über Leben und Werk Elsa Neumanns erscheint in Kürze ein Buch von Annette Vogt mit dem Titel ”Elsa Neumann - Berlins erstes Fräulein Doktor” im Verlag für Wissenschaftsgeschichte Dr. Michael Engel, Berlin 1999.


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